Gesetzliche Neuregelung: Was heißt die 1,5-fache Deckelung?
Mit der Reform ersetzt die „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ das Bürgergeld. Ab 2026 übernehmen Jobcenter die Miete im ersten Jahr des Leistungsbezugs nur noch bis maximal zum Anderthalbfachen der als angemessen festgelegten Mietobergrenze der jeweilig zuständigen Kommune (KdU-Deckel). Geregelt ist dies dann in den neuen § 22 Abs. 1 S. 5 SGB II, § 35 Abs. 3 S. 2 SGB XII. Wer höhere Mieten zahlt, erhält zwar während der Karenzzeit weiterhin Unterstützung, jedoch begrenzt auf diesen Wert. Die Differenz muss selbst aus dem Regelbedarf oder Rücklagen getragen werden.
Beispiel:
In einer Kommune mit einer Mietobergrenze von 500 € monatlich umfasst die neue Grenze 750 €. Liegt die tatsächliche Bruttomiete höher, zahlt das Jobcenter nur bis 750 €, den Rest muss die Person selbst übernehmen.
Die Rolle der Karenzzeit
Bisher zahlten die Jobcenter während einer zwölfmonatigen „Karenzzeit“ jede tatsächliche Miete, unabhängig von ihrer Höhe. Die Begründung: Wohnsitz-Sicherheit und Konzentration auf Jobsuche. Ab 2026 wird die Karenzzeit zwar formal beibehalten, aber die 1,5-fache Grenze greift von Anfang an: Die vollständige Übernahme teurer Mieten entfällt.
Neue Prüfpflichten: Quadratmeterhöchstgrenzen und Mietpreisbremse
Zusätzlich zur Deckelung wird künftig eine Quadratmeterhöchstmiete angesetzt, um spekulativen Missbrauch und überteuerte Mini-Apartments zu verhindern. Kommunen und Jobcenter können selbst konkrete Quadratmeterpreise festlegen, die nicht überschritten werden dürfen.
Zudem werden Leistungsbeziehende verpflichtet, bei Verdacht auf zu hohe Mieten die sogenannte Mietpreisbremse (§ 556d BGB) gegen den Vermieter zu rügen. Nur wenn ein solcher Schritt ohne Erfolg bleibt, übernimmt das Jobcenter vorläufig weiterhin die tatsächliche Miete – aber maximal in Deckelhöhe.
Härtefallregelung und Ausnahmen
In Ausnahmefällen dürfen Jobcenter auch innerhalb der Karenzzeit die tatsächlichen Kosten übernehmen, etwa bei akuter Obdachlosigkeit oder wenn ein Umzug nachweislich unmöglich ist. Solche Fälle unterliegen jedoch strengen Einzelfallprüfungen, und betroffene Haushalte müssen diese Notlage nachweisen.
Auswirkungen für Betroffene
- Wer bereits bei Antragsstellung in einer zu teuren Wohnung lebt, steht sofort unter finanziellen Druck und riskiert eine Wohnkostenlücke.
- Betroffene müssen mit Aufforderungen zu Kostensenkung, Umzug oder Untervermietung rechnen.
- Besonders in Ballungsräumen mit ohnehin teuren Mieten steigt das Risiko, aus der Wohnung verdrängt zu werden – dies trifft Familien, kranke und ältere Menschen besonders hart.
Praxisbeispiel:
Eine Einzelperson in Hannover darf 2026 etwa 499 € Bruttokaltmiete (lokaler Wert) als „angemessen“ ansetzen. Mit dem neuen System liegt die gedeckelte Grenze dann bei maximal ca. 749 € monatlich. Für München oder Frankfurt liegen die Werte höher, die Mietlücken im Extremfall aber auch.
Kritik: Gefahr für den Sozialstaat und steigende Obdachlosigkeit
- Sozialverbände und Initiativen warnen, dass die Reform zu mehr Wohnungsnot und sozialem Druck führt.
- Kritisch gesehen wird, dass ein einmaliger kurzfristiger Schutz (Karenz) verpufft, wenn die Kosten von Beginn an gedeckelt sind und Umzüge wegen mangelndem Angebot kaum möglich sind.
- Die Verwaltungskosten der zusätzlichen Prüfpflichten (z.B. Mietpreisbremse, Quadratmeterhöchstgrenze) können die eingesparten Ausgaben weitgehend aufzehren.
Was können Betroffene tun?
- Vor Abschluss eines Mietvertrags: Mietobergrenze der Kommune prüfen und ggf. Bescheinigung/Bestätigung vom Jobcenter einholen.
- Im Leistungsfall: Mieterberatung oder Anwalt konsultieren, falls das Amt eine Kürzung ansetzt.
- Härtefallantrag stellen, wenn Umzug oder Kostensenkung unzumutbar ist.
Tabellarischer Vergleich: Bürgergeld vs. neue Grundsicherung 2026
| Kriterium | Bürgergeld bis 2025 | Grundsicherung 2026 |
|---|---|---|
| Karenzzeit | erste 12 Monate alle Kosten | gedeckelt auf 1,5-fache Obergrenze |
| Individuelle Prüfung | Einzelfallprüfung | Pauschale, weniger individuell |
| Quadratmeterhöchstmiete | selten geprüft | wird verpflichtend eingeführt |
| Pflicht zur Mietpreisbremse | keine aktive Rüge erforderlich | Rüge zwingend erforderlich |
| Härtefallregel | umfangreicher, großzügiger | enger gefasst, hohe Nachweispflichten |
Fazit zum Mietpreisdeckel bei der neuen Grundsicherung 2026
Die 1,5-fache Deckelung der Unterkunftskosten in der neuen Grundsicherung 2026 markiert einen Paradigmenwechsel im Sozialrecht: Jobcenter übernehmen Wohnkosten nicht mehr unbegrenzt, sondern setzen von Beginn an feste Obergrenzen. Wer höhere Mieten zahlen muss, ist ab dem ersten Tag im Leistungsbezug darauf angewiesen, dass die Differenz anderweitig getragen wird oder muss – oft gegen den Willen – einen Wohnungswechsel organisieren. Die Reform erhöht Druck, Bürokratie und Wohnungsunsicherheit – besonders in Problemregionen mit wenig bezahlbarem Wohnraum.
Betroffene sollten sich aktiv informieren, rechtzeitig Unterstützung suchen und, falls nötig, rechtliche Schritte prüfen, falls Jobcenter die volle Miete nicht mehr übernehmenn.


