Sozialgericht stellt klar: keine vorläufige Rente, sondern Grundsicherung im Alter!

Im Mai 2025 entschied das Sozialgericht Karlsruhe über einen Antrag auf einstweilige Anordnung zur Auszahlung der Altersrente. Unser Beitrag beleuchtet den Sachverhalt, die Entscheidungsgründe und ordnet die Bedeutung des Beschlusses für Betroffene ein.

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Es liegt ein aktueller Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vor. Danach besteht ein Anspruch auf Eilanordnung hinsichtlich einer vorläufigen Rentenzahlung bei einem Antrag auf Altersrente, Az. S 12 R 1202/25 ER. Das Sozialgericht hat den Kläger auf die allgemeine Sozialhilfe in Form der Grundsicherung im Alter verwiesen. De facto heißt das: Sozialhilfe geht einer einstweiligen Rente vor! Die Hintergründe der Entscheidung erklären wir hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.

Sachverhalt: Einstweilige Anordnung zur Auszahlung der Altersrente

Der Gerichtsentscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Antragsteller, geboren am 2. Januar 1959, hatte die Regelaltersgrenze für die gesetzliche Altersrente im April 2025 erreicht. Trotz wiederholter außergerichtlicher Bemühungen erhielt er von der Deutschen Rentenversicherung bislang keinen Bescheid über die Bewilligung seiner Altersrente. Zur Bestreitung seines Lebensunterhalts sah sich der Antragsteller gezwungen, sein Girokonto zu überziehen. Aus diesem Grund beantragte er beim Sozialgericht Karlsruhe eine einstweilige Anordnung, um die sofortige Auszahlung seiner Altersrente zu erreichen.

Gerichts entscheidet: Darum wurde der Eilantrag abgelehnt

Das Sozialgericht Karlsruhe lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Entscheidend war, dass nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine einstweilige Anordnung nur dann ergehen kann, wenn der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht. Ein Anordnungsanspruch besteht nur, wenn der Antragsteller auch in der Hauptsache einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden kann, weil dem Antragsteller sonst schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile drohen.

Das Gericht stellte fest, dass kein Anordnungsgrund vorliegt. Der Antragsteller kann für die Zeit bis zum Beginn der Altersrentenzahlung Leistungen nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter) beim zuständigen Sozialamt beantragen, wenn er bedürftig ist. Wird er ausreichend durch Sozialleistungen versorgt oder wurde er mangels Bedürftigkeit abgelehnt, besteht kein Grund für eine gerichtliche Eilanordnung zur sofortigen Rentenzahlung.

Kritik der Gerichtsentscheidung – unsere Meinung

In den Medien ist Kritik an der Gerichtsentscheidung geübt worden. Wir bewerten den Gerichtsbeschluss wie folgt:

Juristische Bewertung

Die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe ist nach unserer Meinung gemäß geltendem Recht korrekt:

Das Gericht hat sich strikt an die gesetzlichen Vorgaben gehalten:

  • § 86b SGG (Sozialgerichtsgesetz): Eine einstweilige Anordnung ist nur möglich, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen.
  • Anordnungsanspruch: Der Antragsteller muss in der Hauptsache einen Anspruch auf die begehrte Rente haben.
  • Anordnungsgrund: Es muss ein dringender Grund vorliegen, der es rechtfertigt, nicht auf die reguläre Entscheidung zu warten.

Das Gericht stellt fest, dass der Antragsteller in der Zeit bis zur Rentenzahlung Leistungen nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter) beantragen kann. Solange diese Möglichkeit besteht, liegt kein Anordnungsgrund vor, weil der Lebensunterhalt gesichert werden kann.

Rechtspolitische Betrachtung

Aus Sicht der Betroffenen ist die Situation natürlich unbefriedigend – ganz klar:
Wer sein Leben lang gearbeitet und eingezahlt hat, möchte zu Recht zeitnah seine Rente erhalten. Verzögerungen bei der Bearbeitung dürfen nicht zu seinen Lasten gehen und zu finanziellen Engpässen führen.

Aus Sicht des Sozialstaats ist die Entscheidung jedoch nachvollziehbar:
Das Sozialrecht sieht vor, dass Menschen im Alter nicht ohne Unterstützung dastehen. Die Grundsicherung nach SGB XII soll genau solche Lücken schließen.

Zusammenfassung: Keine Eilanordnung bei bestehenden Sozialhilfe-Anspruch

Das Sozialgericht Karlsruhe hat entschieden: Wer auf die Auszahlung seiner Altersrente wartet und in dieser Zeit seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann, hat grundsätzlich Anspruch auf staatliche Unterstützung nach dem SGB XII, Grundsicherung im Alter. Nur wenn diese Möglichkeit nicht besteht, kommt eine einstweilige Anordnung in Betracht.

Redakteure

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    Sabine Martholt hat Recht und Journalismus studiert und fundierte Kenntnisse im Bereich des Sozialrechts und des Rentenrechts. Beide Rechtsgebiete sind gleichzeitig ihr Hobby, wie sie gern verrät. Bereits vor ihrem ersten Volontariat bei einer Zeitung hat sie sich dem Schreiben gewidmet. Die Entwicklung des Sozialrechts in Deutschland hat sie mit großer Aufmerksamkeit, manchmal aber auch mit Kopfschütteln verfolgt – wie sie selbst sagt. Sie schreibt seit vielen Jahren für unser Online-Magazin. Gute Recherche und die eigene Meinung – beides ist ihr wichtig.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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