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Höhere Freibeträge: Mehr Geld durch die Neue Grundsicherung für Bürgergeld – Aufstocker – so ist der Plan

In Deutschland verändert sich die Sozialpolitik seit der Einführung des Bürgergeldes stark. Nun stehen weitere Änderungenfür Aufstockerinnen und Aufstocker beim Bürgergeld bzw. der Neuen Grundsicherung im Raum: Höhere Freibeträge bei Erwerbseinkommen sollen dafür sorgen, dass Menschen mit geringem Einkommen mehr von ihrem selbst verdienten Geld behalten dürfen. Das Ziel im Rahmen der Neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende ist klar – Arbeit soll sich lohnen, ohne dass Betroffene Angst haben müssen, durch zu hohen Anrechnungsdruck in der Grundsicherung leer auszugehen, wenn sie erwerbstätig sind. Hintergründe hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Bürgergeld und Aufstocker – der Hintergrund

Seit Januar 2023 ersetzt das Bürgergeld das frühere Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Viele Menschen beziehen jedoch nicht ausschließlich Bürgergeld, sondern ergänzend zum eigenen Einkommen. Diese Gruppe nennt man Aufstocker. Sie gehen einer Beschäftigung nach, verdienen jedoch so wenig, dass der Lohn allein nicht zum Leben reicht. Deshalb wird aufgestockt – das Jobcenter gleicht die Differenz durch Bürgergeldzahlungen aus.

Die Aufstockung betrifft besonders Branchen mit niedrigen Löhnen oder Teilzeitstellen. Für viele Betroffene entsteht schnell ein Gefühl der Ungerechtigkeit: Trotz Arbeit bleibt am Ende kaum mehr Netto übrig, weil das Einkommen bisher zu großen Teilen auf die Leistungen angerechnet wurde.

Freibeträge bzw. Zuverdienstgrenzen– was sie bisher bedeuten

Um Arbeit attraktiver zu machen, gibt es Freibeträge. Sie schützen einen Teil des Einkommens davor, auf das Bürgergeld angerechnet zu werden. Aktuell liegt der Grundfreibetrag bei 100 Euro monatlich. Zusätzlich gilt eine Staffelung:

  • Vom Einkommen zwischen 100 und 520 Euro bleiben 20 Prozent anrechnungsfrei.
  • Vom Einkommen zwischen 520 und 1.000 Euro sind es 30 Prozent.
  • Zwischen 1.000 und 1.200 Euro bleiben 10 Prozent unberücksichtigt.

Praktisch bedeutet das: Wer arbeitet, hat tatsächlich mehr in der Tasche als jemand ohne Job. Allerdings kritisieren viele, dass der Effekt zu gering ausfällt, um zu motivieren, mehr Stunden zu arbeiten oder besser bezahlte Tätigkeiten anzunehmen.

Hier der Überblick: Hinzuverdienstgrenzen Bürgergeld

Der neue Vorschlag: Deutlich höhere Freibeträge (Zuverdienst) beim Einkommen

Die Bundesregierung plant, die Freibeträge anzuheben und die Mechanismen im Rahmen der Neuen Grundsicherung anzupassen. Ziel ist es, den Zuverdienst stärker zu belohnen. Nach den aktuellen Vorschlägen könnten einkommensschwache Haushalte – vor allem Familien und Alleinerziehende – deutlich mehr von ihrem Einkommen behalten.

Im Gespräch sind unter anderem:

  • Anhebung des Grundfreibetrages von 100 auf 150 Euro monatlich.
  • Erhöhung der prozentualen Freibeträge in den weiteren Einkommensstufen.
  • Stärkere Gewichtung von Einkommen aus Ausbildung, Praktika oder Minijobs, sodass junge Menschen nicht mehr sofort ihre gesamte Unterstützung verlieren.

Für Aufstocker bedeutet das, dass sich auch kleine Zusatzjobs oder Überstunden stärker lohnen. Die geplante Reform der Grundsicherung ist ein Signal: Arbeit soll nicht bestraft werden, sondern den Weg aus der Hilfebedürftigkeit ebnen.

Die aktuell diskutierten Prozentzahlen für die neuen Einkommensfreibeträge beim Bürgergeld in der geplanten Grundsicherungsreform lauten insbesondere:

  • Bis 100 Euro Einkommen bleibt dieses vollständig anrechnungsfrei (also 0 % Anrechnung, 100% Freibetrag).
  • Für Einkommen von 101 bis 520 Euro gilt ein Freibetrag von 20 %, das heißt 80 % werden angerechnet.
  • Für Einkommen von 521 bis 2.000 Euro soll künftig ein Freibetrag von 30 % gelten – entsprechend 70 % Anrechnung (bisher endete die 30 – %-Staffelung bei 1.000 Euro, jetzt soll sie bis 2.000 Euro reichen).
  • Für Einkommen über 2.000 Euro ist erstmals ein Freibetrag von 3 5% im Gespräch, wobei dann 65 % angerechnet werden.

Tabelle: Übersicht der geplanten neuen Einkommenfreibeträge – Zuverdienstgrenzen

EinkommenFreibetragAnrechnungsprozentsatz
Bis 100 Euro100 %0 %
101–520 Euro20 %80 %
521–2.000 Euro30 %70 %
Über 2.000 Euro35 %65 %

Was ist möglicherweise neu beim Zuverdienst?

Die wesentliche Neuerung gegenüber den bisherigen Regelungen ist die Ausweitung der 30-Prozent-Freistellung auf Einkommen bis 2.000 Euro sowie die zusätzliche 35-Prozent-Regel für darüber hinausgehendes Einkommen. Diese Reform würde sicherstellen, dass Arbeit noch stärker finanziell belohnt wird, gerade für Aufstocker und Niedrigverdiener.

Hintergrund der Diskussion

Der Vorschlag stammt aus einem Gutachten des ifo-Instituts und des ZEW im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums und soll Anreize erhöhen, eigenes Einkommen zu erzielen, ohne dass das Bürgergeld zu schnell gekürzt wird.

Diese konkreten Prozentsätze sind aktuell im politischen Diskurs und könnten bald juristisch umgesetzt werden – Ziel ist eine größere finanzielle Entlastung für Erwerbstätige im Bürgergeld-Bezug.

Was Aufstocker konkret davon hätten

Nehmen wir ein Beispiel: Eine alleinerziehende Mutter verdient 900 Euro netto und erhält zusätzlich Bürgergeld. Nach der aktuellen Regelung bleiben ihr nur ca. 280 Euro aus dem Freibetrag anrechnungsfrei, der Rest mindert die Leistungen. Mit den geplanten höheren Freibeträgen könnte sie künftig vielleicht 350 bis 400 Euro behalten. Das macht eine spürbare Verbesserung im Haushaltsbudget – Geld, das für Kinderbetreuung, Lebensmittel oder Mobilität eingesetzt werden kann.

Auch Singles oder Paare im Niedriglohnbereich würden profitieren. Wichtig ist dabei: Mehr Einkommen bleibt unangetastet, wodurch der Anreiz wächst, überhaupt einen Job aufzunehmen oder zusätzliche Stunden zu arbeiten. Auf diese Weise verringern sich langfristig Abhängigkeit und Bürokratie im Sozialsystem.

Entlastung auch für die Jobcenter

Neben den direkten finanziellen Vorteilen für Betroffene haben höhere Freibeträge auch einen organisatorischen Effekt: Durch eine geringere Abhängigkeit von aufwändigen Berechnungen könnten Jobcenter entlastet werden. Je weniger Einkommen aufwendig angerechnet werden muss, desto einfacher und transparenter wird das System.

Für viele Betroffene bedeutet das nicht nur mehr Geld, sondern auch weniger Stress mit Bescheiden, Nachweisen und Rückforderungen. Gerade dieses bürokratische Hin und Her gilt bisher als eine der größten Hürden im Bürgergeld-System.

Kritikpunkte und offene Fragen

Natürlich gibt es auch Gegenstimmen. Einige Ökonomen fragen, ob höhere Freibeträge nicht die Kosten für die Sozialsysteme weiter explodieren lassen. Wenn mehr Einkommen unberührt bleibt, steigen die staatlichen Ausgaben zunächst an. Zudem fürchten Kritiker, dass der Abstand zu Menschen mit mittleren Einkommen schrumpfen könnte. Wer Vollzeit arbeitet, aber nur knapp über der Grundsicherung liegt, könnte sich benachteiligt fühlen.

Allerdings argumentiert die Politik, dass die Reform langfristig Kosten spart. Je mehr Menschen motiviert sind, in Arbeit zu gehen oder die Stundenzahl auszuweiten, desto geringer wird die Anzahl der Vollaufstocker. Das Ziel bleibt, Menschen nachhaltig aus der Bedürftigkeit herauszuführen.

Ausblick: Ein Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit

Die geplanten höheren Freibeträge sind mehr als eine technische Anpassung im Bürgergeld bzw. der Neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie setzen ein Signal: Arbeit lohnt sich in Deutschland – auch für Menschen, die wenig verdienen. Vor allem Familien mit Kindern könnten sofort von diesem Vorschlag profitieren, da sie ihr Einkommen spürbar entlastet.

Die endgültige Umsetzung hängt noch von politischen Verhandlungen, u.a. auch in der Sozialstaatskommission, ab, doch der Kurs ist deutlich: Mehr soziale Gerechtigkeit durch eine bessere Balance zwischen Eigenleistung und staatlicher Unterstützung. Für Aufstocker bedeutet das dann mehr finanzielle Sicherheit und die Chance, schneller aus der Abhängigkeit von Bürgergeld herauszukommen.

Weiterführende Informationen

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

    Alle Beiträge ansehen Ingo Kosick
  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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