Wenn Krankengeld endet: So schützt die Nahtlosigkeitsregelung vor finanzieller Lücke
Wer lange krankgeschrieben ist, erlebt oft dasselbe Drama: Erst zahlt die Krankenkasse monatelang das Krankengeld, dann kommt plötzlich das Schreiben – Zahlung eingestellt! Doch was, wenn die Rente noch nicht bewilligt ist und Arbeiten unmöglich bleibt? Genau für diese schwierige Phase hat der Gesetzgeber eine Lösung geschaffen: die Nahtlosigkeitsregelung nach § 145 SGB III. Sie schützt Betroffene vor dem finanziellen Absturz – aber nur, wenn sie rechtzeitig und richtig gehandelt wird.
Wenn Krankheit zum Bürokratie-Marathon wird
Nach 78 Wochen endet das Krankengeld – das steht gesetzlich fest. Die Krankenkasse prüft, ob jemand weiterhin arbeitsunfähig ist, und leitet oft eine Rentenantragspflicht ein. Doch bis ein Rentenbescheid vorliegt, kann es dauern – manchmal Monate. In dieser Zeit fällt das Einkommen weg. Und obwohl man nach wie vor krank ist, gilt man offiziell nicht als „arbeitslos“. Klingt wie eine Sackgasse, oder?
Genau hier greift die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung. Sie sorgt dafür, dass Menschen in dieser Übergangsphase trotz fehlender Arbeitsfähigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben – solange bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Das steckt hinter § 145 SGB III
Die Nahtlosigkeitsregelung stammt aus dem Sozialgesetzbuch III (SGB III) und soll sicherstellen, dass kein Betroffener ohne Leistung bleibt, wenn seine Erwerbsfähigkeit gerade geprüft wird. Der Gedanke dahinter ist einfach: Wer krank ist und auf die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) wartet, darf nicht durch das Raster fallen.
Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt in dieser Zeit die Zahlung von Arbeitslosengeld I – obwohl keine Arbeitsvermittlung stattfindet. Das ist der große Unterschied zum normalen Arbeitslosengeld.
Rechtsgrundlage ist § 145 Abs. 1 SGB III, der klar sagt: Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht auch dann, wenn jemand wegen einer Erkrankung keine Arbeit aufnehmen kann, aber mit einer Erwerbsminderung zu rechnen ist.
Voraussetzungen für den Anspruch
Um die Nahtlosigkeitsregelung in Anspruch zu nehmen, müssen einige Bedingungen erfüllt sein:
- Krankengeld läuft aus: Die Krankenkasse hat die Zahlung eingestellt oder endet nach 78 Wochen.
- Leistungsminderung liegt vor: Aus medizinischer Sicht ist die Arbeitsfähigkeit stark eingeschränkt – aber noch nicht endgültig geklärt.
- Rentenantrag wurde gestellt: Die Betroffenen müssen in der Regel bereits einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente eingereicht haben – oder dazu aufgefordert worden sein.
- Meldung bei der Agentur für Arbeit: Man muss sich persönlich arbeitslos melden, auch wenn man aktuell nicht vermittelbar ist.
Sind diese Punkte erfüllt, kann das Arbeitslosengeld nach § 145 SGB III fließen.
Wie hoch ist das Arbeitslosengeld in diesem Fall?
Das Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung wird genauso berechnet wie das normale Arbeitslosengeld I. Grundlage ist das Einkommen der letzten 12 Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Meist liegt der Satz bei 60 Prozent des letzten Nettogehalts (bzw. 67 Prozent mit Kind). Das kann deutlich mehr sein als Grundsicherung oder Bürgergeld – ein wichtiger Unterschied für viele Betroffene.
Allerdings: Die Agentur für Arbeit prüft regelmäßig, ob weiterhin eine Arbeitsunfähigkeit besteht oder ein Rentenbescheid vorliegt. Sobald die Rente bewilligt wird, endet die Zahlung automatisch.
Wichtig: Diese Fehler vermeiden
Viele Betroffene verlieren ihren Anspruch, weil sie zu spät handeln oder Dokumente fehlen. Besonders häufige Fehler sind:
- Keine fristgerechte Arbeitslosmeldung: Wer sich nicht rechtzeitig bei der Agentur für Arbeit meldet, riskiert eine Sperrzeit oder sogar den Verlust der Leistung.
- Fehlender Rentenantrag: Die Behörde verlangt fast immer einen Nachweis, dass ein Antrag bei der DRV gestellt wurde.
- Unklare ärztliche Unterlagen: Es muss belegt werden, dass eine längerfristige Einschränkung der Erwerbsfähigkeit besteht – oft durch einen Arztbericht oder den Medizinischen Dienst.
Tipp: Wer Unterstützung braucht, kann sich an den Sozialdienst im Krankenhaus, einen Sozialverband (z. B. VdK, SoVD) oder direkt an die Rentenversicherung wenden.
So läuft die Beantragung ab
- Arbeitslosmeldung bei der Agentur für Arbeit – am besten vor Ende des Krankengeldbezugs.
- Ärztliche Unterlagen vorlegen – etwa Reha-Berichte oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
- Nahtlosigkeitsprüfung durch die Arbeitsagentur – hier entscheidet der Ärztliche Dienst, ob § 145 SGB III greift.
- Antrag auf Arbeitslosengeld stellen – meist online oder direkt im Beratungsgespräch.
Wenn alles passt, erfolgt die Bewilligung rückwirkend ab dem Tag nach dem Ende des Krankengeldes.
Was passiert bei Ablehnung?
Wird der Antrag abgelehnt, lohnt sich ein Widerspruch. Häufig liegt es an unvollständigen Unterlagen oder unklaren Attesten. Mit einem ausführlichen Arztbericht oder der Bestätigung des Rentenantrags kann der Anspruch oft nachträglich durchgesetzt werden.
Auch während eines laufenden Widerspruchsverfahrens sollte man unbedingt weiter Bescheinigungen und Nachweise einreichen – sonst droht eine echte Versorgungslücke.
Fazit: Die Nahtlosigkeitsregelung ist ein Schutzmechanismus – aber kein Selbstläufer
§ 145 SGB III wurde geschaffen, um schwerkranke Menschen vor der finanziellen Katastrophe zu bewahren. Doch in der Praxis hängt vieles vom richtigen Timing und vollständigen Unterlagen ab. Wer frühzeitig handelt, seine Ansprüche kennt und alles schriftlich dokumentiert, bleibt abgesichert – bis die endgültige Entscheidung über die Erwerbsminderungsrente fällt.
Wer dagegen abwartet oder den Rentenantrag hinausschiebt, riskiert, wochen- oder sogar monatelang ohne Leistung dazustehen.
Deshalb gilt: rechtzeitig informieren, Unterlagen sichern und im Zweifel fachliche Hilfe holen.
Denn die Nahtlosigkeitsregelung ist da, um zu helfen – man muss sie nur richtig nutzen.


