Das Bundessozialgericht hat mit einem aktuellen Urteil ein Signal für schwerbehinderte Menschen gesetzt, die eine Altersrente beziehen oder beantragen möchten. Die Entscheidung klärt, wie sich nachträgliche Änderungen beim Schwerbehindertenstatus auf die Rentenansprüche auswirken und welche Grenzen das Sozialrecht dabei setzt. Die Einzelheiten und Hintergründe des Urteils erklären wir hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V..
Worum geht es bei dem Urteil des Bundessozialgerichts?
Im Mittelpunkt des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juni 2024 (Az. B 5 R 14/22 R) stand die Frage, wie sich eine rückwirkende Änderung des Schwerbehindertenstatus auf die Rente auswirkt.
Sachverhalt: Was war geschehen?
Der konkrete Fall: Ein Versicherter hatte ursprünglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen beantragt und erhalten. Später wurde festgestellt, dass der zugrundeliegende Verwaltungsakt – durch eine Herabstufung des Grades der Behinderung (GdB) oder eine andere Entscheidung – rechtswidrig war. Es stellte sich die Frage, ob und wie eine nachträgliche Änderung zugunsten des Betroffenen möglich ist und welche Grenzen das Sozialrecht dabei setzt.
Die wichtigsten Punkte der Urteilsbegründung
1. Keine unbegrenzte Nachbesserung bei rechtswidrigen Verwaltungsakten
Das BSG stellte klar: Wenn ein begünstigender Verwaltungsakt (z. B. die Gewährung einer Rente wegen Schwerbehinderung) rechtswidrig war, kann dieser nicht beliebig nachgebessert werden. Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X darf eine neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Das bedeutet: Ist ein Anspruch dem Grunde nach gar nicht gegeben, darf auch bei einer Neuberechnung keine Erhöhung erfolgen – die rechtmäßige Leistung ist dann „Null“.
2. Die “Aussparungsregelung” schützt das System
Die sogenannte Aussparungsregelung greift nicht nur, wenn der Fehler des alten Bescheids die Höhe der Geldleistung betrifft, sondern auch, wenn die Grundlage der Leistungsbewilligung insgesamt fehlt. Das BSG will damit verhindern, dass ein einmal entstandenes „materielles Unrecht“ – also eine zu Unrecht gewährte Leistung – durch spätere Änderungen noch weiterwächst.
3. Vertrauensschutz bleibt gewahrt
Gleichzeitig betont das Gericht, dass die Vertrauensschutzregelungen der §§ 45 und 49 SGB X weiterhin gelten. Das bedeutet: Bestandskräftige, also unanfechtbare, Verwaltungsentscheidungen können nicht beliebig rückgängig gemacht werden. Nur wenn eine gesetzliche Grundlage für eine Änderung besteht, ist eine Korrektur möglich – ansonsten bleibt der ursprüngliche Bescheid bestehen.
Bedeutung des Urteils für Betroffene
Das Urteil schafft Klarheit für schwerbehinderte Menschen, die eine Altersrente beziehen oder beantragen wollen. Es betont, dass eine rückwirkende Verbesserung der Rentenleistung nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben möglich ist. Wer eine Rente für schwerbehinderte Menschen erhalten möchte, muss zum maßgeblichen Zeitpunkt die Voraussetzungen (insbesondere einen GdB von mindestens 50) erfüllen. Eine nachträgliche Änderung des Status kann die Rente nur dann beeinflussen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Korrektur vorliegen und kein Vertrauensschutz entgegensteht.
Signalwirkung für die Rentenpraxis
Das BSG-Urteil B 5 R 14/22 R ist ein wichtiger Meilenstein im Rentenrecht für schwerbehinderte Menschen. Es schützt sowohl die berechtigten Interessen der Versicherten als auch die Solidargemeinschaft der Rentenversicherung. Für Betroffene bedeutet das: Sorgfältige Antragstellung und rechtzeitige Klärung des Schwerbehindertenstatus bleiben entscheidend, um Nachteile bei der Altersrente zu vermeiden.
„Die gewährte Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung prägt üblicherweise entscheidend die weitere Lebensgestaltung.“
— BSG, 27.06.2024, B 5 R 14/22 R
Tipp: Wer unsicher ist, ob alle Voraussetzungen für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen erfüllt sind, sollte rechtzeitig fachlichen Rat bei der Deutschen Rentenversicherung, einem Rentenberater oder Rechtsanwalt einholen und bei Änderungen des GdB sofort aktiv werden.
Zusammenfassung
Das BSG-Urteil B 5 R 14/22 R vom 27. Juni 2024 klärt, wie sich eine nachträgliche Änderung des Schwerbehindertenstatus auf die Altersrente auswirkt. Das Gericht entschied, dass eine rückwirkende Erhöhung der Rente nur möglich ist, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dazu tatsächlich vorlagen.