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Urteil: So bekommen Bürgergeld – Empfänger jetzt Zinsen auf ihre Nachzahlung!

Das Urteil des LSG Sachsen‑Anhalt vom 17.07.2025 – L 2 AS 45/25 behandelt die Verzinsung von endgültig festgesetzten Grundsicherung - /Bürgergeld ‑ Leistungen nach vorläufiger Bewilligung. Das Urteil ist für alle wichtig, die nach langer Bearbeitungszeit Nachzahlungen vom Jobcenter erhalten und wissen wollen, ob sie zusätzlich Zinsen verlangen können. Unser Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V. erklärt die Einzelheiten.

Bürgergeld Zinsen vom Jobcenter – worum geht es?

Das LSG Sachsen‑Anhalt hatte zu klären, ob und ab wann Nachzahlungsansprüche aus einer endgültigen Festsetzung von Grundsicherung für Arbeitsuchende / Bürgergeld zu verzinsen sind, wenn der Jobcenter zuvor nur vorläufig bewilligt hat. Streitentscheidend war dabei insbesondere die Anwendung des § 44 SGB I in Verbindung mit den Vorschriften zur vorläufigen und endgültigen Festsetzung im SGB II (insbesondere § 41a, § 42 SGB II) sowie § 37 SGB X. Im Ergebnis bestätigt das Gericht einen eigenständigen Zinsanspruch, begrenzt diesen aber zeitlich auf den Zeitraum nach Ablauf einer „Schonfrist“ von sechs Monaten.

Rechtlicher Hintergrund

Rechtsgrundlage für Verzinsungsansprüche im Sozialrecht ist § 44 SGB I, der vorsieht, dass Geldleistungen zu verzinsen sind, wenn der zuständige Träger sie nicht innerhalb angemessener Frist erbringt. Gleichzeitig regeln die Vorschriften des SGB II zur vorläufigen Entscheidung (§ 41a SGB II) und zur Auszahlung (§ 42 SGB II), wie Jobcenter Leistungen zunächst vorläufig festsetzen und später endgültig abrechnen dürfen. Außerdem bestimmt § 37 SGB X, wann ein Anspruch dem Grunde nach fällig wird, was für den Beginn eines Zinslaufs entscheidend ist.

Kernaussagen des Urteils

Nach der Darstellung im Rechtsprechungsticker wird der Zinsanspruch als akzessorisch zur Hauptforderung verstanden, kann aber rechtlich selbständig geltend gemacht werden. Zinsen entstehen jedoch nicht sofort mit jeder Nachzahlung, sondern erst nach einer Wartefrist von sechs Monaten ab Eingang eines entsprechenden Antrags beziehungsweise der anspruchsbegründenden Unterlagen beim Jobcenter. Damit schützt das Gericht die übliche Bearbeitungsdauer des Jobcenters und verhindert, dass schon kurze Verzögerungen automatisch zu Zinsen führen.

Bedeutung für Bürgergeld‑Empfänger

Für Leistungsberechtigte bedeutet das Urteil: Wer nach einer vorläufigen Bewilligung erst deutlich später eine höhere endgültige Festsetzung erhält, kann zusätzlich Zinsen verlangen, wenn die Bearbeitung mehr als sechs Monate gedauert hat. Relevant ist dies vor allem in Fällen, in denen Einkommen, Betriebsergebnisse oder andere Anrechnungsgrößen erst später feststehen und deshalb längere Abrechnungszeiträume entstehen. Das Urteil stärkt damit den Anspruch auf zeitnahe Bearbeitung und schafft einen finanziellen Ausgleich bei überlangen Verzögerungen.

Praktische Hinweise für Betroffene

Betroffene sollten das Eingangsdatum ihres Antrags oder der Unterlagen dokumentieren, weil ab diesem Zeitpunkt die Sechs‑Monats‑Frist für mögliche Zinsen läuft. Ergibt die endgültige Festsetzung eine Nachzahlung, kann gegenüber dem Jobcenter ausdrücklich unter Hinweis auf § 44 SGB I und die Entscheidung LSG Sachsen‑Anhalt, Urteil vom 17.07.2025 – L 2 AS 45/25, ein zusätzlicher Zinsanspruch geltend gemacht werden. Wird der Zinsantrag abgelehnt, kommt eine sozialgerichtliche Klage in Betracht, bei der dieses Urteil als Argumentationshilfe herangezogen werden kann.

Ähnlich hat bereits das Landessozialgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen L 4 AS 68/20 entschieden.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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