Bürgergeld: neue SGB II Erreichbarkeits-Verordnung (ErrV) ab dem 8. 8. 2023

Bürgergeld: neue SGB II Erreichbarkeits-Verordnung (ErrV) ab dem 1. 7. 2023
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Lang ersehnt und jetzt gekommen: das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat nun eine neue Bürgergeld  Erreichbarkeitsverordnung(ErrV)  erlassen. Sie ist ab dem 8. August 2023 gültug und regelt detailliert, wann, wie und unter welchen Voraussetzungen Bezieher von Bürgergeld für das Jobcenter erreichbar sein müssen. Erreichbarkeit ist eine Anspruchsvoraussetzung für das Bürgergeld.

Wegfall der postalischen Erreichbarkeit

Der Kerninhalt bzw. die Haupt-Neuerung der Erreichbarkeitsverordnung (ErrV) ist der Wegfall er postalischen Erreichbarkeit. Der Wegfall der postalischen Erreichbarkeit bedeutet, dass Bürgergeld Bezieher ihre Behördenpost vom Jobcenter nunmehr nicht mehr persönlich in Empfang nehmen müssen. Die Post vom Jobcenter kann den Betroffenen digital übermittelt werden. Gerade wohnungslose oder obdachlose Personen profitieren hiervon. Wohlfahrtsorganisationen oder andere Stellen, die sich um sie kümmern, können die Post vom Jobcenter in Empfang nehmen und an die Betreffenden weiterleiten.

Nach der bisherigen Rechtslage musste ein Bezieher von Bürgergeld an jedem Werktag persönlich und postalisch erreichbar sein. Ab dem 8.8. 2023 reicht es aus, wenn er werktäglich die Möglichkeit hat, die Behördenpost zur Kenntnis zu nehmen. Das heißt im Klartext, dass die postalische Erreichbarkeit gegeben ist, wenn Post vom Jobcenter von Dritten an die Leistungsbeziehenden weitergeleitet wird, etwa elektronisch per Email oder auch per Whatsapp oder ähnlich.

Ausweitung des orts- und zeitnahen Bereichs

Auch der Bereich, innerhalb dessen sich die Bezieher von Bürgergeld aufhalten dürfen, ist durch die neue Erreichbarkeitsverordnung ausgeweitet worden.

Der Aufenthalt von erwerbsfähigen Beziehern von Bürgergeld wird ausgeweitet. Bisher galt, dass sie für auswärtige Aufenthalte maximal insgesamt 2,5 Stunden für den Hin- und Rückweg aufwenden durften. Nunmehr eine einfache Wegstrecke 2,5 Stunden betragen, vgl. § 1 Abs. 2 ErrV.

Wichtige Gründe für Unerreichbarkeit ausgeweitet

Die Erreichbarkeitsverordnung hat die Regelung in § 7b Absatz 2 S. 1 SGB II erweitert und führt weitere wichtige Gründe für eine Unerreichbarkeit auf. Das sind beispielsweise die Geburt eines Kindes oder die Unterstützung bei der Pflege oder der Todesfall eines Angehörigen, vgl. § 3 S. 2 ErrV .

Keine Pflicht zur postalischen Erreichbarkeit zwischen 1.1.23 und 7.8.23

In der Zeit vom 1.1.2023 – 7.8.2023 gab es wegen des Fehlens einer Erreichbarkeitsverordnung keine Pflicht zur postalischen Erreichbarkeit im SGB II. Folglich dürfen auch nicht Leistungen wegen fehlender postalischer Erreichbarkeit nicht erbracht und auch nicht zurückgefordert werden

Die neue Bürgergeld Erreichbarkeitsverordnung (ErrV)

Erreichbarkeits-Verordnung – ErrV

§ 1 Näherer Bereich

(1) Die für die Bestimmung des näheren Bereichs im Sinne des § 7b Absatz 1 Satz 2  des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch maßgebliche Dienststelle ist die für die Eingliederung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person zuständige Dienststelle des örtlich zuständigen Jobcenters.

(2) Eine Dienststelle im Sinne des Absatzes 1 ist in einer angemessenen Zeitspanne und ohne unzumutbaren oder die Eigenleistungsfähigkeit übersteigenden Aufwand erreichbar, wenn die einfache Wegstrecke vom Aufenthaltsort zur zuständigen Dienststelle in längstens zweieinhalb Stunden bewältigt werden kann. Soweit in einer Region aufgrund örtlicher Gegebenheiten längere Wegezeiten erforderlich sind, wird eine entsprechend längere Zeitspanne im Einzelfall als angemessen anerkannt.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 2 vor, gelten ein möglicher Arbeitsort oder der Durchführungsort einer Integrationsmaßnahme als in angemessener Zeitspanne und ohne unzumutbaren oder die Eigenleistungsfähigkeit übersteigenden Aufwand erreichbar.

§ 2 Werktägliche Möglichkeit der Kenntnisnahme

(1) Mitteilungen und Aufforderungen des zuständigen Jobcenters müssen werktäglich zur Kenntnis genommen werden können.

(2) Werktage im Sinne des § 7b Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch sind die Wochentage Montag bis Samstag. Ausgenommen sind die gesetzlichen Feiertage.

(3) Bei Mitteilungen und Aufforderungen, die samstags oder vor gesetzlichen Feiertagen eingehen, ist es ausreichend, wenn sie vor Beginn des nächsten Werktags zur Kenntnisgenommen werden können.

§ 3 Weiterer wichtiger Grund

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 7b Absatz 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch liegt außer in den § 7b Absatz 2 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Fällen vor, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte den näheren Bereich verlassen, um Angehörige im Sinne von § 16 Absatz 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes oder bei Pflege zu unterstützen, oder im Todesfall eines Angehörigen. Voraussetzung für die Anerkennung eines wichtigen Grundes nach Satz 1 ist, dass die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

§ 4 Zustimmungserfordernis bei Nichterreichbarkeit aus wichtigem Grund

(1) Bei Verlassen des näheren Bereichs aus wichtigem Grund soll die Zustimmung der zuständigen Dienststelle des örtlich zuständigen Jobcenters in der Regel mindestens fünf Werktage vorher beantragt werden. Für Abwesenheiten, die sich nur auf Samstage Sonntage oder Feiertage beziehen, ist kein Antrag auf Zustimmung erforderlich, wenn die leistungsberechtigte Person sichergestellt hat, dass sie samstags eingehende Mitteilungen und Aufforderungen vor dem nächsten Werktag zur Kenntnis nehmen kann. § 5 Absatz 4 und § 6 dieser Verordnung sowie § 7b Absatz 2 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bleiben unberührt.

(2) Die Zustimmung kann nachträglich beantragt werden, wenn ein vorheriger Antrag nicht möglich war. Der nachträgliche Antrag auf Zustimmung muss unverzüglich nach Wegfall der Gründe gestellt werden, die einer vorherigen Antragstellung entgegengestanden haben.

(3) Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des wichtigen Grundes, auf den sich der oder die erwerbsfähige Leistungsberechtigte beruft, vorliegen.

§ 5 Dauer des wichtigen Grundes

(1) Die Teilnahme an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation ist ein wichtiger Grund für die Dauer der Maßnahme.

(2) Im Fall der Teilnahme an einer Veranstaltung, die

1. Zwecken kirchlicher oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften dient,

2. gewerkschaftlichen Zwecken dient oder

3. im öffentlichen Interesse liegt,

besteht ein wichtiger Grund für insgesamt bis zu drei Wochen im Kalenderjahr, wenn der Zweck der Veranstaltung und die Teilnahme nachgewiesen werden.

(3) Im Fall von Aufenthalten, die überwiegend der Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit dienen, liegt ein wichtiger Grund für die erforderliche Dauer des Aufenthaltes vor.

(4) Für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben, liegt ein wichtiger Grund für die Dauer der Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit vor. Die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit darf durch die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(5) Verlassen erwerbsfähige Leistungsberechtigte den näheren Bereich, um Angehörige bei Geburt eines Kindes oder bei Pflege zu unterstützen, oder im Todesfall eines Angehörigen, liegt ein wichtiger Grund für die Dauer des Unterstützungsbedarfs vor. Die Dauer der Abwesenheit soll zwölf Wochen im Kalenderjahr nicht überschreiten. Auf Aufforderung des Jobcenters haben die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Erforderlichkeit der Unterstützungsleistung nachzuweisen.

§ 6 Abwesenheit außerhalb des näheren Bereichs auf Grund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit

Für Abwesenheiten außerhalb des näheren Bereichs aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist keine Zustimmung erforderlich, wenn Erwerbstätige

1. aus der Erwerbstätigkeit ein Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze nach § 8 Absatz 1a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erzielen und

2. dem Jobcenter angezeigt haben, dass sie während ihrer Erwerbstätigkeit abwesend sein werden.

Die Anzeige soll vor dem Verlassen des näheren Bereichs erfolgen.

§ 7 Zustimmungserfordernis bei Nichterreichbarkeit ohne wichtigen Grund

(1) Bei Verlassen des näheren Bereichs ohne wichtigen Grund soll die Zustimmung des Jobcenters in der Regel mindestens fünf Werktage vorher beantragt werden. Die Zustimmung kann frühestens drei Monate im Voraus erteilt werden. Für Abwesenheiten, die sich nur auf Samstage, Sonntage oder Feiertage beziehen, ist kein Antrag auf Zustimmung erforderlich, wenn die leistungsberechtigte Person sichergestellt hat, dass sie samstags eingehende Mitteilungen und Aufforderungen vor Beginn des nächsten Werktags zur Kenntnis nehmen kann. § 4 Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn durch die Abwesenheit die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Die Abwesenheitsdauer von drei Wochen je Kalenderjahr soll nicht überschritten werden. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann die Zustimmung auch zu einer länger als drei Wochen dauernden Abwesenheit erteilt werden. Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die nicht arbeitslos sind, insbesondere Schülerinnen oder Schülern, oder die sich in Elternzeit befinden, gilt die Zustimmung mit der Antragstellung als erteilt.

(3) Besteht der Aufenthalt außerhalb des näheren Bereichs innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt länger als drei Wochen, berührt dies den Leistungsanspruch in den ersten drei Wochen der Abwesenheit je Kalenderjahr nicht. In den Fällen des Absatzes 2 Satz 3 gilt Satz 1 entsprechend.

(4) Erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die Bürgergeld ergänzend zu Einkommen aus einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit beziehen, kann die Zustimmung zum Verlassen des den näheren Bereichs ohne wichtigen Grund für die Dauer ihres arbeitsvertraglichen Urlaubsanspruchs erteilt werden.

§ 8 Erreichbarkeit von Personen, die Arbeitslosengeld und Bürgergeld beziehen

Hat die Agentur für Arbeit bei einer Person, die Bürgergeld bezieht und Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Teilarbeitslosengeld hat, den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs nach § 3 der Erreichbarkeits-Anordnung anerkannt, gilt diese Person auch für den Bezug von Bürgergeld als erreichbar.

§ 9 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

1 Gedanke zu „Bürgergeld: neue SGB II Erreichbarkeits-Verordnung (ErrV) ab dem 8. 8. 2023“

  1. Danke für den Beitrag!
    Meine Suche bzw. Frage ist: Werden die “Urlaubsansprüche” vom ALG1 auf den Bezug von Bürgergeld verrechnet oder zählen die 21 Tage OA neu?
    Ich beziehe noch ALG1 und ab 01.09.23 hoffentlich Bürgergeld (Antrag läuft).
    Ich habe noch ein paar Tage OA. Verfallen diese Tage? Oder wird das gerechnet?
    Mit Dank viele Grüße
    Elke

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