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EM-Rente bewilligt: Muss jetzt der Job weg?

Monatelang nicht arbeiten können, voller EM-Rentenbescheid im Briefkasten – was passiert jetzt mit dem Job? Plötzlich stehen Zukunft und Sicherheit auf dem Spiel.

Monatelang krank, Kräfte am Ende – und dann liegt der Bescheid über die volle Erwerbsminderungsrente im Briefkasten. Für viele Betroffene beginnt jetzt eine schlaflose Phase: Bedeutet die Rente automatisch das Aus im Job? Darf der Arbeitgeber kündigen – oder muss sogar gekündigt werden, um „auf der sicheren Seite“ zu sein? Zwischen Angst vor Jobverlust, Druck des Arbeitgebers und Unsicherheit über Rechte verschwimmen die Grenzen. Alle wichtigen Informationen dazu, wie es mit dem Arbeitsverhältnis bei voller EM-Rente weitergeht, finden sich hier auf „Bürger & Geld“, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V..

Was die EM-Rente rechtlich bedeutet

Die volle Erwerbsminderungsrente setzt voraus, dass Versicherte auf nicht absehbare Zeit weniger als drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können.​

Sie ersetzt keine arbeitsrechtliche Bewertung des konkreten Arbeitsplatzes, sondern beschreibt die Leistungsfähigkeit insgesamt.​

Endet das Arbeitsverhältnis automatisch mit der EM-Rente?

Weder der Rentenbescheid noch das Erreichen einer Altersgrenze beenden automatisch das Arbeitsverhältnis.​

Für eine Beendigung braucht es grundsätzlich eine Kündigung, einen Aufhebungsvertrag oder eine wirksam vereinbarte auflösende Bedingung im Arbeits- oder Tarifvertrag.​

Auflösende Bedingung: Wenn der Vertrag das Ende vorsieht

Viele Arbeits- oder Tarifverträge enthalten Klauseln, nach denen das Arbeitsverhältnis bei dauerhafter voller Erwerbsminderung automatisch endet.​

Das Bundesarbeitsgericht hat solche Regelungen als zulässige auflösende Bedingung anerkannt, wenn eine dauerhafte volle Erwerbsminderung festgestellt wird.​

In einem Fall nach den AVR Caritas bestätigten Gerichte, dass das Arbeitsverhältnis mit Zustellung des Bescheids über unbefristete volle EM-Rente endete, weil die Klausel dies so vorsah. Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine tarifliche Bedingung wirksam greifen kann, wenn eine „dauerhafte“ volle Erwerbsminderung vorliegt, wie arbeitsrechtsiegen.de berichtete.​

Befristete vs. unbefristete volle EM-Rente

Bei einer unbefristeten vollen Erwerbsminderungsrente kann eine vertragliche auflösende Bedingung zum Ende des Arbeitsverhältnisses führen.​

Wird die volle EM-Rente nur befristet bewilligt, ruht das Arbeitsverhältnis in der Regel, statt zu enden.​

Der Ruhenszustand bedeutet: Das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen, die Arbeitspflicht entfällt, eine Rückkehr ist bei Wegfall der Erwerbsminderung möglich.​

Kündigung bei voller Erwerbsminderung: Darf der Arbeitgeber?

Liegt eine dauerhafte volle Erwerbsminderung vor, kann eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig sein, wenn dauerhaft nicht mehr mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist.​

In der Praxis stützen Gerichte solche Kündigungen, wenn die EM-Rente den dauerhaften Wegfall der Leistungsfähigkeit bestätigt und keine leidensgerechte Umsetzung möglich ist.​

Befristete volle EM-Rente: Wann eine Kündigung unzulässig ist

Bei befristeter voller Erwerbsminderungsrente ist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erwerbsminderung regelmäßig nicht erlaubt.​

Hier ruht das Arbeitsverhältnis, bis klar ist, ob die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt oder die Rente verlängert wird.​

Teilweise Erwerbsminderung: Anpassung statt Jobverlust

Bei teilweiser Erwerbsminderungsrente darf der Arbeitgeber nicht einfach wegen Erwerbsminderung kündigen.​

Stattdessen ist eine zum Restleistungsvermögen passende, angepasste Tätigkeit zu prüfen, bevor überhaupt an eine Kündigung gedacht werden darf.​

Schwerbehinderung und besonderer Kündigungsschutz

Besteht zusätzlich eine anerkannte Schwerbehinderung oder Gleichstellung, braucht der Arbeitgeber vor einer Kündigung regelmäßig die Zustimmung des Integrationsamts.​

Ohne diese Zustimmung ist eine Kündigung in der Regel unwirksam, selbst wenn eine volle Erwerbsminderungsrente bewilligt wurde.​

EM-Rente und freiwillige Beendigung durch Aufhebungsvertrag

Arbeitgeber bieten Betroffenen mit EM-Rente häufig Aufhebungsverträge an, um „klar Schiff“ zu machen.​

Betroffene sollten solche Verträge nur nach unabhängiger Beratung unterschreiben, da sonst Nachteile beim Arbeitslosengeld, in der betrieblichen Versorgung oder bei Abfindungen drohen können.haufe+1

Rückkehr in den Job trotz EM-Rente: Neue Chancen seit 2024

Seit 2024 können Beziehende einer Erwerbsminderungsrente eine Erwerbstätigkeit probeweise aufnehmen oder ausweiten, ohne dass der Rentenanspruch in einem sechsmonatigen Erprobungszeitraum entfällt.​

Die Deutsche Rentenversicherung betont, dass dadurch die Chancen auf einen erfolgreichen Wiedereinstieg verbessert werden, weil ein Scheitern nicht automatisch zur Rentenrückforderung führt, wie die DRV mitteilte.​

Arbeiten mit EM-Rente: Hinzuverdienst und Grenzen

Trotz voller EM-Rente ist ein begrenzter Hinzuverdienst möglich, solange Arbeitszeit und Verdienstgrenzen eingehalten werden.​

Die jährliche Hinzuverdienstgrenze bei voller Erwerbsminderung liegt deutlich niedriger als bei teilweiser EM-Rente; sie wird von der Deutschen Rentenversicherung regelmäßig angepasst.​

Tabelle: Wie geht es mit dem Arbeitsverhältnis weiter?

SituationArbeitsverhältnis arbeitsrechtlichTypische Folge
Unbefristete volle EM-Rente, auflösende Bedingung im VertragEndet automatisch nach vertraglicher Regelung. ​Ausscheiden mit Beginn der Rente, keine Kündigung nötig. ​
Unbefristete volle EM-Rente ohne solche KlauselBeendigung nur durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag. ​Arbeitgeber kann krankheitsbedingte Kündigung prüfen.​
Befristete volle EM-RenteArbeitsverhältnis ruht, endet nicht automatisch.​Rückkehr möglich, wenn Erwerbsfähigkeit wieder steigt.​
Teilweise ErwerbsminderungKündigung wegen EM grundsätzlich ausgeschlossen. ​Arbeitgeber muss angepassten Arbeitsplatz prüfen. ​
EM-Rente und SchwerbehinderungKündigung nur mit Zustimmung Integrationsamt.​Zusätzlicher Kündigungsschutz greift.​

Praktische Schritte für Betroffene mit EM-Rentenbescheid

Zuerst sollte der Arbeits- oder Tarifvertrag geprüft werden, ob eine auflösende Bedingung bei voller Erwerbsminderung vereinbart ist.​

Anschließend empfiehlt sich eine individuelle Beratung bei Sozialverband, Fachanwalt für Arbeitsrecht oder Rentenberatungsstelle, bevor mit dem Arbeitgeber über Kündigung oder Aufhebung gesprochen wird.​

EM-Rente, Arbeitslosengeld und Bürgergeld: Wechselwirkungen im Blick behalten

Endet das Arbeitsverhältnis, können – je nach Versicherungsbiografie – Ansprüche auf Arbeitslosengeld, ergänzendes Bürgergeld oder andere Leistungen bestehen.​

Wer EM-Rente nur als Teilabsicherung erhält, sollte genau klären, ob ein Restanspruch auf Lohn oder Lohnersatzleistungen bleibt und wie das Jobcenter Zahlungen anrechnet.​

Häufige Fehler – und wie sie sich vermeiden lassen

Ein verbreiteter Fehler besteht darin, vorschnell auf Drängen des Arbeitgebers zu kündigen, obwohl das Arbeitsverhältnis auch ruhen könnte.​

Ebenso riskant ist es, eine Änderungskündigung oder einen Aufhebungsvertrag ungeprüft zu akzeptieren, ohne die langfristigen Folgen für Rentenansprüche und soziale Sicherung zu kennen.​

FAQ zur Kündigung bei Erwerbsminderungsrente

Endet der Job automatisch, wenn volle EM-Rente bewilligt wird?

Nein, es sei denn, der Arbeits- oder Tarifvertrag enthält eine wirksame auflösende Bedingung bei dauerhafter voller Erwerbsminderung.

Muss der Arbeitgeber über den Rentenbescheid informiert werden?

In auflösend bedingten Verträgen besteht üblicherweise eine Pflicht, den Arbeitgeber über die Bewilligung der Rente zu informieren, damit er den Bedingungseintritt mitteilen kann.

Darf der Arbeitgeber immer kündigen, wenn volle EM-Rente vorliegt?

Nur, wenn die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung erfüllt sind und kein milderes Mittel wie Umsetzung auf einen anderen Platz zur Verfügung steht.

Was passiert bei befristeter voller EM-Rente mit dem Arbeitsverhältnis?

In der Regel ruht das Arbeitsverhältnis, die Arbeitspflicht entfällt vorübergehend, ein automatisches Ende tritt ohne weitere Vereinbarung nicht ein.

Wie wirkt sich eine Schwerbehinderung auf die Kündigung aus?

Bei Schwerbehinderten ist für eine Beendigung meist die Zustimmung des Integrationsamts erforderlich, andernfalls ist die Kündigung unwirksam.

Kann trotz voller EM-Rente noch gearbeitet werden?

Ja, innerhalb der Grenzen von Leistungsfähigkeit und Hinzuverdienst; seit 2024 erleichtern zeitlich begrenzte Erprobungsphasen die Rückkehr in den Job.

Fazit: Job, Rente, Zukunft – nichts überstürzen

Die Bewilligung einer vollen Erwerbsminderungsrente beendet ein Arbeitsverhältnis nicht automatisch, sondern öffnet ein rechtlich komplexes Spannungsfeld zwischen Schutz des Arbeitnehmers und Interessen des Arbeitgebers.​

Wer jetzt seine Rechte kennt, Verträge prüft und unabhängige Beratung nutzt, kann Fehlentscheidungen vermeiden und den Übergang in Rente, Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder eine spätere Rückkehr in den Job bewusst gestalten.​

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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