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Bürgergeld / Grundsicherung: Darf Jobcenter auf Wohngeld verweisen? Dann nicht!

Das Jobcenter darf Leistungsberechtigte in bestimmten Situationen auf Wohngeld verweisen, aber nicht pauschal und auch nicht immer – insbesondere bei bestehender Hilfebedürftigkeit. In der Praxis kann die Ablehnung von Bürgergeld und ein Verweis auf Wohngeld sogar rechtswidrig sein. Wann das der Fall ist, erfahren Sie hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Wann darf das Jobcenter Bürgergeld ablehnen und auf Wohngeld verweisen?

Grundsätzlich ist Wohngeld nach dem Nachrangprinzip vorrangig gegenüber Bürgergeld (Grundsicherung für Arbeitsuchende) – sofern damit die Hilfebedürftigkeit für die gesamte Bedarfsgemeinschaft mindestens drei Monate lang beseitigt wird (§ 12a Nr. 2 SGB II). In diesem Fall muss das Jobcenter tatsächlich auf die Beantragung von Wohngeld und gegebenenfalls Kinderzuschlag hinweisen und darf Leistungen ablehnen, wenn die Behörde nachweist, dass die Bedürftigkeit durch Wohngeld beseitigt wird.

Aber: Die Entscheidung ist von Einzelfallprüfung abhängig! Pauschale Ablehnungen oder Verweise auf Wohngeld ohne konkrete Prüfung sind nicht zulässig und oft rechtswidrig. Gerade für die Fälle, in denen das Einkommen so gering ist, dass weder Wohngeld noch Bürgergeld für den gesamten Haushalt ausreicht, darf das Jobcenter Leistungen nicht einfach verweigern. Das gilt besonders, wenn einzelne Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft herausgelöst werden oder nur für Kinder Wohngeld beantragt werden soll.

Wann ist ein Verweis auf Wohngeld falsch?

  • Keine doppelte Leistung: Bürgergeld und Wohngeld können nie gleichzeitig bezogen werden. Vorrangig ist aber das Wohngeld, wenn die Hilfebedürftigkeit vollständig entfällt.
  • Einzelfall prüfen: Das Jobcenter muss im Einzelfall prüfen, ob das Wohngeld wirklich ausreicht. Ist das nicht gesichert, darf kein Verweis erfolgen.
  • Keine Schlechterstellung: Es darf nicht passieren, dass einzelne Personen einer Bedarfsgemeinschaft auf Wohngeld verwiesen werden, während andere Bürgergeld bekommen.
  • Karenzzeit beachten: Bei Wohnkosten gibt es eine zwölfmonatige Karenzzeit – auch überhöhte Mieten werden zunächst übernommen, und ein Verweis auf Wohngeld ist in dieser Zeit unzulässig.
  • Recht auf Wahl: Laut aktueller Rechtsprechung kann ein Bedürftiger die für ihn günstigere Leistungsform wählen und muss nicht erst Wohngeld beantragen (BSG-Urteil vom 23.03.2021 – B 8 SO 2/20 R).

Was tun? Expertenrat, wenn Jobcenter Bürgergeld ablehnt und auf Wohngeld verweist

Betroffene sollten pauschale Ablehnungen nie akzeptieren und auf einer individuellen Bedarfsprüfung bestehen. Das Jobcenter muss transparent darlegen, ob und warum das Wohngeld tatsächlich vorrangig sein sollte. Kommt eine Ablehnung „wegen Wohngeld“ ohne korrekte Prüfung, empfiehlt sich Widerspruch und gegebenenfalls der Gang zum Sozialgericht.

Zudem sollten Ratsuchende auf die Karenzzeit bei Mieten und auf Besonderheiten bei Haushaltszusammensetzung achten. Beratung durch Sozialverbände ist in diesen Situationen besonders wertvoll.

Zusammenfassung: Jobcenter verweist auf Wohngeld statt Bürgergeld – zulässig?

Ein pauschaler Verweis auf Wohngeld durch das Jobcenter ist nicht rechtmäßig und kann den Anspruch auf Bürgergeld oder andere Sozialleistungen gefährden. Das Jobcenter muss immer umfassend prüfen, ob Wohngeld tatsächlich ausreicht – andernfalls muss es unterstützen und darf nicht auf externe Leistungen verweisen.

Redakteur

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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