Privatinsolvenz: Ein Überblick
Die Privatinsolvenz – offiziell Verbraucherinsolvenz genannt – ist in Deutschland für überschuldete Privatpersonen ein zentraler Weg, um sich von erdrückenden Verbindlichkeiten zu befreien. Seit den Reformen der Insolvenzordnung (InsO) können Schuldner bereits nach drei Jahren von ihren Restschulden befreit werden, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Doch auch dieser gesetzliche Schuldenerlass hat Grenzen. Einige Schuldenarten werden vom Gesetz ausdrücklich ausgenommen, um bestimmte Gläubigerinteressen oder gesellschaftliche Schutzinteressen zu wahren.
Im Folgenden beleuchten wir, welche Schulden trotz Privatinsolvenz nicht erlassen werden, warum das so ist und was Betroffene unbedingt beachten sollten.
Welche Schulden werden grundsätzlich von der Restschuldbefreiung umfasst?
Bevor wir auf die Ausnahmen eingehen, ist es wichtig zu verstehen, welche Forderungen durch die Restschuldbefreiung normalerweise aufgehoben werden. Dies umfasst in der Regel:
- Konsumkredite (z. B. Ratenzahlungen für Elektronik, Möbel, Autos)
- Überziehungskredite bei Banken
- Privatkredite von Freunden, Bekannten oder Verwandten
- Mietschulden, die nicht durch Betrug entstanden sind
- Handelsschulden (z. B. offene Rechnungen von Händlern oder Online-Shops)
Ziel ist es, dem Schuldner die Möglichkeit für einen echten finanziellen Neuanfang zu geben.
Gesetzliche Ausnahmen von der Restschuldbefreiung
Die Insolvenzordnung (§ 302 InsO) listet explizit auf, welche Schulden von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind. Dazu gehören:
1. Geldstrafen und Bußgelder
Schulden aus Strafverfahren oder Geldstrafen nach dem Strafgesetzbuch (StGB) bleiben grundsätzlich bestehen. Dazu zählen:
- Geldstrafen nach strafrechtlichen Verurteilungen
- Geldauflagen, wenn sie durch Gericht oder Staatsanwaltschaft verhängt wurden
- Ordnungsgelder und Bußgelder, zum Beispiel wegen Ordnungswidrigkeiten
Der Grund: Der Gesetzgeber will verhindern, dass Täter sich durch eine Insolvenz ihrer strafrechtlichen Verantwortung entziehen.
2. Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen
Wer durch eigenes, vorsätzliches Fehlverhalten Schaden verursacht, soll auch persönlich dafür einstehen. Dazu gehören:
- Schadensersatzforderungen nach vorsätzlicher Körperverletzung
- Schmerzensgeldzahlungen bei vorsätzlich rechtswidrigem Verhalten
- Betrugsfälle, in denen Gläubiger vorsätzlich getäuscht wurden
Wichtig ist hier der Vorsatz: Bei fahrlässigem Verhalten können Forderungen unter Umständen doch erlassen werden.
3. Unterhaltsrückstände aus vorsätzlicher Pflichtverletzung
Unterhaltsforderungen sind ein besonders sensibler Bereich. Bleiben diese aufgrund vorsätzlicher Pflichtverletzung unbezahlt, werden sie nicht von der Insolvenz erfasst. Beispiele:
- Nicht gezahlter Kindesunterhalt trotz Leistungsfähigkeit
- Vorsätzliche Verweigerung von Ehegattenunterhalt
Die Interessen von Kindern und Ex-Partnern werden so besonders geschützt.
4. Verbindlichkeiten aus Steuerstraftaten
Steuerschulden können grundsätzlich unter die Restschuldbefreiung fallen. Anders sieht es jedoch aus, wenn diese auf Steuerhinterziehung oder einer ähnlichen vorsätzlichen Handlung beruhen. In solchen Fällen bleiben entsprechende Steuerforderungen bestehen.
5. Verfahrenskosten bei fehlender Stundung
Die Insolvenz selbst verursacht Kosten (Gerichtskosten, Treuhändervergütung). Werden diese nicht gestundet, bleiben sie nach dem Verfahren bestehen. Auch hier hat der Gesetzgeber klare Grenzen gezogen.
Besonderheiten bei Schuldenarten
Steuerschulden
Wie bereits erwähnt, können normale Steuerschulden durchaus erlassen werden – aber nur, wenn kein strafrechtlich relevantes Verhalten wie Steuerhinterziehung vorliegt.
BAföG-Rückzahlungen
Studienkredite oder BAföG-Rückforderungen gelten wie normale Darlehen. Anders ist es jedoch, wenn ein Betrug bei der Beantragung vorliegt.
Rückforderungen von Sozialleistungen
Wenn Sozialleistungen (z. B. Bürgergeld, Wohngeld, Kindergeld) aufgrund einfacher Fehler überzahlt wurden, können diese Forderungen in die Insolvenz einbezogen werden. Liegt hingegen ein Sozialbetrug vor, sind sie von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen.
Restschuldbefreiung nur nach Antrag
Besonders wichtig: Die Restschuldbefreiung tritt nicht automatisch ein, sondern muss aktiv beantragt werden. Dabei ist es die Pflicht des Schuldners, seine Angaben vollständig und ehrlich zu machen. Wer wichtige Informationen verschweigt oder falsche Angaben macht, riskiert die Versagung der Restschuldbefreiung – und muss sämtliche Schulden weiterhin tragen.
Häufige Fehler von Schuldnern
Viele Schuldner gehen fälschlicherweise davon aus, dass die Privatinsolvenz eine Art “Generalamnestie” für alle Schulden sei. Das führt oft zu folgenden Fehlern:
- Schulden aus vorsätzlichem Handeln werden nicht gemeldet
- Unterhaltsschulden werden falsch eingestuft
- Die Priorität von Gerichtskosten wird unterschätzt
- Steuerstrafen werden als normale Steuerschuld behandelt
Gerade hier ist die Beratung durch Schuldnerberatungsstellen oder Fachanwälte dringend empfohlen.
Bedeutung für Gläubiger
Für Gläubiger hat die Regelung große Bedeutung. Ihnen steht es frei, im Insolvenzverfahren Forderungen anzumelden. Gerade bei Forderungen aus vorsätzlichen Handlungen oder Unterhaltspflichten kann der Gläubiger mit Nachdruck verhindern, dass seine Ansprüche untergehen.
Fazit
Die Privatinsolvenz ist ein wertvolles Instrument, um überschuldeten Menschen eine zweite Chance zu geben. Doch es gibt klare Grenzen: Wer vorsätzlich Schaden verursacht, Unterhaltspflichten verletzt oder strafrechtlich relevante Schuldverhältnisse hat, muss auch nach der Insolvenz weiter zahlen. Diese Ausnahmen sichern die Balance zwischen Schuldnerschutz und Gläubigerinteressen. Wer eine Verbraucherinsolvenz plant, sollte sich daher rechtzeitig beraten lassen, um realistische Erwartungen zu haben und Fehler im Verfahren zu vermeiden.
FAQ
Welche Schulden bleiben auch nach der Privatinsolvenz bestehen?
Geldstrafen, Bußgelder, Unterhaltsschulden bei vorsätzlicher Pflichtverletzung, Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen, Steuerforderungen aus Steuerhinterziehung und nicht gestundete Verfahrenskosten.
Kann ich Steuerschulden in die Insolvenz einbringen?
Ja, wenn sie nicht auf Steuerbetrug oder vorsätzlicher Steuerhinterziehung beruhen.
Wer entscheidet, ob eine Schuld erlassen wird?
Das Insolvenzgericht prüft die Forderungen im Einzelfall. Bestreiten Gläubiger, dass ihre Forderungen erlassen werden, können sie dies im Verfahren geltend machen.
Wie wichtig ist anwaltliche Hilfe?
Sehr wichtig. Fachanwälte für Insolvenzrecht oder anerkannte Schuldnerberatungsstellen helfen, Fehler zu vermeiden und die Chancen auf Restschuldbefreiung zu sichern.