Für soziales Leben e. V.

gemeinnützig & unabhängig

Stand:

Autor: Experte:

Jobbonus in der neuen Grundsicherung: Ein ganzer Lohnmonat extra – so könnte sich Arbeit endlich wirklich lohnen

Ein „Jobbonus“ in der neuen Grundsicherung, dem geplanten Nachfolger des Bürgergelds, bei dem im Monat der Arbeitsaufnahme das erzielte Einkommen nicht angerechnet wird, könnte sowohl Anreize für Erwerbsaufnahme stärken als auch Verwaltung entlasten. Das Modell wäre eine pragmatische Ergänzung zu bestehenden Freibeträgen und würde vor allem typische Einstiegssituationen wie Minijobs, Probemonate oder erste Teilzeitjobs abfedern. Vorgestellt wird das Modell u.a. von Dr. Roose auf der Internetseite der Konrad Adenauer Stiftung. Bürger & Geld, das Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben wirft einen Blick auf den Vorschlag.

Idee des Jobbonus in der neuen Grundsicherung / Bürgergeld-Nachfolger

Die Grundidee: Nimmt eine leistungsberechtigte Person eine Arbeit auf, bleibt das Einkommen aus dem ersten Beschäftigungsmonat bei der Grundsicherungsberechnung vollständig außen vor. Dadurch würde im Monat der Arbeitsaufnahme die volle Grundsicherung plus das erste Gehalt zur Verfügung stehen, ohne dass Leistungen rückwirkend aufgehoben werden müssten. Gleichzeitig würden Unsicherheiten über Lohnhöhe, Einstiegsdatum oder variable Schichten in diesem sensiblen Übergangsmonat keinen sofortigen Ärger mit Bescheiden, Rückforderungen und Nachweisen auslösen.

Ziele: Anreiz zur Arbeitsaufnahme und weniger Bürokratie

Ein solcher Jobbonus verfolgt zwei Kernziele: Zum einen soll sich der Schritt in Arbeit für Betroffene „spürbar“ lohnen, weil im ersten Monat real mehr Geld zur Verfügung steht und Einstiegs- oder Umstellungskosten (Fahrtkosten, Kleidung, Kinderbetreuung) leichter getragen werden können. Zum anderen würde die Verwaltung Zeit und Aufwand sparen, weil komplizierte Berechnungen, vorläufige Bescheide, spätere Korrekturen und Rückforderungen für genau diesen Monat entfallen würden. Jobcenter könnten sich stärker auf Beratung und Stabilisierung der Arbeitsaufnahme konzentrieren, statt kleinteilig Ansprüche nachzujustieren.

Praktische Ausgestaltung des Jobbonus

Praktikabel wäre eine einfache, klar definierte Regel: Der Bonus greift genau im Monat der erstmaligen Aufnahme oder Wiederaufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung nach mindestens X Monaten im Leistungsbezug. Dieser Zeitraum (z. B. sechs oder zwölf Monate) würde verhindern, dass Personen mehrfach innerhalb kurzer Zeit den Bonus ausnutzen, indem sie wiederholt kurzfristige Beschäftigungen beenden und neu beginnen. Technisch ließe sich im Leistungsbescheid eine standardisierte „Bonus-Klausel“ verankern, die bei Meldung der Arbeitsaufnahme automatisch aktiviert wird, ohne dass für diesen Monat eine ausführliche Einkommensanrechnung stattfindet.

Finanzielle Wirkung für Bürgergeld-/Grundsicherungs-Beziehende

Für Leistungsbeziehende entsteht im ersten Arbeitsmonat ein spürbarer finanzieller Puffer: Neben der regulären Grundsicherung steht zusätzlich das volle erste Nettoeinkommen zur Verfügung, wodurch sich typische Einstiegskosten in Arbeit besser auffangen lassen. Gerade bei niedrigen Löhnen und unsicherer Arbeitslage reduziert dieser Puffer das Risiko, dass bereits im ersten Monat Schulden oder Engpässe entstehen, wenn etwa Arbeitswegkosten höher sind als erwartet oder das Gehalt später als zugesagt eingeht. Psychologisch ist wichtig: Der Schritt in Arbeit fühlt sich nicht sofort wie ein „Nullsummenspiel“ an, bei dem jede Euro-Verbesserung gleich wieder durch Leistungskürzung aufgefressen wird.

Verwaltungsentlastung und Vermeidung von Rückforderungen

Aus Verwaltungssicht läge der Vorteil darin, dass der komplizierteste Monat – der Einstieg – technisch stark vereinfacht wird. Derzeit müssen Jobcenter häufig vorläufig bewilligen, Einkommen schätzen, später korrigieren und zu viel gezahlte Leistungen zurückfordern, wenn tatsächliche Lohnabrechnungen vorliegen. Der Jobbonus würde diese Schleife für den ersten Monat weitgehend entbehrlich machen: Der bestehende Bescheid läuft einfach durch, das Einkommen wird erst ab dem Folgemonat regulär berücksichtigt. Das verringert Rückstände, Widersprüche und Klagepotenzial und senkt nebenbei die Angst vieler Leistungsbeziehender vor späteren Rückforderungen.

Mögliche Risiken und Steuerungsmechanismen

Ein Jobbonus müsste so gestaltet sein, dass er nicht zu Fehlanreizen oder Mitnahmeeffekten führt. Denkbare Steuerungsmechanismen wären etwa: Bindung an sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Begrenzung auf einen Bonus pro Person in einem bestimmten Zeitraum, Ausschluss rein kurzfristiger, ersichtlich nur „saisonaler“ Beschäftigungen ohne echte Integrationsperspektive. Zudem müsste klar geregelt sein, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen ein Arbeitsverhältnis noch im ersten Monat scheitert – etwa ob der Bonus trotzdem bestehen bleibt oder unter engen Voraussetzungen nachträglich korrigiert werden kann.

Einordnung im Rahmen der neuen Grundsicherung

Im Kontext der geplanten Neuregelungen zur Grundsicherung (Bürgergeld – Reform), die häufig mit strengeren Pflichten und schärferen Sanktionen verbunden sind, würde ein Jobbonus einen sichtbaren positiven Gegenakzent setzen. Während viele Maßnahmen Druck erhöhen, würde dieser Ansatz ausnahmsweise einen klaren, materiellen Vorteil für kooperatives Verhalten – nämlich die Aufnahme von Arbeit – schaffen. Politisch ließe sich ein solches Modell gut mit dem Argument vermitteln, dass es weder „leistungsfeindlich“ sei noch die Grundidee der Bedürftigkeitsprüfung aufgibt, sondern lediglich den Einstieg in Erwerbsarbeit so gestaltet, dass er für alle Seiten – Betroffene und Jobcenter – einfacher und kalkulierbarer wird.

Quelle

Konrad Adenauer Stiftung

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

    Alle Beiträge ansehen Ingo Kosick
  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

    Alle Beiträge ansehen Peter Kosick

Hinweis zur Redaktion und zum Faktencheck
Die Redaktion von Bürger & Geld prüft sämtliche Artikel vor Veröffentlichung sorgfältig nach aktuellen gesetzlichen Grundlagen, offiziellen Statistiken und seriösen Quellen wie Bundesministerien, Sozialverbänden und wissenschaftlichen Studien. Unser Redaktionsteam besteht aus erfahrenen Fachautorinnen für Sozialpolitik, die alle Inhalte regelmäßig überarbeiten und aktualisieren. Jeder Text durchläuft einen strukturierten Faktencheck-Prozess sowie eine redaktionelle Qualitätssicherung, um höchste Genauigkeit und Transparenz zu gewährleisten. Bei allen wesentlichen Aussagen werden Primärquellen direkt im Fließtext verlinkt. Die Unabhängigkeit von Werbung und Drittinteressen sichert neutralen Journalismus – zum Schutz unserer Leserinnen und zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung.


Verantwortlich für die Inhalte auf dieser Seite: Redaktion des Vereins Für soziales Leben e. V. – Ihre Experten rund um Soziale Sicherheit und Altersvorsorge.