Was ist die neue Grundsicherung?
Die schwarz-rote Koalition will das Bürgergeld ab 2026 in eine „Neue Grundsicherung für Arbeitsuchende“ überführen, ohne das System vollständig neu zu erfinden. Kernpunkte sind schärfere Sanktionen, mehr Druck zur Arbeitsaufnahme und eine stärkere Priorität der schnellen Vermittlung in Arbeit.
Der Regelsatz bleibt zunächst auf Bürgergeld-Niveau, während bei Vermögen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen deutlich nachgesteuert wird. Politisch wird die Reform als Signal verstanden, dass „Fordern“ wieder stärker in den Vordergrund rückt, nachdem das Bürgergeld stärker auf Absicherung und Kooperation setzte.
Was die BA grundsätzlich begrüßt
In ihrer offiziellen Stellungnahme betont die Bundesagentur für Arbeit, dass sie das Ziel einer Erneuerung der Grundsicherung und die Anpassung an den Arbeitsmarkt ausdrücklich befürwortet. Positiv bewertet sie, dass viele Vorschläge aus der Praxis – etwa zur stärkeren Verbindlichkeit bei Pflichten – aufgegriffen werden.
Auch die stärkere Fokussierung auf Arbeitsvermittlung und Qualifizierung passt zum Selbstverständnis der BA als Arbeitsmarktbehörde. Gleichzeitig sieht sie in verbindlicheren Regeln für Mitwirkung und Sanktionen die Chance, klare Rahmenbedingungen für Jobcenter und Leistungsberechtigte zu schaffen.
Zentrale Kritikpunkte der Bundesagentur
Die BA spricht natürlich nicht wörtlich von einem “Chaos-Start” der neuen Grundsicherung. Diesen Ausdruck hat unsere Redaktion gewählt, um die Kritik der Arbeitsagentur auf einen Punkt zu bringen.
Die BA kritisiert, dass der Gesetzentwurf die Behörde finanziell und organisatorisch einseitig belastet, ohne die dafür nötigen Ressourcen ausreichend mitzudenken. Zusätzliche Prüfpflichten, härtere Sanktionen und eine veränderte Rechtslage erzeugen in den Jobcentern mehr Aufwand, etwa durch neue Beratungspflichten, Widersprüche und Klagen.
Die Behörde warnt zudem davor, dass sich ohne zusätzliche Mittel die ohnehin angespannte Personalsituation in vielen Jobcentern weiter zuspitzt. Aus Sicht der BA besteht die Gefahr, dass Frontmitarbeiter die Reform unter großem Zeitdruck umsetzen müssen und dadurch Fehler, Überlastung und Frust zunehmen.
Problem Starttermin: Warum die BA bremst
Besonders kritisch sieht die Arbeitsagentur den politisch gewünschten frühen Starttermin der neuen Grundsicherung. In ihrer Stellungnahme macht sie deutlich, dass der Zeitplan extrem eng ist und kaum Raum für die notwendigen IT-Umstellungen, Tests und Schulungen lässt.
Konkret geht es um das Fachverfahren „Allegro“, das für die Leistungsberechnung genutzt wird und in mehreren Update-Schleifen an die neue Rechtslage angepasst werden muss. Bleibt dafür zu wenig Zeit, drohen nach Einschätzung der BA fehlerhafte Bescheide, manuelle Korrekturen und im schlimmsten Fall komplette manuelle Neuberechnungen von Ansprüchen – ein massiver Mehraufwand in den Jobcentern.
Schärfere Sanktionen – organisatorisches Risiko
Mit der neuen Grundsicherung sollen Sanktionen früher und härter greifen: Schon nach einmaligem Meldeversäumniss oder Ablehnung zumutbarer Arbeit können Kürzungen von jeweils 30 Prozent des Regelbedarfs verhängt werden. Zugleich bleibt der verfassungsrechtliche Rahmen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Leistungsminderungen bestehen, der Totalsanktionen (3 mal plus 1) enge Grenzen setzt.
Für die BA bedeutet dies einen Spagat: Einerseits soll sie Sanktionen schneller und konsequenter umsetzen, andererseits muss jeder Einzelfall rechtssicher dokumentiert und begründet werden. Die Behörde weist darauf hin, dass strengere Sanktionen die Prüf- und Begründungstiefe erhöhen und damit den Verwaltungsaufwand in den Jobcentern nochmals steigern.
Mehr Bürokratie statt Entlastung?
Parallel kritisieren Kommunen und Landkreise, dass die neue Grundsicherung mit zusätzlichen Pflichten, Kooperationsplänen und engeren Fristen eher mehr als weniger Bürokratie schafft. Auch im wissenschaftlichen Umfeld wird darauf hingewiesen, dass die letzten Reformen bereits mehrfach die Richtung gewechselt haben und Beschäftigte in Jobcentern unter „ständigen Kurskorrekturen“ leiden.
Die BA knüpft daran an und warnt vor einem weiteren Reformschub ohne ausreichende Entlastung bei Parallelaufgaben und Dokumentationspflichten. Bleiben Personal- und IT-Fragen ungelöst, könnten aus Sicht der Behörde nicht nur Fehler zunehmen, sondern auch das Vertrauensverhältnis zu Leistungsberechtigten weiter leiden.
Konsequenzen für Leistungsbezieher
Für Leistungsberechtigte selbst kritisiert die BA weniger den Inhalt der Regelsätze, sondern vor allem die Risiken eines überhasteten Systemwechsels. Kommt es zu Softwareproblemen oder Überlastung der Jobcenter, drohen verspätete Bewilligungen, fehlerhafte Bescheide und ein höherer Klärungsbedarf – gerade für ohnehin finanziell fragile Haushalte eine große Gefahr.
Gleichzeitig müssen sich Betroffene auf strengere Sanktionen, mehr Nachweispflichten und eine noch stärkere Fokussierung auf schnelle Vermittlung einstellen. Sozialverbände warnen bereits, dass die neue Grundsicherung so eher zusätzliche Härten schafft, während die BA zumindest indirekt aufzeigt, dass die Verwaltungskapazitäten für diesen Kurswechsel nur begrenzt vorhanden sind.
Tabelle: Was die BA an der neuen Grundsicherung kritisiert
| Punkt | Geplante neue Grundsicherung | Kritik der Bundesagentur für Arbeit |
|---|---|---|
| Starttermin | Früher Start, politisch eng gesetzter Zeitplan. | Zeit zu knapp für IT, Tests und Schulungen. |
| IT-System „Allegro“ | Mehrere Updates für neue Regeln notwendig. | Risiko fehlerhafter Bescheide und manueller Neuberechnung. |
| Ressourcen & Kosten | Zusätzliche Prüf- und Sanktionsaufgaben. | Einseitige finanzielle und personelle Mehrbelastung. |
| Sanktionen | Schneller und härter, bis hin zum Totalentzug möglich. | Mehr Prüfaufwand, Rechtsrisiken, mehr Streitfälle. |
| Bürokratie im Jobcenter | Strengere Pflichten, verbindlichere Kooperation. | Gefahr zusätzlicher Bürokratie statt Entlastung. |
| Stabilität des Systems | Erneuter Kurswechsel nach Bürgergeld-Reform. | Reformdichte überfordert Strukturen und Personal. |


