Zahlen und Trends bei der Erwerbsminderungsrente
Der Bericht „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“, den das Bundeskabinett 2024 verabschiedet hat, weist für 2024 mehr als 171.000 neue Erwerbsminderungsrenten aus – gut 7.000 mehr als im Vorjahr. Damit setzt sich der Trend steigender EM-Zugänge fort, der bereits in den Vorjahren zu beobachten war.
Rund 40 bis 42 Prozent dieser neuen EM-Renten gehen auf psychische und Verhaltensstörungen zurück. Fachstatistiken zeigen, dass sich der Anteil psychisch bedingter Erwerbsminderungsrenten seit den 1990er-Jahren in etwa verdoppelt hat.
Psychische Erkrankungen als Hauptursache für EM-Rente
Unter „psychischen und Verhaltensstörungen“ werden vor allem Depressionen, Angst- und Anpassungsstörungen, Belastungsreaktionen sowie Suchterkrankungen zusammengefasst. Diese Diagnosegruppe hat körperliche Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden oder Erkrankungen des Bewegungsapparats als wichtigste Ursache für eine Erwerbsminderungsrente überholt.
Studien verweisen auf steigenden Arbeitsdruck, Personalmangel, ständige Erreichbarkeit und Konflikte im Job als zentrale Belastungsfaktoren. Hinzu kommen private Krisen, finanzielle Sorgen und unzureichende Behandlung, die psychische Erkrankungen chronisch werden lassen können.
Psychrisch begründete EM-Rente: Frauen besonders häufig betroffen
Frauen sind bei psychisch begründeten Erwerbsminderungsrenten überdurchschnittlich vertreten. In aktuellen Auswertungen geht knapp jede zweite neue EM-Rente von Frauen auf psychische oder psychosomatische Diagnosen zurück.
Dafür werden mehrere Gründe genannt: Häufige Beschäftigung in sozialen, pflegerischen und dienstleistungsnahen Berufen mit hoher emotionaler Belastung, höhere Teilzeitquoten und die Doppelbelastung aus Erwerbsarbeit und unbezahlter Care-Arbeit. Gleichzeitig nehmen Frauen psychische Beschwerden tendenziell eher wahr und suchen häufiger Hilfe – was Diagnosen und damit auch Anerkennungen von EM-Renten beeinflusst.
Eintrittsalter: Wie früh die EM-Rente beginnt
Wer eine Erwerbsminderungsrente erhält, scheidet im Schnitt deutlich früher aus dem Erwerbsleben aus als reguläre Altersrentner. Aktuelle Zahlen nennen ein durchschnittliches Zugangsalter von etwa 53,5 Jahren für Frauen und 54,5 Jahren für Männer.
Zum Vergleich: Das durchschnittliche Eintrittsalter in die reguläre Altersrente lag zuletzt bei rund 64,7 Jahren. Damit gehen Betroffene im Schnitt gut zehn Jahre früher aus dem Erwerbsleben – mit entsprechenden Einbußen bei Einkommen, Rentenansprüchen und finanzieller Planungssicherheit.
Finanzielle Folgen der Erwerbsminderungsrente
Die Erwerbsminderungsrente liegt oft deutlich unter der späteren regulären Altersrente, weil Beitragszeiten fehlen und Erwerbsbiografien häufig von Krankheit und Teilzeit geprägt sind. Durchschnittliche EM-Renten lagen 2024 laut Auswertungen um etwa 1.000 bis 1.050 Euro netto, mit etwas höheren Beträgen bei Männern als bei Frauen.
Für viele Betroffene entstehen dadurch deutliche Versorgungslücken, die nur teilweise durch Grundsicherung im Alter oder ergänzende Sozialleistungen aufgefangen werden. Fachleute empfehlen darum, Risiken durch Erwerbsminderung frühzeitig in die eigene Vorsorgeplanung einzubeziehen.
Ursachen in der Arbeitswelt
Die Zunahme psychischer Erkrankungen und EM-Renten spiegelt auch Entwicklungen am Arbeitsmarkt wider. Krankenkassendaten berichten von stark steigenden Fehltagen wegen Depressionen und anderer psychischer Leiden – insbesondere in Pflege, Erziehung und anderen „Kümmerberufen“.
Hoher Leistungsdruck, Personalmangel, Schichtdienst, emotionale Belastungen und mangelnde Erholungsphasen erhöhen das Risiko langfristiger psychischer Erkrankungen. Wer über längere Zeit psychisch erkrankt ist, hat deutlich schlechtere Chancen, wieder vollständig in den Beruf zurückzukehren – ein wichtiger Treiber für EM-Renten.
Prävention, Reha und Ansprüche sichern
Gesundheitsbehörden und Rentenversicherung setzen verstärkt auf Prävention und Rehabilitation, um Erwerbsminderung möglichst zu vermeiden. Programme zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz, betriebliche Gesundheitsförderung und spezielle Reha-Angebote für Menschen mit seelischen Erkrankungen sollen den Verbleib im Erwerbsleben verlängern.
Betroffene sollten bei längeren oder wiederkehrenden psychischen Beschwerden frühzeitig ärztliche Hilfe suchen, Reha-Möglichkeiten prüfen und sich zu Ansprüchen auf EM-Rente beraten lassen. Wichtig ist außerdem, Anträge sorgfältig zu stellen und bei Ablehnung rechtliche Beratung zu nutzen, da viele EM-Renten erst nach Widerspruch oder Klage bewilligt werden.

