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Totalsanktionen beim Bürgergeld: Was die neue Studie wirklich beweist

Eine neue Bürgergeld-Studie zeigt: Totalsanktionen – also der vollständige Leistungsentzug bei wiederholter Arbeitsverweigerung – sind praktisch wirkungslos und haben keine positiven Effekte auf die Arbeitsmarktintegration oder Motivation der Betroffenen. Einzelheiten in nachfolgendem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Was sind Totalsanktionen beim Bürgergeld?

Totalsanktionen bedeuten, dass das Bürgergeld für bis zu zwei Monate vollständig gestrichen werden kann, wenn jemand wiederholt jede zumutbare Arbeit ablehnt. Sie sind das schärfste Druckmittel im SGB II und wurden durch die Bürgergeld-Reform 2024 wieder eingeführt. Ziel war es ursprünglich, sogenannte „Totalverweigerer“ in Arbeit zu bringen und Einsparungen im Sozialsystem zu erzielen.

Ergebnisse der aktuellen Bürgergeld-Studie

Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen aus dem Jahr 2025, darunter die IAB-Analyse und die Bürgergeld-Studie von Sanktionsfrei e.V., zeigen: Die Zahl der Totalsanktionen liegt extrem niedrig. Innerhalb eines ganzen Jahres wurden lediglich 455 Bürgergeld-Empfänger sanktioniert, obwohl mehr als fünf Millionen Menschen Anspruch auf Bürgergeld haben. Das entspricht weniger als 0,01 Prozent aller Leistungsberechtigten – die Zielgruppe der “Totalverweigerer” ist folglich eine absolute Minderheit.

Zudem bestätigen die Studien, dass Totalsanktionen keine echten Einsparungen im Staatshaushalt bewirken. Experten gehen davon aus, dass strengere Sanktionen keineswegs dazu führen, dass mehr Menschen dauerhaft einer regulären Beschäftigung nachgehen. Vielmehr zeigen Daten, dass sanktionierte Personen häufig in kurzfristige Minijobs wechseln oder sich sogar dauerhaft vom Arbeitsmarkt zurückziehen.

Warum helfen Totalsanktionen nicht?

Die Forschung hebt verschiedene zentrale Punkte hervor:

  • Der Entzug des Existenzminimums ist für Betroffene extrem belastend und führt nicht zu höherer Arbeitsmotivation. Im Gegenteil – die Aussicht auf vollständige Kürzungen erzeugt Ängste und Unsicherheit.
  • Die große Mehrheit der Bürgergeld-Empfänger hält sich ohnehin an ihre Mitwirkungspflichten und nimmt Angebote wahr – Totalsanktionen betreffen eine winzige Gruppe.
  • Das Grundproblem liegt meist nicht in fehlender Motivation, sondern in gesundheitlichen, familiären oder strukturellen Hindernissen, die Arbeit verhindern.

Insbesondere die wissenschaftliche Evaluation macht deutlich, dass Sanktionen nur eine sehr begrenzte Wirkung entfalten. Schon die Androhung von Sanktionen genügt für die meisten Leistungsberechtigten als Anreiz zur Mitwirkung – Totalsanktionen als schärfste Maßnahme sind daher nicht zielführend.

Die politische Brisanz der Studie

Die Studie hat hohe politische Relevanz: Die Regierung hatte mit Totalsanktionen auf angeblich viele „Totalverweigerer“ reagiert und sich Einsparungen in Milliardenhöhe erhofft. Tatsächlich zeigen die Zahlen aber, dass sich mit verschärften Sanktionen kaum etwas einsparen lässt und die Totalsanktion als Instrument an der sozialen Wirklichkeit und Praxis der Jobcenter vorbeigeht.

Viele Sozialverbände und Arbeitsmarktforscher fordern stattdessen Investitionen in Bildung, Beratung und soziale Unterstützung, anstatt auf Abschreckung und existenzielle Bedrohung zu setzen. Bereits der Regelsatz von 563 Euro Bürgergeld reicht laut Studien nicht aus, um ein würdiges Leben zu führen – weitere Kürzungen im Rahmen von Sanktionen verschärfen die Situation und führen zu gesellschaftlicher Ausgrenzung.

Fazit: Totalsanktionen beim Bürgergeld sind wirkungslos

Abschließend zeigt die neue Bürgergeld-Studie, dass Totalsanktionen niemandem nützen: Sie erreichen kaum die Zielgruppe, bewirken keine signifikanten Einsparungen und führen oft zu mehr sozialer Not. Die Politik sollte stattdessen die Ursachen von Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen und auf positive Anreize sowie individuelle Förderung setzen, anstatt immer härtere Kürzungen einzuführen.

Weiterführende Informationen

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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