Mit dem Bürgergeld wurden bereits im Juli 2023 zentrale Regeln für die Anrechnung von Erbschaften grundlegend geändert. Für Empfänger von Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es entscheidend zu wissen: Zählt ein Erbe als Einkommen, das direkt den Leistungsanspruch mindert? Oder gilt es als Vermögen, bei dem höhere Freibeträge helfen können, Sozialleistungen weiter zu beziehen? Dabei sorgt das aktuelle Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Az. L 13 AS 133/23) für Rechtssicherheit und bringt Klarheit in bisher umstrittene Fälle.
Das Grundproblem: Erbschaft als Einkommen oder Vermögen?
Bis zur Reform durch das Bürgergeld-Gesetz wurden Erbschaften als Einkommen behandelt. Das führte dazu, dass geerbtes Geld direkt im Zuflussmonat angerechnet und Sozialleistungen auf Null gesetzt wurden – oft mit schwer kalkulierbaren Folgen für Betroffene. Mit der Neuregelung und der Rechtsprechung zählt die Erbschaft jetzt grundsätzlich als Vermögen nach § 12 SGB II. Das heißt: Es gelten Vermögensfreibeträge statt Einkommensgrenzen, was Bürgergeld-Empfängern deutlich mehr finanziellen Spielraum und auch rechtliche Sicherheit bietet.
Neue alte Gesetzeslage ab Juli 2023
Mit Einführung des Bürgergelds ist die Behandlung von plötzlich zugeflossenem Vermögen – etwa durch eine Erbschaft, Schenkung oder einen Lotteriegewinn – bundesweit vereinheitlicht worden:
- Erbschaft gilt als Vermögen: Der Erbfall löst keine Anrechnung als Einkommen aus. Erst wenn die Vermögensgrenzen überschritten werden, entfällt der Leistungsanspruch.
- Freibeträge: In der Karenzzeit (erstes Jahr des Bürgergeld-Bezugs) gelten erhöhte Freibeträge: 40.000 € für die erste Person, 15.000 € für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft. Nach Ablauf der Karenzzeit sinkt der Freibetrag auf 15.000 € pro Person.
- Verbrauchspflicht: Übersteigt die Erbschaft die zulässigen Freibeträge, sind Empfänger verpflichtet, das überschüssige Vermögen für den Lebensunterhalt einzusetzen und Bürgergeld wird eingestellt.
- Meldepflicht: Jede erhaltene Erbschaft muss unverzüglich beim Jobcenter angezeigt werden. Missachtung kann zu Bußgeldern oder sogar strafrechtlichen Konsequenzen führen.
Urteil LSG Niedersachsen: Praxisklarheit für Erben
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bestätigte mit seinem Urteil (Az. L 13 AS 133/23), dass mit der seit Juli 2023 geltenden Gesetzeslage Erbschaften einheitlich als Vermögen und nicht als Einkommen behandelt werden. Das Gericht entschied, dass ein Erbe nur dann Auswirkungen auf den Leistungsanspruch beim Bürgergeld hat, wenn das Vermögen die geltenden Freibeträge überschreitet. Bis zur Grenze dürfen Bürgergeld-Empfänger Erbschaften behalten, ohne dass Leistungen gekürzt werden – vorausgesetzt die Meldung beim Jobcenter erfolgt korrekt und fristgerecht.
So bestätigt das Urteil die Rechtsmeinung vieler Sozialverbände und schützt Bürgergeld-Bezieher umfassend vor plötzlichem Leistungswegfall durch kleinere bis mittlere Erbschaften.
Was bedeutet das für Bürgergeld-Empfänger konkret?
Erbschaft während der Karenzzeit:
Von der Reform profitieren vor allem Personen, die in den ersten zwölf Monaten Bürgergeld beziehen. Da der Freibetrag hier 40.000 € beträgt, bleibt selbst eine größere Erbschaft in vielen Fällen anrechnungsfrei. Erst nach Ablauf der Karenzzeit sinkt der Schutz deutlich.
Bedarfsgemeinschaften und Erbengemeinschaften:
Lebt ein Bürgergeld-Empfänger in einer Familie, erhöhen sich die Freibeträge für jede weitere Person. Bei einer vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft sind in der Karenzzeit Freibeträge bis 85.000 € möglich – entsprechend bleibt auch eine größere Erbschaft unberührt, bis diese Schwelle überschritten ist.
Erbengemeinschaften und Immobilien:
Auch für Miterben in Erbengemeinschaften gilt: Der Wert des eigenen Erbanteils wird angerechnet. Die Gerichte beurteilen, ob dieser verwertbar ist – egal ob Geld, Wertpapiere oder Immobilien. Verzögerungen etwa durch Renovierungsbedarf oder langwierige Teilung dürfen die Anrechnung nicht ausschließen, sofern prinzipiell eine Verwertung möglich ist.
Besonderheiten und Vorsichtspunkte
- Schonvermögen nutzen: Wer vor einer Erbschaft steht, sollte rechtzeitig klären, wie das Erbe bewertet wird und ob es in die Schonvermögensgrenzen passt.
- Meldepflicht beachten: Eine verspätete oder unterlassene Anzeige der Erbschaft beim Jobcenter führt zu Rückforderungen und kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
- Verwertungspflicht bei Überschreitung: Wird der Freibetrag überstiegen, muss das überschüssige Erbe zeitnah für den Lebensunterhalt verwendet werden, ehe wieder Anspruch auf Bürgergeld besteht.
Fazit: Mehr Rechtssicherheit dank Klarstellung durch Gesetz und Gericht
Das aktuelle Urteil Az. L 13 AS 133/23 und die Bürgergeld-Reform 2023 führen zu mehr Gerechtigkeit und Planbarkeit. Erbschaften gelten beim Bürgergeld-Endpfänger nun als Vermögen. Innerhalb großzügiger Freibeträge können Betroffene geerbtes Geld oder Sachwerte behalten, ohne dass das Bürgergeld gekürzt wird. Wer jedoch größere Summen erbt, muss diese zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts einsetzen, bevor weiter staatliche Unterstützung fließen kann. Wichtig bleibt, alle Fristen, Informationspflichten und Detailregelungen zu beachten, um rechtlich abgesichert zu bleiben.