Arbeitslosengeld und Urlaub im Ausland: no go!

Arbeitslosengeld wird auf Antrag nur bewilligt, wenn man dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Ein Urlaub ist während der Bezugszeit nicht möglich, schon gar nicht ein langer Auslandsaufenthalt. Lesen Sie hier ein interessantes Urteil des Landessozialgerichts Berlin!

Wer Urlaub im Ausland macht, hat während dieser Zeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Wer arbeitslos ist und die Versicherungszeiten erfüllt, hat in aller Regel einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Bei einem Auslandsaufenthalt ist die Zahlung jedoch in Gefahr, wie jetzt das Landesgericht Berlin-Brandenburg unter dem Az. L 18 AL 5 /22 entschied. Es ging um einem fortdauernden Auslandsaufenthalt und die Pflicht, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.

Hintergrund: kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei langem Auslandsaufenthalt

Mitwirkungspflicht: der BA muss mitgeteilt werden, wenn man bei Bezug von Arbeitslosengeld in Urlaub fährt.
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Wer Arbeitslosengeld bezieht muss der Bundesagentur für Arbeit mitteilen, wenn er Urlaub macht.

Dem vom Landessozialgericht entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine Frau meldete sich nach fast 25-jähriger Beschäftigung am 3. Dezember 2019 bei Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Wirkung zum 1. Februar 2020 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Arbeitslosengeld). Weiter erklärte sie der Bundesagentur für Arbeit, dass sie sich vom 11. Februar bis 7. April 2020 im Ausland sein werde. Sie wurde von der BA auf die Pflicht zur  persönliche Arbeitslosmeldung nach Rückkehr hingewiesen.

Per Email teilte die Frau dann mit, dass sie nur bis 31. März 2020 im Ausland sein werde. Die BA erklärte ihr, dass die Abmeldung dann für diesen Zeitraum erfolgen werde und sie sich nach Rückkehr in der Eingangszone arbeitslos melden solle.

Die Bundesagentur für Arbeit  bewilligte Arbeitslosengeld ab 1. Februar 2020 bis „auf weiteres ” mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen.  . Unter „Auszahlung der Leistung” wurde für den Zeitraum vom 1. bis 10. Februar 2020 ein Zahlbetrag ausgewiesen. In der Anmerkung heißt es:

„Ihr Leistungsanspruch ändert sich durch Ereignisse in der Zukunft (z.B. Aufnahme einer Beschäftigung mit einem Umfang ab 15 Stunden wöchentlich). Ihr Leistungsanspruch wurde daher bis auf weiteres festgesetzt. Über die in der Zukunft liegende Änderung Ihres Leistungsanspruchs erhalten Sie einen gesonderten Bescheid (z.B. Aufhebungsbescheid zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme).“

 Ausweislich der Entgeltbescheinigung vom 11. Februar 2020 wurde die Zahlung von Arbeitslosengeld eingestellt.


Urlaub in Trinidad – kein Anspruch auf Arbeitslosengeld

Am 11. Februar 2020 flog die Frau nach Trinidad. Aufgrund eines Flugverbots wegen der Corona-Pandemie wurde ihr geplanter Rückflug von der Fluggesellschaft storniert. Die Frau informierte die BA und fragte, ob ihr trotzdem ab 1. April 2020 Arbeitslosengel zustünde. Die BA teilte der Frau daraufhin am 1. April 2020 mit, dass eine telefonische Arbeitslosmeldung wegen des Auslandsaufenthalts nicht möglich sei . Die BA informierte die Frau aber dahingehend, dass sie den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht verliere, sondern dieser ruhe und die Frau ihn geltend machen könne, sobald sie sich zurückmelden könne. Die Rückreise nach Deutschland war erst am 28. Juni 2020 möglich.

Am 29. Juni 2020 meldete sich die Frau erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 1. Juli 2020 nahm die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 11. Februar 2020 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Frau sei ab diesem Tag nicht mehr arbeitslos, da sie wegen einer Ortsabwesenheit, die von vornherein mindestens sechs Wochen betragen sollte, dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe. Deshalb sei die Arbeitslosmeldung unwirksam. Der Vermittlungsbereich habe ihr am 3. Januar 2020 mitgeteilt, dass sie für die Zeit des Auslandsaufenthalts abgemeldet werde, so dass sie hätte erkennen können, dass sie ab 11. Februar 2020 keinen Anspruch mehr habe.

Der Restanspruch auf Arbeitslosengeld ab 29. Juni 2020 wurde weiter bewilligt.

Aufgrund Corona keine Rückkehr aus Urlaub möglich

Frau legt Widerspruch ein und anschließend erhob sie Klage.

 Die Frau erklärte, sie sei wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie an der Rückkehr in den zeit- und ortsnahen Bereich gehindert gewesen.

Zwar habe sie wegen des mehr als sechs Wochen umfassenden Auslandsaufenthalts nicht zur Verfügung gestanden. Dies sei wegen des Instituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs indes unschädlich. Die Bundesagentur für Arbeit habe es unterlassen, sie über die maximal unschädliche Abwesenheit zu informieren, so dass sie ihren Urlaub von vornherein kürzer geplant hätte. Die fehlende Erreichbarkeit könne somit im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden.


Vertrauen: BA erklärt, das Arbeitslosengeld während Urlaubs möglich ist?

Im Übrigen sei ihr Vertrauen schutzwürdig. Die BA habe durch ein Nichteingehen auf die mitgeteilten Ortsabwesenheitszeiten ihr Vertrauen in den zuerkannten Anspruch auch während ihres Urlaubs gestärkt. Trotz Kenntnis der BA von der Urlaubslänge habe sie Leistungen ab 1. Februar 2020 gewährt. Dies habe die Frau so verstehen müssen, dass ihr trotz des Urlaubs Leistungen zugestanden hätten.

Arbeitslosengeld nur, wenn Aufenthalt im orts- und zeitnahen Bereich der BA

Das Landessozialgericht wies die Klage zurück – wie schon das Sozialgericht.


Information ist kein Verwaltungsakt, kein ALG-Bescheid

Es begründete die Klageabweisung wie folgt: Der Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 11. Februar 2020 zurückgenommen hat, ist rechtswidrig; er verletzt die Frau aber nicht in ihren subjektiven Rechten. Dieser Bescheid vom 10. Februar 2020 enthalte keine Regelung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum ab 11. Februar 2020, sondern lediglich für den Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis 10. Februar 2020. Wie sich aus den Ausführungen dieses Bescheids unter der Überschrift „Auszahlung der Leistung“ ergäbe, enthalte der Bescheid lediglich für die ersten zehn Tage des Monats Februar 2020 eine Festsetzung eines Leistungsbetrages.

 Soweit der Bescheid weiterhin die Formulierung enthält, dass Arbeitslosengeld ab 1. Februar 2020 bis „auf weiteres 1)“ bewilligt werde, lasse dies unter der gebotenen Berücksichtigung der in Bezug genommenen Anmerkung sowie des den Beteiligten bekannten Sachverhalts keineswegs den Schluss zu, dass auch für die Zeit ab 11. Februar 2020 ein konkreter Leistungsanspruch zuerkannt werden sollte, vielmehr sollte – wie die Auslegung nach dem objektivem Empfängerhorizont ergibt – eine Entscheidung insoweit zurückgestellt werden.

Es sei von der BA ersichtlich auf die unmittelbar bevorstehende Ortsabwesenheit der Frau und eine Arbeitslosmeldung nach Rückkehr, auf deren Erforderlichkeit für einen erneuten Bezug von Arbeitslosengeld hingewiesen worden. Außerdem sei die Frau  darauf hingewiesen, dass sie über die in der Zukunft liegende Änderung ihres Leistungsanspruchs einen gesonderten Bescheid erhalten würde.

 Nach alledem ging die verfügte Rücknahme der Leistungsbewilligung ab 11. Februar 2020 mangels Vorliegens eines diesbezüglichen Verwaltungsaktes „ins Leere“. Mit der Rücknahme eines nicht existenten Verwaltungsaktes werde nicht in eine geschützte Rechtsposition des Adressaten eingegriffen.

Durch die bloße Beseitigung des Rechtsscheins des Bescheids ergebe sich kein Wiederaufleben eines ursprünglich zuerkannten Arbeitslosengeld-Anspruchs

Mitwirkungspflicht: grobe Fahrlässigkeit bei Urlaub während Arbeitslosengeldbezugs

Die Klage sei aber auch dann nicht begründet, wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen und mit der Frau davon ausgegangen werden würde, dass mit dem Bewilligungsbescheid vom 10. Februar 2020 der Frau ein Leistungsanspruch für die Zeit ab 1. April 2020 zuerkannt worden war.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung dieser Bewilligungsentscheidung sei in diesem Fall § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X iVm § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Änderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Kläger wusste bzw. nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).

Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass der Arbeitslosengeld-Bewilligung vom 10. Februar 2020 vorgelegen haben, lag spätestens am 1. April 2020 vor, denn die Frau hatte aufgrund ihres fortdauernden Auslandsaufenthalts keinen Anspruch (mehr) auf die Zahlung von Arbeitslosengeld. Sie habe bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 10. Februar 2020 gewusst, dass ein auf der Bewilligung beruhender Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen kommen würde, sobald sie sich im Ausland aufhalten würde bzw. sie habe dies nicht gewusst, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe.


Zusammenfassung zu “Kein Arbeitslosengeld bei Ortsabwesenheit im Urlaub”

Das Wichtigste des Urteils kurz zusammengefasst:

  • Anspruch auf Arbeitsosengeld besteht nur bei Ortsanwesenheit oder bewilligter Ortsabwesenheit von bis zum maximal 6 Wochen. Arbeitslose im Leistungsbezug müssen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
  • Eine längere Auslandsreise (Urlaub im Ausland) schließt den Arbeitslosengeldanspruch aus.
  • Wer trotz bewilligtem Arbeitslosengeld ins Ausland reist oder sonstwie Urlaub außerhalb des orts- und zeitnahen Bereichs der Arbeitsagentur macht, muss dies der Arbeitsagentur mitteilen.
  • Grobe Fahrlässigkeit: Jeder, der Arbeitslosengeld bezieht weiß oder muss wissen, dass der Anspruch nur besteht, wenn man dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht oder die Urlaubsabwesenheit genehmigt ist.

Quelle

Landessozialgericht Berlin Brandenburg