Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 2. April 2025 (Az. L 32 AS 739/24) entschieden, dass das Jobcenter Bürgergeld-Leistungen vollständig versagen darf, wenn Antragsteller ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen. Wir erklären auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., die Hintergründe des Falles und die Argumentation des Gerichts.
Hintergrund des Gerichtsverfahrens: Sachverhalt
Der Kläger hatte nach einem Umzug Bürgergeld beantragt und wurde vom zuständigen Jobcenter mehrfach aufgefordert, verschiedene Unterlagen nachzureichen, u.a. zu seinem Aufenthaltstitel, Mietvertrag, Gewerbe, Kontoauszügen und Einkommensverhältnissen. Trotz wiederholter und konkretisierter Aufforderungen reichte der Kläger die geforderten Nachweise nicht oder nur unvollständig ein. Das Jobcenter versagte daraufhin die Leistungen ab Antragstellung vollständig, da die Bedürftigkeit nicht geprüft werden konnte. Im Widerspruchsverfahren und vor Gericht argumentierte der Kläger, die Rechtsfolgenbelehrung sei unvollständig und die vollständige Versagung unverhältnismäßig.
Kernaussagen des Urteils zur Bürgergeld Versagung
- Mitwirkungspflichten und Rechtsfolgenbelehrung: Das Gericht stellte klar, dass die Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff. SGB I) eine zentrale Voraussetzung für die Leistungsgewährung sind. Die Rechtsfolgenbelehrungen des Jobcenters waren nach Auffassung des Gerichts ausreichend und klar. Es reiche aus, wenn der Antragsteller eindeutig auf die drohende vollständige Versagung des Bürgergeldes hingewiesen wird.
- Ermessensausübung: Die Versagung ist eine Ermessensentscheidung der Behörde. Das Gericht prüfte, ob das Jobcenter sein Ermessen korrekt ausgeübt hat und kam zu dem Schluss, dass keine Ermessensfehler vorlagen. Die vollständige Versagung war im konkreten Fall gerechtfertigt, weil die Bedürftigkeit des Klägers nicht festgestellt werden konnte und keine atypischen Umstände vorlagen, die eine mildere Entscheidung geboten hätten.
Verhältnis Versagung der Leistung – Sanktionen
Die vollständige Versagung wegen fehlender Mitwirkung ist von den Leistungsminderungen (Sanktionen) nach §§ 31 ff. SGB II zu unterscheiden. Während Sanktionen bei Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Arbeitsaufnahme oder -suche vom Jobcenter verhängt werden können und gesetzlich auf maximal 30 % des Regelsatzes begrenzt sind, kann bei fehlender Mitwirkung die Leistung komplett versagt werden, solange die Mitwirkung nicht nachgeholt wird; der Antrag kann also abgelehnt werden.
Das Gericht erklärte in der Entscheidungsbegründung, dass die vollständige Versagung der Bürgergeld Leistung zulässig ist, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für das Bürgergeld wegen fehlender Mitwirkung nicht geklärt werden können. Das Recht auf das menschenwürdige Existenzminimum bliebe dennoch gewahrt, da nachträglich Leistungen erbracht werden könnten, sobald die Mitwirkung nachgeholt werde.
Bedeutung des Urteils für Bürgergeldempfänger
- Wer Bürgergeld beantragt, muss alle für die Prüfung der Bedürftigkeit erforderlichen Unterlagen fristgerecht und vollständig vorlegen.
- Werden diese Mitwirkungspflichten nicht erfüllt und ist die Bedürftigkeit nicht feststellbar, kann das Jobcenter die Leistungen komplett versagen, bis die Mitwirkung nachgeholt wird.
- Die Entscheidung muss stets eine Einzelfallabwägung beinhalten und der Ablehnungsbescheid muss eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung enthalten.
Abgrenzung Sanktionen – Leistungsversagung
Versagung wegen fehlender Mitwirkung | Sanktionen bei Pflichtverletzungen |
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Bis zu 100 % der Leistung möglich | Maximal 30 % des Regelsatzes |
Betrifft fehlende Unterlagen/Nachweise | Betrifft Arbeitsverweigerung etc. |
Leistungen werden nachgeholt, wenn Mitwirkung erfolgt | Kürzung für festen Zeitraum, auch bei nachträglicher Mitwirkung |
Ermessensentscheidung der Behörde | Gesetzlich festgelegte Kürzung |
Zusammenfassung: vollständige Bürgergeld Versagung bei fehlender Mitwirkung
Das Urteil bestätigt die Praxis der Jobcenter, bei fehlender Mitwirkung Bürgergeld-Leistungen vollständig zu versagen, solange die Bedürftigkeit nicht überprüfbar ist. Antragsteller müssen alle geforderten Nachweise fristgerecht einreichen, um eine Leistungsversagung, also eine Zurückweisung ihres Bürgergeld-Antrags, zu vermeiden. Die vollständige Versagung ist rechtlich zulässig, sofern das Ermessen korrekt ausgeübt wird. Es handelt sich nicht um eine Form von Sanktionen!