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Urteil 2025: Erwerbsminderungsrente abgelehnt – Was Betroffene jetzt wissen müssen

Aktuell: Warum die Erwerbsminderungsrente oft abgelehnt wird – Ein aktuelles Gerichtsurteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.04.2025, Aktenzeichen: L 13 R 480/23 zeigt, wie komplex die Hürden zur Erwerbsminderungsrente in Deutschland sind. Was Betroffene wissen müssen, wie Sie ablehnende Bescheide anfechten können, und worauf es wirklich beim Antrag ankommt. Der Artikel stammt von Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V.

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Der Wunsch nach finanzieller Sicherheit bei gesundheitlichen Einschränkungen treibt viele Betroffene zur Erwerbsminderungsrente (EM-Rente). Doch wie ein neues, vielbeachtetes Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zeigt, bleibt der Weg zur Rente häufig steinig – selbst bei chronischen Beschwerden oder psychischen Erkrankungen. Wer erfolgreich eine Erwerbsminderungsrente beantragen möchte, muss präzise Voraussetzungen erfüllen und sollte auf typische Ablehnungsgründe vorbereitet sein.

Gesetzliche Hürden: Wer hat Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente?

In Deutschland gelten strikte Voraussetzungen für den Erhalt der Erwerbsminderungsrente. Der Gesetzgeber verlangt:

  • Eine starke gesundheitliche Einschränkung, die zu einer dauerhaften Leistungsminderung führt.
  • Der Nachweis, dass die Arbeitsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich gesunken ist – unabhängig vom zuletzt ausgeübten Beruf.
  • Die Erfüllung bestimmter Rentenzeiten: Mindestens fünf Jahre Versicherung und drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren.

Vor allem dieser letzte Punkt – die sogenannte Wartezeit und Beitragszeit – führt in der Praxis oft zur Ablehnung. Viele Betroffene wissen nicht, dass selbst bei nachweislicher Krankheit fehlende Versicherungszeiten die EM-Rente verhindern.

Der Fall: Wenn Rückenleiden und psychische Störungen nicht ausreichen

Ein jüngster Fall aus Baden-Württemberg macht dies deutlich: Eine Frau, geboren 1973 und zugewandert aus Afghanistan, litt unter Rückenproblemen und Angststörungen. Nach einer Operation konnte sie zwar keine schweren Tätigkeiten mehr übernehmen, wurde aber nach medizinischer Begutachtung weiterhin als in der Lage eingestuft, sechs Stunden täglich zu arbeiten.

Außerdem hatte sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erkrankung nicht genügend Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung geleistet – es fehlten mehrere Monate. Trotz wiederholter medizinischer Gutachten, die eine depressive Störung bestätigten, und selbst nach einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands nach einem Überfall, blieben die Gerichte bei ihrer Linie: Die gesetzlichen Vorgaben sind nicht erfüllt, eine Erwerbsminderung im Sinne des Gesetzes liegt nicht vor.

Die Hauptgründe für Ablehnungen

Statistisch gesehen wird jeder zweite Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Die häufigsten Gründe sind:

  • Versicherungsrechtliche Voraussetzungen nicht erfüllt: Fehlende Wartezeiten oder zu wenig Pflichtbeiträge.
  • Medizinische Voraussetzungen nicht nachgewiesen: Das ärztliche Gutachten ergibt, dass eine Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin möglich ist.
  • Krankheit allein reicht nicht aus: Es zählt ausschließlich die nachgewiesene quantitative Leistungsminderung, nicht allein der Leidensdruck oder die Diagnose.

Der Ablauf nach Ablehnung: Diese Wege stehen offen

Wer einen Ablehnungsbescheid erhält, sollte unbedingt handeln:

  1. Widerspruch einlegen: Innerhalb eines Monats muss ein schriftlicher und begründeter Widerspruch erfolgen.
  2. Klage vor dem Sozialgericht: Wird der Widerspruch abgelehnt, kann gegen die Entscheidung Klage erhoben werden. Medizinische Gutachten sind hier von zentraler Bedeutung.
  3. Neue medizinische Nachweise: Verschlechtert sich der gesundheitliche Zustand, sollten stets neue ärztliche Atteste und Gutachten eingereicht werden.

So vermeiden Sie typische Fehler beim Antrag

Um die Chancen auf eine Bewilligung zu erhöhen, sind folgende Punkte entscheidend:

  • Komplette und aktuelle Unterlagen: Sämtliche relevanten medizinischen Befunde müssen dem Antrag beiliegen.
  • Eigenen Tagesablauf realistisch schildern: Übermäßige Aktivitätsschilderungen können als Beweis gegen die Erwerbsminderung gewertet werden.
  • Fristen beachten: Widerspruchs- und Klagefristen dürfen keinesfalls versäumt werden.

Das neue Urteil: Klare Linie der Gerichte

Die Gerichte betonen ausdrücklich: Nur wer die gesetzlich geforderten Nachweise erbringt, kann mit einer Rente rechnen. Auch psychische Krankheiten oder subjektiv erlebte Beeinträchtigungen reichen nicht aus, solange die objektive Prüfung durch ärztliche Gutachter ergibt, dass der oder die Betroffene noch ausreichend leistungsfähig ist. Besonders für Migrantinnen und Migranten oder Menschen mit lückenhaften Erwerbsbiografien ist dies eine schwere Hürde.

Experten-Tipp: So stärken Sie Ihren Antrag

  • Lassen Sie sich schon vor Antragstellung von Rentenberatern oder Sozialverbänden beraten.
  • Bereiten Sie sich umfassend auf medizinische Gutachten und Begutachtungen vor.
  • Nutzen Sie rechtliche Unterstützung bei Widerspruchs- oder Klageverfahren.

FAQ – Die wichtigsten Fragen zur Erwerbsminderungsrente

Was kann ich tun, wenn mein Antrag abgelehnt wird?

Legen Sie fristgerecht Widerspruch ein und reichen Sie gegebenenfalls neue medizinische Nachweise nach.

Welche medizinischen Voraussetzungen muss ich erfüllen?

Sie müssen durch ärztliche Gutachten nachweisen, dass Sie dauerhaft weniger als sechs Stunden täglich arbeiten können – unabhängig vom zuletzt ausgeübten Beruf.

Welche versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gibt es?

Mindestens fünf Jahre Versicherungszeit und drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung.

Gelten für psychische Erkrankungen besondere Regeln?

Nein. Psychische Erkrankungen werden wie körperliche Erkrankungen gewertet – entscheidend bleibt das nachgewiesene Leistungsvermögen.

Was passiert bei einer Verschlechterung meines Gesundheitszustandes?

Sie können auch nach Ablehnung jederzeit einen neuen Antrag mit aktualisierten Nachweisen stellen.

Redakteure

  • Peter Kosick

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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