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Bürgergeld Urteil: Schadenersatz darf nicht auf Regelsatz angerechnet werden!

Einkommen wird grundsätzlich im Rahmen der Freibeträge auf das Bürgergeld angerechnet. So steht es im Bürgergeld Gesetz. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Eine dieser Ausnahmen ist die Zahlung von Schadenersatz. Das hat das Bundessozialgericht entschieden. Eine Entschädigung ist eine Wiedergutmachung und dient somit nicht dem Lebensunterhalt, wie der Bürgergeld Regelsatz. Einzelheiten zum Urteil hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Jobcenter wollte Entschädigung als Einkommen anrechnen

Der Entscheidung des Bundessozialgerichts unter dem Az. B 14 AS 15/20 R war ein Rechtsstreit mit dem Jobcenter vorausgegangen. Es ging um eine Entschädigung für ein sehr langes Verwaltungsverfahren. Der Schadenersatz belief sich auf 3000 Euro.

Diese Entschädigung sah das Jobcenter dann als Einkommen an. Nach Ansicht des Jobcenter war die Priveligierung des § 11a Abs. 3 SGB II nicht anwendbar. Die Entschädigung, so das Jobcenter, sei nicht ausdrücklich zu einem anderen Zweck gezahlt worden, als das Bürgergeld. Das Jobcenter verteilte den Entschädigungsanspruch auf 6 Monate zu 500 Euro, weil eine vollständigen Anrechnung der einmaligen Einnahme im Monat des Zuflusses den Wegfall des Bürgergeld Anspruchs bedeutet hätte, vgl. § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II. Anschließend hob das Jobcenter den Bewilligungsbescheid auf und forderte eine hohe Summe von angeblich zu viel gezahltem Bürgergeld zurück.

Nachdem das Sozialgericht dem Kläger recht gegeben hatte und den Bescheid des Jobcenters aufgehoben hatte, urteilte das Landessozialgericht zugunsten des Jobcenters. Das Bundessozialgericht hatte zu entscheiden.

Schadenersatz stellt kein anrechenbares Einkommen beim Bürgergeld dar

Das Bundessozialgericht stellte in seinem Urteil klar, dass dass Jobcenter den ursprünglichen Bewilligungsbescheid nicht hätte aufheben und die Schadenersatzzahlung nicht als Einkommen hätte berücksichtigen dürfen.

Das Bundessozialgericht stellt zunächst fest, dass die Klägerin eine leistungsberechtigte Person hinsichtlich des (nunmehr) Bürgergeldes war. Die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Bürgergeld hätten immer vorgelegen. Der gezahlte Schadenersatz sei unabhängig von seiner Aufteilung auf die Klägerin gemäß § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II bei der Klägerin in voller Höhe anrechnungsfrei.

Schadenersatz als Ausgleich eines immateriellen Nachteils

Das Bundessozialgericht stellte fest, dass die Entschädigung als „Ausgleich eines immateriellen Nachteils“ gezahlt worden sei, aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift. Dies sei wesentlich für die Vorliegende Entscheidung. Deshalb sei §11a Absatz 3 Satz 1 SGB II anwendbar, der folgendes besagt:

„Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.“

Schadenersatz aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift liegen vor, wenn es sich um eine Vorschrift handelt, die einen Träger öffentlich-rechtlichen Verwaltung zur Leistung ermächtigen oder verpflichtet.

Im zu entscheidenden Fall war es der Entschädigungsanspruch.

Der ausdrücklich genannten Zweck der Vorschrift sei die Wiedergutmachung immaterieller Nachteile durch die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens so das Gericht.

Das ist ein Zweck, der ausdrücklich über die Sicherung des Lebensunterhaltes hinausgeht und somit auch nicht den selben Zweck wie ihn insbesondere der Regelsatz der Bürgergeld Leistungen hat.

Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit hat in ihren Fachlichen Weisungen zu § 11 – 11b SGB II die Anwendbarkeit der Vorschriften kommentiert. Die Fachlichen Weisungen beziehen sich auf die Anrechnung von Einkommen und gehen auch auf Entschädigungszahlungen ein. Sie sind hier nachzulesen:

https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba015901.pdf

Zusammenfassung zu Schadenersatz und Bürgergeld

Einkommen i.S.d. Bürgergeldes sind nur Geldbeträge, die dem Lebensunterhalt dienen. Geldzahlungen, die anderen Zwecken dienen, etwa Schadenersatz, dürfen deshalb nicht auf das Bürgergeld angerechnet werden, so das Bundessozialgericht.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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