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Pflegegrad 1: Kein Pflegegeld, aber welche Leistungen Sie 2026 wirklich bekommen – und welche Vorteile oft vergessen werden

Pflegegrad 1 bringt mehr Zuschüsse, als viele glauben: 131 € Entlastungsbetrag, Geld für Umbau, digitale Pflegehilfen & kostenlose Kurse für Angehörige - allerdings kein Pflegegeld. Alle Einzelheiten in folgendem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Wenn der Alltag schwerer wird – aber Hilfe noch möglich ist

Nicht jeder Mensch, der Hilfe im Alltag braucht, gilt gleich als schwer pflegebedürftig. Genau hier beginnt der Pflegegrad 1 – und er betrifft inzwischen über 850.000 Menschen in Deutschland. Viele wissen gar nicht, dass sie trotz dieses niedrigen Pflegegrads bereits finanzielle und praktische Unterstützung beantragen können.

Doch was bringt Pflegegrad 1 wirklich? Gibt es Pflegegeld? Welche Zuschüsse stehen zu? Und wie nutzen Betroffene und Angehörige die Vorteile ab 2026 optimal?

Die Antworten zeigen: Auch wer „nur“ leicht eingeschränkt ist, kann spürbare finanzielle Entlastungen erhalten – wenn man die Leistungen richtig kombiniert.

Was bedeutet Pflegegrad 1?

Pflegegrad 1 beschreibt laut Sozialgesetzbuch XI eine „geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“.
Er wird vergeben, wenn Pflegebedürftige bei der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD) 12,5 bis unter 27 Punkte erreichen.

Typische Gründe für Pflegegrad 1 sind:

  • körperliche Einschränkungen (z. B. Gelenkprobleme, Arthrose, Herz-Kreislauf-Schwäche),
  • beginnende Demenz oder geistige Beeinträchtigungen,
  • chronische Erkrankungen, die zu Einschränkungen führen.

Ziel dieser Einstufung ist nicht die Versorgung, sondern die frühe Förderung der Selbstständigkeit.
Darum zahlt die Pflegekasse hier keine „Pflegegelder“, sondern vor allem präventive Unterstützungsleistungen.

Pflegegeld bei Pflegegrad 1: gibt es das?

Klare Antwort: Nein.
Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 erhalten kein monatliches Pflegegeld, da die häusliche Pflege durch Angehörige erst ab Pflegegrad 2 anerkannt wird.

Die Begründung: Menschen mit Pflegegrad 1 gelten als noch weitgehend selbstständig und benötigen in der Regel keine regelmäßige Grundpflege.

Aber: Auch ohne Pflegegeld gibt es mehr finanzielle Hilfe als viele denken.

Entlastungsbetrag: 131 Euro pro Monat für Alltagshilfe

Das wichtigste finanzielle Element für Pflegegrad 1 ist der Entlastungsbetrag in Höhe von 131 Euro monatlich.
Er kann flexibel eingesetzt werden, um die Selbstständigkeit zu erhalten oder Angehörige zu entlasten.

Das ist erlaubt:

  • Unterstützung im Haushalt (z. B. Reinigung, Einkaufen, Kochen),
  • Gartenpflege oder Wäsche,
  • Besuchsdienste und Alltagsbegleiter,
  • Angebote zur Betreuung bei Demenz,
  • Hilfe durch Pflegedienste, z. B. beim Duschen oder Baden,
  • Fahrdienste oder Begleitung zu Arztterminen.

Besonders interessant:
Nur in Pflegegrad 1 darf der Entlastungsbetrag auch für körpernahe Pflegeleistungen verwendet werden.
Ab Pflegegrad 2 ist das aus Gründen der Abgrenzung nicht mehr erlaubt.

Damit bietet Pflegegrad 1 tatsächlich den größten Handlungsspielraum bei der Verwendung dieser 131 Euro.

Pflegehilfsmittel: Bis zu 40 Euro im Monat geschenkt

Ein weiterer Vorteil ist der Anspruch auf Pflegehilfsmittel zum Verbrauch – unabhängig vom Pflegegrad.
Betroffene erhalten monatlich bis zu 40 Euro Erstattung, beispielsweise für:

  • Einmalhandschuhe,
  • Desinfektionsmittel,
  • Bettschutzeinlagen,
  • Schutzschürzen.

Diese Mittel entlasten nicht nur Pflegepersonen, sondern sichern auch Hygiene und Eigenständigkeit – und werden direkt von der Pflegekasse übernommen.

Zuschüsse zur Wohnraumanpassung

Auch kleine Veränderungen im Zuhause können den Alltag deutlich erleichtern.
Mit Pflegegrad 1 gibt es einmalige Zuschüsse von bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme, wenn bauliche Anpassungen die Selbstständigkeit fördern.

Beispiele:

  • Bodengleiche Dusche,
  • Haltegriffe,
  • Treppensteigen mit Lift oder Geländer,
  • Schwellenabschaffung,
  • Notrufsystem (Hausnotruf).

Für gemeinschaftliches Wohnen in Pflege-WGs gibt es zusätzlich 224 Euro monatlich Wohngruppenzuschuss.

Pflegeberatung und Schulungen sind kostenlos

Mit Pflegegrad 1 besteht Anspruch auf kostenfreie Pflegeberatung nach § 7a SGB XI – entweder telefonisch, online oder persönlich durch einen Pflegestützpunkt.

Zudem dürfen Angehörige an Pflegekursen teilnehmen – völlig kostenlos.
Dort lernen sie Grundlagen wie Lagerung, Mobilisierung, Körperpflege oder Kommunikation mit Pflegebedürftigen.

Gerade bei leichten Einschränkungen können solche Kurse helfen, den Betroffenen lange in der häuslichen Umgebung zu halten.

Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege: nur indirekt nutzbar

Anders als bei höheren Pflegegraden hat man bei Pflegegrad 1 keinen direkten Anspruch auf Kurzzeit- oder Verhinderungspflege.
Dennoch gibt es Umwege: Der monatliche Entlastungsbetrag (131 Euro) kann genutzt werden, um Teile solcher Leistungen zu finanzieren, wenn sie über anerkannte Anbieter laufen.

Beispielsweise:

  • Tagespflege-Angebote,
  • stundenweise Betreuung in Einrichtungen,
  • Kurzzeitaufnahme bei Urlaub oder Krankheit der Pflegeperson.

So wird aus dem kleinen Budget mit guter Planung ein spürbarer Effekt.

Digitale Pflegeanwendungen (DiPA): Neu 2026 besonders interessant

Ein relativ neues Feld sind die sogenannten Digitalen Pflegeanwendungen (DiPA). Seit 2024 fördert die Pflegeversicherung spezielle Apps oder Online-Dienste, die Pflegebedürftige unterstützen – etwa durch Gedächtnistraining, Sturzprophylaxe oder Alltagskoordination.

Auch Pflegegrad 1-Personen dürfen diese Anwendungen nutzen, mit einer Bezuschussung von bis zu 53 Euro monatlich.

Das ist ein klarer Vorteil: Gerade für Menschen mit leichten Einschränkungen bieten solche digitalen Lösungen neue Selbstständigkeit – ohne bürokratischen Aufwand.

Pflegeunterstützungsgeld: Sicherheit für Angehörige

Pflegende Angehörige profitieren bei einem akuten Pflegefall vom Pflegeunterstützungsgeld.
Es ersetzt den Einkommensausfall, wenn jemand kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss.
Dieser Anspruch gilt ab dem ersten Tag, auch bei Pflegegrad 1.

Das bedeutet: Wer wegen plötzlicher Einschränkungen Pflege koordinieren muss (z. B. nach Unfall oder Krankenhausaufenthalt), erhält finanziellen Ausgleich und kann bis zu zehn Tage Pflegezeit in Anspruch nehmen.

Warum Pflegegrad 1 ab 2026 in der Diskussion steht

Die politische Debatte über die Zukunft des Pflegegrad 1 sorgt 2025 für Schlagzeilen.
Angesichts einer Finanzlücke von rund 2 Milliarden Euro erwägt die Bundesregierung, Pflegegrad 1 teilweise zu streichen oder in ein neues Präventionsmodell zu überführen.

Rund 863.000 Menschen wären betroffen.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnt vor einer „sozialen Ausgrenzung der Leichtpflegenden“, da sie dann viele Unterstützungen – etwa Haushaltshilfen oder Entlastungsangebote – verlieren würden.

Bis Ende 2025 laufen Beratungen über Alternativen, etwa steuerfinanzierte Präventionsleistungen. Ein Beschluss wird Anfang 2026 erwartet.

Vorteile von Pflegegrad 1 – kompakt zusammengefasst

Trotz der Debatte bleibt Pflegegrad 1 derzeit attraktiv, da er zahlreiche Zusatzleistungen ohne Eigenanteil bietet.

LeistungBetrag / Anspruch 2026Besondere Vorteile
PflegegeldKein Anspruch
Entlastungsbetrag131 € pro Monatfreie Verwendung auch für körpernahe Pflege
Pflegehilfsmittelbis 40 € pro Monatkeine Antragskosten
Wohnraumanpassungbis 4.000 € einmaligbarrierefreier Umbau gefördert
Wohngruppenzuschuss224 € pro Monatgemeinschaftliches Wohnen
Digitale Pflegeanwendungen (DiPA)bis 53 € pro MonatFörderung digitaler Selbstständigkeit
Pflegeberatung (§ 7a SGB XI)kostenlosauch telefonisch oder online
Pflegekurse / Schulungenkostenlosfür Angehörige und Freunde
PflegeunterstützungsgeldEntgeltersatz für 10 TageSchutz bei akutem Pflegefall

Was Angehörige jetzt tun sollten

  1. Antrag frühzeitig stellen: Der Pflegegrad wird erst ab Antragstellung wirksam, nicht rückwirkend.
  2. Entlastungsbetrag ausschöpfen: Unverbrauchte Beträge können sechs Monate ins Folgejahr übertragen werden, danach verfallen sie.
  3. Pflegeberatung anfordern: So lassen sich Leistungen individuell kombinieren – oft ohne Mehrkosten.
  4. Pflegehilfsmittel beantragen: Das Formular gibt es direkt bei der Pflegekasse oder online über Sanitätshäuser.
  5. Digitale Anwendungen testen: Viele Krankenkassen bezuschussen Pilotprojekte und Apps bereits 2025.

Je besser die Leistungen koordiniert werden, desto höher der praktische Nutzen – auch ohne klassisches Pflegegeld.

Fazit: Kleine Punktzahl, große Wirkung – Pflegegrad 1 lohnt sich

Pflegegrad 1 ist mehr als nur eine „leichte Pflegestufe“.
Er ist die Schaltstelle für frühe Unterstützung, bevor Pflegebedürftigkeit den Alltag bestimmt.
Wer alle angebotenen Leistungen nutzt – von Hilfsmitteln über Entlastungsbetrag bis zur Wohnraumanpassung – kann bis zu über 2.000 Euro jährlich sparen und zugleich die eigene Selbstständigkeit sichern.

Die mögliche Streichung des Pflegegrads bleibt politisch umstritten.
Doch bis dahin gilt: Pflegegrad 1 ist eine wichtige Präventionshilfe, die vielen älteren Menschen ermöglicht, lange selbstbestimmt zuhause zu leben.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

    Alle Beiträge ansehen Ingo Kosick
  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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