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Viele Rentner verschenken Geld: Warum fehlende Steuererklärungen den Grundrentenzuschlag mindern

Tausende Rentnerinnen und Rentner erhalten weniger Rente als ihnen zusteht – nur, weil sie keine Steuererklärung abgegeben haben. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) greift beim Grundrentenzuschlag auf Steuerdaten zurück. Fehlen diese, wird das Einkommen geschätzt – oft zu Ungunsten der Rentner. Bürger & Geld, das Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., zeigt, wie Sie bares Geld sichern.

Einleitung: Wenn Anerkennung zum Risiko wird

Die Grundrente sollte ein Meilenstein sein: ein Zeichen staatlicher Anerkennung für Millionen von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben und dennoch nur eine kleine Rente bekommen. Doch in der Praxis zeigt sich ein gravierendes Problem: Viele bekommen nicht den vollen Grundrentenzuschlag oder sogar gar keinen, obwohl sie eigentlich Anspruch hätten.

Die Ursache liegt in einem unscheinbaren bürokratischen Detail: dem Fehlen einer Steuererklärung. Wer keine abgibt, weil er denkt, es sei nicht notwendig – immerhin zahlen viele Rentner aufgrund geringer Einkommen keine Steuern – riskiert, dass die DRV das Einkommen nur schätzt. Und diese Schätzung fällt in vielen Fällen so aus, dass Anspruch auf Zuschläge teilweise oder ganz verfällt.

Für einzelne Rentner bedeutet dies einen monatlichen Verlust zwischen 50 und 250 Euro, für Ehepaare sogar noch mehr. Auf die gesamte Ruhestandszeit gerechnet können schnell 10.000 Euro und mehr verloren gehen – ohne dass Betroffene es überhaupt merken.

Was genau ist der Grundrentenzuschlag?

Um die Dimension des Problems zu verstehen, schauen wir uns die Regeln noch einmal detaillierter an:

  • Der Grundrentenzuschlag wurde 2021 eingeführt. Ziel: Menschen mit mindestens 33 Jahren sogenannter Grundrentenzeiten (darunter fallen u. a. Pflichtbeiträge aus Beschäftigung, Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten) sollen trotz niedrigen Arbeitslohns eine höhere Rente erhalten.
  • Anspruchsberechtigt sind also Menschen, die lange gearbeitet haben, aber durchschnittlich weniger als 80% des Durchschnittseinkommens verdient haben.
  • Der Zuschlag kann in der Spitze über 400 Euro brutto monatlich betragen, in vielen Fällen liegt er zwischen 100 und 250 Euro.
  • Wichtig: Der Zuschlag ist kein Antrag, sondern wird von der DRV automatisch geprüft und berechnet.

Damit er fair berechnet werden kann, spielt das Einkommen eine entscheidende Rolle. Und genau hier entsteht die Falle.

Warum Steuerdaten so wichtig sind

Die DRV gleicht Einkommen mit dem Finanzamt ab. Nur wenn ein aktueller Steuerbescheid vorliegt, kann exakt berechnet werden, ob der Freibetrag eingehalten ist.

  • Der Freibetrag 2025:
    • 1.317 € brutto monatlich für Alleinstehende
    • 2.088 € brutto monatlich für Ehepaare
  • Einkommen oberhalb dieser Grenzen wird angerechnet und mindert den Zuschlag.

Haben Rentner keine Steuererklärung eingereicht, fehlen die präzisen Daten. Dann darf die DRV schätzen – was meist zu einem zu hohen Einkommen führt und damit den Anspruch mindert oder streicht.

Typische Irrtümer: „Ich muss keine Steuererklärung machen“

Viele Rentner*innen gehen davon aus, dass sie keine Steuererklärung abgeben müssen, weil:

  • die Rente unter dem steuerpflichtigen Einkommen liegt,
  • keine weiteren Einnahmen erzielt werden,
  • sie vom Finanzamt gar nicht dazu aufgefordert werden.

Diese Annahmen sind zwar steuerlich verständlich – führen aber sozialrechtlich zu Nachteilen. Denn für die Grundrentenberechnung sind die Details aus dem Steuerbescheid unverzichtbar.

Konkrete Rechenbeispiele

Beispiel 1: Frau M. aus Dortmund

  • Altersrente: 920 €
  • Anspruch Grundrentenzuschlag: 180 €
  • Keine Steuererklärung abgegeben → DRV schätzt Einkommen auf 1.400 €
  • Zuschlag reduziert auf 40 €
  • Verlust: 140 € pro Monat = 1.680 € jährlich

Beispiel 2: Ehepaar K. aus Leipzig

  • Rente Ehefrau: 700 €, Rente Ehemann: 850 € = Gesamt: 1.550 €
  • Anspruch Grundrentenzuschlag: 230 €
  • Ohne Steuerbescheid pauschale Übernahme von 2.600 € Einkommen
  • Zuschlag gestrichen
  • Verlust: 2.760 € jährlich

Beispiel 3: Herr M. mit kleiner Betriebsrente

  • Gesetzliche Rente: 1.000 €
  • Betriebsrente: 120 €
  • Anspruch Grundrentenzuschlag bei korrekter Berechnung: 150 €
  • Ohne Steuerbescheid: DRV rechnet nur mit Pauschale → Zuschlag auf 60 € gekürzt.
  • Verlust: 90 € monatlich = 1.080 € jährlich

Diese Zahlen zeigen klar: Es geht nicht um „Kleckerbeträge“, sondern um existenzielle Unterschiede.

Gesetzliche Grundlagen

Der § 76g SGB VI regelt den Grundrentenzuschlag.
Die Ermittlung des Einkommens erfolgt gemäß § 97a SGB VI auf Basis der Daten, die das Finanzamt automatisch bereitstellt.

  • Ohne Steuerbescheid → Schätzung.
  • Nachgereichte Steuerbescheide wirken sich nur für die Zukunft aus, nicht nachträglich.
  • Verlorene Monate sind endgültig verloren.

Das ist rechtlich so gewollt, um Verwaltungsaufwand zu begrenzen – führt aber für Betroffene zu massiven Nachteilen.

Wer sollte unbedingt aktiv werden?

  • Rentner mit kleinen Renten unter 1.200 € monatlich
  • Ehepaare ohne Steuererklärung
  • Rentner mit geringen Kapitaleinnahmen, die meinen, dass es irrelevant sei
  • Rentner mit Nebenjobs oder Betriebsrenten, die sich steuerlich eigentlich „nicht lohnen“ – aber im Grundrentensystem relevant sind

Tipps: So sichern Sie Ihren Anspruch

  1. Steuererklärung abgeben – auch ohne steuerliche Pflicht, am besten elektronisch über ELSTER oder mit Unterstützung.
  2. Antragsveranlagung beim Finanzamt nutzen – speziell für Rentner ist das einfach möglich.
  3. Direktkontakt zur DRV aufnehmen – aktuelle Steuerbescheide nachreichen, um Korrekturen vorzunehmen.
  4. Beratung in Anspruch nehmen – Lohnsteuerhilfevereine, Sozialverbände, Verbraucherzentralen bieten kostengünstige Hilfe.
  5. Regelmäßig prüfen, ob der Zuschlag korrekt gezahlt wird (DRV-Bescheid genau ansehen und gegebenenfalls schriftlich nachfragen).

Politische Diskussion: Automatisch gerecht oder bürokratisch ungerecht?

Die Grundrente wurde einst groß gefeiert als automatischer Zuschlag ohne Antragspflicht. Doch gerade die Abhängigkeit von Steuerdaten offenbart ein strukturelles Problem:

  • Viele der Anspruchsberechtigten sind gerade jene, die sich nicht mehr mit Bürokratie belasten wollen oder können.
  • Die Folge: Ausgerechnet die Zielgruppe des Grundrentenzuschlags läuft Gefahr, leer auszugehen.
  • Sozialverbände fordern seit Langem, dass die DRV stattdessen auf andere Datensätze zurückgreifen darf – etwa direkte Meldungen der Rentenversicherung selbst – oder Nachzahlungen rückwirkend über mehrere Jahre erlaubt werden.

Bislang hat die Politik diese Forderungen nicht umgesetzt.

FAQ – Häufige Fragen

Muss ich eine Steuererklärung machen?

Nein, nicht steuerlich. Aber sozialrechtlich ist sie dringend zu empfehlen. Ohne sie riskieren Sie finanzielle Verluste beim Grundrentenzuschlag.

Kann ich den Zuschlag rückwirkend erhalten?

Nein. Korrekturen treten nur ab dem Folgemonat in Kraft. Die Vergangenheit bleibt verloren.

Gelten für Singles und Paare unterschiedliche Freibeträge?

Ja. 2025: 1.317 € für Singles, 2.088 € für Paare.

Ist der Grundrentenzuschlag steuerpflichtig?

Ja, er wird zur Rente gezählt. Bei niedrigen Renten bleibt das aber meist unter dem steuerpflichtigen Gesamtbetrag.

Wer kontrolliert das Ganze?

Die Deutsche Rentenversicherung berechnet und zahlt den Zuschlag. Das Finanzamt liefert die Daten.

Fazit: Steuererklärung = mehr Rente

Der Grundrentenzuschlag ist eine gute Idee. Doch ohne Steuerbescheid können Ansprüche massiv verfälscht werden.
Jeder Rentner sollte deshalb eine Steuererklärung einreichen – selbst, wenn keine Steuern fällig sind.

So sichern Sie sich Ihr volles Anrecht und verhindern, dass monatlich bis zu mehrere hundert Euro auf der Strecke bleiben.

Bürger & Geld rät: Handeln Sie sofort – jeder Monat zählt.

Grundlage sind aktuelle Informationen der Deutschen Rentenversicherung (Stand August 2025).

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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