Zunächst: Was ist die Grundrente bzw. der Grundrentenzuschlag?
Die Grundrente wurde eingeführt, um Menschen mit langjähriger Versicherung, aber unterdurchschnittlichem Einkommen, eine bessere Altersabsicherung zu ermöglichen. Für den Anspruch auf Grundrente ist entscheidend, wie viele sogenannte Grundrentenzeiten eine Person vorweisen kann. Dazu zählen in der Regel Pflichtbeitragszeiten aus Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflege, nicht jedoch – wie das Bundessozialgericht nun klargestellt hat – freiwillige Beitragszeiten, also Zeiten, in denen freiwillig Beiträge in die gesezliche Rentenkasse eingezahlt wurden.
Hintergrund und Streitpunkt: Wer bekommt den Grundrentenzuschlag?
Die Grundrente wurde 2021 eingeführt, um Menschen, die lange gearbeitet und niedrige Einkommen erzielt haben, im Alter besser zu stellen. Voraussetzung ist unter anderem, mindestens 33 Jahre sogenannte Grundrentenzeiten vorweisen zu können. Bislang hofften auch viele Selbstständige und Versicherte mit freiwilligen Beitragszeiten auf eine Berücksichtigung dieser Zeiten bei der Grundrentenberechnung.
Im Streitfall klagte ein 77-jähriger Rentner gegen die Deutsche Rentenversicherung, weil ihm der Grundrentenzuschlag verweigert wurde. Zwar hatte er insgesamt mehr als 33 Versicherungsjahre vorzuweisen – davon jedoch nur 230 Monate mit Pflichtbeiträgen. Die restlichen 312 Monate hatte er als freiwillig Versicherter aus selbstständiger Tätigkeit eingezahlt. Die Rentenkasse lehnte den Antrag ab, und die Vorinstanzen bestätigten die Ablehnung.
Kernaussage des Urteils: Pflichtbeiträge sind entscheidend
Das Bundessozialgericht urteilte eindeutig: Für die Grundrente werden ausschließlich Pflichtbeitragszeiten berücksichtigt, nicht aber freiwillige Einzahlungen. Die Richter begründeten diese Differenzierung mit den strukturellen Unterschieden beider Versicherungsformen:
- Pflichtversicherte müssen einkommensabhängig und kontinuierlich einzahlen – eine Verpflichtung, der man sich nicht entziehen kann.
- Die Höhe und die Dauer freiwilliger Beiträge kann dagegen jeder selbst bestimmen, die Zahlungen können unterbrochen oder nur in Mindesthöhe geleistet werden.
Gezielte Förderung durch die Grundrente soll vor allem jene erreichen, die trotz lebenslanger Berufstätigkeit und Pflichtbeiträgen nur niedriges Einkommen hatten. Das Gericht betonte zudem, dass die Grundrente eine sozialpolitische Leistung aus Steuermitteln ist und dem Gesetzgeber beim Zuschnitt ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht.
Auswirkungen für Selbstständige und freiwillig Versicherte
Das Urteil hat weitreichende Folgen für Rentnerinnen und Rentner, die privat und freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, insbesondere für Selbstständige ohne Phasen der Pflichtversicherung. Trotz jahrzehntelanger freiwilliger Beiträge erhalten sie keinen Grundrentenzuschlag, wenn die Pflichtbeitragszeiten fehlen oder nicht ausreichen.
Das Gericht erkennt zwar an, dass freiwillige Beitragszahler ebenfalls zur Stabilität des Systems beitragen, sieht aber keinen verfassungsrechtlichen Verstoß im Ausschluss dieser Zeiten. Wer keine ausreichenden Pflichtzeiten nachweisen kann, muss im Zweifel auf Leistungen der Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter zurückgreifen.
Das Gleichheitsprinzip und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
Ein zentraler Streitpunkt war die angebliche Ungleichbehandlung von freiwillig und pflichtversicherten Beitragszahlern. Das BSG stellte klar, dass die gesetzliche Differenzierung zulässig und sachlich gerechtfertigt ist:
- Pflichtversicherte tragen die Hauptlast der Beitragszahlungen, oft über Jahrzehnte und in relevanter Höhe.
- Die Möglichkeit freiwilliger Beiträge – gerade kurz vor Einführung der Grundrente – beschränkt sich oft auf Mindestbeiträge, weshalb diese Beitragszeiten für das Ziel der Grundrente unpassend sind.
- Der Gesetzgeber darf gezielt steuern, welche Versichertengruppen gefördert werden.
Das Gericht stellte klar: Der Gesetzgeber muss nicht alle Beitragsarten und Versichertengruppen gleich behandeln, solange sachliche Gründe vorliegen. Das Ziel, Menschen mit pflichtversicherter, langjähriger und oft unterdurchschnittlich entlohnter Erwerbstätigkeit zu unterstützen, wurde als hinreichend gewichtig anerkannt.
Fazit: Grundrente bleibt exklusive Regelung
Das Urteil B 5 R 3/24 R des Bundessozialgerichts macht deutlich, dass für den Grundrentenzuschlag ausschließlich Pflichtbeitragszeiten anzurechnen sind. Freiwillige Einzahlungen werden nicht berücksichtigt, auch wenn sie über Jahrzehnte geleistet wurden. Für viele Selbstständige und freiwillig Versicherte bleibt die Zugangshürde zur Grundrente bestehen – sie können gegebenenfalls auf andere Leistungen wie die Grundsicherung zurückgreifen. Die Entscheidung ist sozialpolitisch umstritten, aber rechtlich eindeutig und unterstreicht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Rentenrecht.
Zusammenfassung des Urteils
Das Bundessozialgericht lehnt die Anerkennung freiwilliger Beitragszeiten in der Rentenversicherung als Grundrentenzeiten ab. Dies ergebe sich aus gesetzgebereischen Vorgaben.
Dieser Ausschluss freiwilliger Beitragszeiten bei der Anrechnung auf die Grundrente ist sachlich gerechtfertigt und verletzt nicht das Gleichheitsgebot, so das Bundessozialgericht. Die Unterschiede in Beitragspflicht, -höhe und -dichte zwischen Pflicht- und freiwillig Versicherten sowie die Zielsetzung des Gesetzgebers bilden, so das Gericht, tragfähige Gründe für diese Differenzierung.