Pflegende Angehörige leisten einen unschätzbaren Beitrag für das deutsche Sozialwesen. Viele wissen nicht, dass ihr Einsatz auch rentenrechtlich gewürdigt wird: Wer nicht erwerbsmäßig Angehörige im häuslichen Umfeld pflegt und bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann Ansprüche auf Rentenbeiträge erwerben. Doch was passiert, wenn die MDK-Einstufung – etwa durch ein kurzes Gutachten – den tatsächlichen Pflegeaufwand zu niedrig bewertet? Bislang führten solche Bewertungen oft dazu, dass die Pflegekasse oder die Rentenversicherung keine Beiträge abführte. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat jetzt entschieden: Der Rentenversicherungsträger muss die Versicherungspflicht eigenständig prüfen und ist nicht an die MDK-Gutachten gebunden.
Das Urteil im Detail: Rentenanspruch trotz abweichender MDK-Einstufung
Mit der Entscheidung vom 22. Mai 2025 (Az. L 10 R 108/22) bestätigte das LSG, dass die Rentenversicherungspflicht für nicht erwerbsmäßige Pflegepersonen ausschließlich vom Rentenversicherungsträger festgestellt wird. MDK-Gutachten sind nur vorbereitende Einschätzungen und entfalten keine rechtliche Bindungswirkung für die Rentenversicherung. Hintergrund: Ein Kläger hatte seine Mutter zwischen Februar 2016 und Februar 2017 gepflegt. Das MDK-Gutachten bescheinigte jedoch weniger als die erforderlichen wöchentlichen Pflegezeiten. Als die Pflegekasse die Meldung zur Rentenversicherungspflicht verweigerte, klagte der Sohn – und bekam in zweiter Instanz Recht.
Pflegende Angehörige: Voraussetzungen für die Rentenversicherungspflicht
Um Anspruch auf Rentenbeiträge für Pflegetätigkeit zu haben, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die pflegebedürftige Person besitzt mindestens Pflegegrad 2.
- Die Pflege erfolgt nicht erwerbsmäßig im häuslichen Umfeld.
- Pro Woche müssen mindestens 10 Stunden Pflege, auf mindestens zwei Tage verteilt, nachgewiesen werden (seit 2017, vorher 14 Stunden).
- Die gleichzeitige Erwerbstätigkeit darf höchstens 30 Wochenstunden betragen.
- Die Pflegezeit erstreckt sich über mindestens zwei Monate oder 60 Tage pro Jahr.
Wird die Pflege eines Angehörigen über diese Mindestzeiten hinaus geleistet, sind auch Rentenbeiträge fällig – unabhängig davon, wie der MDK die Pflegeeinstufung bewertet. Für vertiefende Informationen zu den Voraussetzungen und Verfahren der Rentenversicherungspflicht bei Pflege können Interessierte auch die offizielle Broschüre „Rente für Pflegepersonen: Ihr Einsatz lohnt sich“ der Deutschen Rentenversicherung nutzen. Darin werden praxisnah alle gesetzlichen Kriterien, Meldewege und Ansprüche erläutert.
MDK-Gutachten: Keine Bindungswirkung für die Rentenversicherung
Viele Pflegepersonen glauben, dass die Bewertung des MDK (= Medizinischer Dienst) letztendlich entscheidet, ob sie rentenversicherungspflichtig sind. Das LSG macht aber klar: Der Rentenversicherungsträger entscheidet im Rahmen eigener Prüfung. MDK-Gutachten dienen nur als Beweismittel und sind für die Entscheidung der Rentenversicherung nicht verbindlich. Das bedeutet: Pflegepersonen können bei zu niedriger MDK-Bewertung Widerspruch einlegen und ihren tatsächlichen Pflegeeinsatz nachweisen. Die Rentenversicherung muss sich mit den konkreten Pflegezeiten beschäftigen und eigene Ermittlungen anstellen.
Bedeutung für pflegende Angehörige und Rechtssicherheit
Das Urteil gibt Hunderttausenden pflegenden Angehörigen mehr Rechtssicherheit. Insbesondere, wenn MDK-Gutachten zu knapp bemessen sind oder die Pflegekasse die Meldung verweigert, können Pflegepersonen ihre Ansprüche dennoch durchsetzen. Auch rückwirkende Ansprüche sind möglich, sofern die Voraussetzungen der Mindestpflegezeit erfüllt wurden. Wer bereits Beiträge aus Erwerbstätigkeit zur Rentenversicherung zahlt, ist davon allerdings ausgeschlossen und erhält keine doppelten Rentenpunkte.
Schritt-für-Schritt: So sichern Sie Ihre Rentenansprüche
- Ermitteln und dokumentieren Sie alle Pflegezeiten sorgfältig.
- Prüfen Sie, ob Sie die gesetzlichen Voraussetzungen nach SGB XI und SGB VI erfüllen.
- Reichen Sie bei abweichender MDK-Einstufung Widerspruch bei der Pflegekasse ein.
- Fordern Sie beim Rentenversicherungsträger eine eigenständige Prüfung und machen Sie Ihre tatsächlichen Pflegezeiten belegbar.
- Nutzen Sie ggf. professionelle Unterstützung von Rentenberatern oder Sozialverbänden.
Fazit
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Mai 2025 ist ein Meilenstein für pflegende Angehörige: Die Rentenversicherung prüft selbstständig, ob Versicherungspflicht besteht, und ist nicht an MDK-Gutachten gebunden. Pflegende Angehörige sollten ihre Pflegezeiten genau dokumentieren und bei abweichender Bewertung aktiv ihre Ansprüche durchsetzen – so sichern sie trotz möglicher Behördenfehler ihren Rentenanspruch.