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Schwerbehinderung: Urteile Bundessozialgericht zu Merkzeichen aG

Bei einer Schwerbehinderung bedeutet Merkzeichen aG im Schwerbehindertenausweis „außergewöhnliche Gehbehinderung“. Daran sind besondere Nachteilsausgleiche geknüpft. Das Bundessozialgericht hat sich mit den Voraussetzungen dieses Merkzeichens befasst, und zwar gleich in zwei Urteilen am 9.3.23. Lesen Sie in nachfolgendem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., welche Erkenntnisse das oberste deutsche Sozialgericht an Kläger und Beklagten in den Urteilen weitergegeben hat.

Anspruch auf das Merkzeichen aG im Schwerbehindertenausweis

Das Merkzeichen aG im Schwerbehindertenausweis erhalten behinderten Menschen nur unter bestimmten Voraussetzungen zuerkannt. Bei ihnen muss eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung gegeben sein. Weiter muss diese Teilhabebeeinträchtigung einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 80 entsprechen. Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn sich der schwerbehinderte Mensch dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb eines Kraftfahrzeuges bewegen kann.

Das Merkzeichen aG ist vom Merkzeichen G zu unterscheiden.

1. Urteil Bundessozialgericht: Fortschreitenden Muskelschwund mit Verlust von Gang- und Standstabilität

In einem Urteil des Bundessozialgericht ging es um eine Person, die an Muskelschwund litt, der von Gang- und Standinstablität gekennzeichnet war.

Im Urteil mit dem Az. B 9 SB 1/22 R entscheid das Bundessozialgericht wie folgt:

„Für die Feststellung des Merkzeichens “aG” ist in räumlicher Hinsicht auf eine Umgebung abzustellen, wie sie nach dem Verlassen eines Kraftfahrzeugs typischerweise vorzufinden ist.“

„Sturzgefahr rechtfertigt das Merkzeichen “aG” nur dann, wenn der Betroffene aus der objektiven und medizinisch begründeten Sicht eines verständigen behinderten Menschen dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist.“

Das Gericht unterstrich also, dass es darauf ankommt, wie die Umgebung beim Aussteigen aus dem Kraftfahrzeug normalerweise beschaffen ist. Es ist also auf Bodenunebenheiten abzustellen. Und es kommt auf die typische Umgebung im öffentlichen Verkehrsraum an.

2. Urteil: psychomotorische Entwicklungsstörung

Im Urteil mit dem Az. B 9 SB 8/21 R  entschied das Bundessozialgericht wie im ersten Urteil: Es kommt auf eine Umgebung ab, wie sie nach dem Verlassen eines KFZ typischerweise aufzufinden ist.

Das Gericht unterstrich zusätzlich, dass für diese Feststellung in räumlicher Hinsicht nicht auf eine ideale Umgebung abzustellen ist, wie zB die eigene bedarfsgerecht eingerichtete Wohnung oder eine sonstige vertraute Umgebung, sondern auf jedwede – bekannte oder unbekannte – Umgebung, wie sie nach Verlassen eines Kraftfahrzeugs typischerweise vorzufinden ist.

Das Gericht stellte fest, dass in einer solchen Umgebung die erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung beim Kläger vorhanden ist, und zwar andauern. Dabei sieht es das Gericht als nicht erheblich an, dass der Kläger sein größeres motorisches Potenzial wegen seiner geistigen Behinderung nicht abrufen kann.

Welche Nachteilsausgleiche gibt das Merkzeichen aG?

Nachteilsausgleiche, die mit dem Merkzeichen aG in Anspruch genommen werden können, sind die folgenden:

  • Kostenlose Beförderung im öffentlichen Nahverkehr, wenn Wertmarke erworben wird (§ 228 ff. SGB IX)
  • Befreiung von KFZ-Steuer (§ 3a Absatz 1 KraftStG)
  • Kostenlose Fahrdienste
  • Blauer europäischen Parkausweis für die Inanspruchnahme von Parkerleichterungen (Benutzung von Behindertenparkplätzen)
  • Alternativ zur Entfernungspauschale können die tatsächlichen Kosten für Fahrten zur Arbeit steuerlich abgesetzt werden

Fazit: 2 Urteil des BSG zum Merkzeichen aG

Das Bundessozialgericht hat sich genauer mit den Merkzeichen aG im Schwerbehindertenausweis befasst und die Voraussetzungen eingegrenzt.

Quellen

Bundessozialgericht – https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/2023_03_09_B_09_SB_08_21_R.html
Bundessozialgericht – https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/2023_03_09_B_09_SB_01_22_R.html

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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