Sachverhalt des Bundessozialgericht Urteils
Im Streitfall ging es um eine Bankangestellte, die seit Dezember 2019 eine volle Erwerbsminderungsrente bezieht. Ihr Arbeitsverhältnis endete am 30.04.2021. Im Anschluss zahlte der Arbeitgeber Überstunden aus dem sogenannten Langzeitkonto aus. Die Deutsche Rentenversicherung rechnete diese Zahlung ab Juli 2021 als Hinzuverdienst an und kürzte entsprechend die Rente. Die Betroffene klagte dagegen und bekam zunächst beim Sozial- sowie Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Recht, da die Gerichte der Ansicht waren, die Überstunden seien zwar Arbeitsentgelt, aber kein „rentenschädlicher Hinzuverdienst“, da es an einer sogenannten „zeitlich-rechtlichen Kongruenz“ fehle.
Die Rentenversicherung legte Revision ein und das Bundessozialgericht bestätigte nach jahrelanger Rechtsunsicherheit die Anrechnung von Auszahlungen aus Überstunden auf die Erwerbsminderungsrente.
Entscheidungsgründe und rechtlicher Hintergrund
Das Bundessozialgericht stellte klar:
- Überstundenabgeltungen, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden, sind grundsätzlich als Hinzuverdienst zu betrachten und dürfen auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet werden.
- Die DRV erhält damit Rechtssicherheit, künftig solche Zahlungen als rentenschädlichen Hinzuverdienst zu werten, wenn Anspruch und Auszahlung zeitlich und rechtlich dem laufenden Beschäftigungsverhältnis zugeordnet werden können.
Das Kongruenzprinzip, das zwischen dem Zeitraum der Arbeitsleistung und dem Rentenbezug unterscheidet, bleibt weiterhin bestehen und ist durch das Flexirentengesetz nicht aufgehoben worden. Entscheidend ist die Frage, ob die angesparten Ansprüche tatsächlich während des Arbeitsverhältnisses bestanden und von dort aus abgegolten wurden.
Überstundenabgeltung ist Hinzuverdienst bei EM-Rente!
Das BSG-Urteil bringt erhebliche Auswirkungen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vor Rentenantritt Überstunden ansammeln:
- Ab sofort müssen Empfänger einer Erwerbsminderungsrente damit rechnen, dass Überstundenabgeltungen als Hinzuverdienst gewertet werden können, wenn sie nach einem regulären Beschäftigungsverhältnis ausgezahlt werden.
- Die Deutsche Rentenversicherung ist berechtigt, solche Einmalzahlungen bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen und ggf. die Rentenzahlung zu kürzen.
Nicht betroffen sind Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis tariflich ruht oder die Auszahlung nicht dem Beschäftigungsverhältnis zugeordnet werden kann. Hier hat die DRV in einem Parallelverfahren (Az. B 5 R 12/24 R) ihre Revision zurückgezogen, sodass für diese Konstellation weiterhin kein Hinzuverdienst vorliegt.
Einmalzahlungen und Abfindungen haben Auswirkungen auf EM-Rente
Das Urteil verschafft Klarheit für zukünftige Fälle, aber auch für die Sozialgerichte. Arbeitnehmer können sich in der Praxis nun an der höchstrichterlichen Linie orientieren, die Einmalzahlungen wie Überstunden und Abfindungen einer strikten Prüfung auf Hinzuverdienst unterstellt. In der Vergangenheit gab es eine Grauzone zwischen Arbeitsentgelt und rentenneutralen Zahlungen – diese Lücke wurde nun geschlossen.
Zahlungen nach Rentenbeginn können die EM-Rente kürzen
Für Rentner mit voller Erwerbsminderung und langjährigem Arbeitsverhältnis bedeutet das Urteil:
- Bei Auszahlung von Überstunden nach Ende des Arbeitsverhältnisses kann die Rente gekürzt werden.
- Wer vor Rentenbeginn Überstunden angespart hat, sollte mit dem Arbeitgeber genau klären, wann und wie diese ausgezahlt werden, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Zusammenfassung
Das Urteil B 5 R 15/24 R des Bundessozialgerichts aus September 2025 beendet eine langjährige Unsicherheit im deutschen Rentenrecht. Überstundenabgeltungen nach Ende des Arbeitsverhältnisses gelten als Hinzuverdienst und werden künftig von der Rentenkasse als rentenschädlich angesehen. Arbeitnehmer sollten diese Änderungen bei der Planung des Renteneintritts unbedingt berücksichtigen, um böse Überraschungen bei der Erwerbsminderungsrente zu vermeiden!
Quelle
Bundessozialgerichts (BSG), Urteil Aktenzeichen B 5 R 15/24 R