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Pflegeheim zu teuer? Wann Kinder für die Eltern haften und zahlen müssen!

Der Umzug eines Elternteils in ein Pflegeheim wirft für viele Familien die große Frage auf: Wenn die Rente und das Vermögen der Pflegebedürftigen nicht reichen, haften dann die Kinder für die oft hohen Kosten? Seit dem „Angehörigen-Entlastungsgesetz“ gelten neue Regeln in Deutschland. In diesem Ratgeber auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., lesen Sie umfassend und praxisnah, wann und wie Kinder für die Heimkosten ihrer Eltern tatsächlich aufkommen müssen – und wann nicht.

Wie entstehen Heimkosten überhaupt?

Ein Platz in einem deutschen Pflegeheim kostet im Schnitt 3.000–3.500 Euro monatlich, je nach Pflegestufe kann das auch deutlich mehr sein. Die Pflegeversicherung übernimmt nur einen Teil der Kosten. Den sogenannten Eigenanteil (oft 2.000–3.000 Euro/Monat) müssen Bewohner und deren Familien selbst tragen. Wenn Rente und eigenes Vermögen nicht reichen, kommt das Sozialamt ins Spiel.

Gut zu wissen: Pflegebedürftige müssen zuerst Rente, Pflegegeld und ihr Vermögen einsetzen. Erst danach springt der Staat ein.

In welcher Reihenfolge werden Heimkosten bezahlt?

  1. Eigene Einkünfte und Vermögen der pflegebedürftigen Person (z.B. Rente, Sparguthaben)
  2. Ehepartner müssen – soweit wirtschaftlich möglich – auch zahlen
  3. Erst danach prüft das Sozialamt, ob Kinder zu Zahlungen verpflichtet sind (§94 SGB XII)

Nur wenn alle oberen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kommt die Pflicht zum “Elternunterhalt” der Kinder ins Spiel.

Elternunterhalt: Das ist seit 2020 anders

Das Angehörigen-Entlastungsgesetz hat die finanzielle Verantwortung für Kinder drastisch reduziert:

  • Kinder müssen erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro (pro Kind) zahlen (§ 94 Abs. 1a SGB XII).
  • ​Das Vermögen der Kinder bleibt geschützt; nur das Jahreseinkommen zählt. Immobilien und Erspartes müssen nicht angetastet werden (Ausnahmen: Schenkungen, § 528 BGB).
  • Ehepartner des Kindes werden nicht mehr herangezogen – nur das Einkommen des leiblichen/des Adoptivkindes zählt.
  • Liegt das Einkommen unter 100.000 €, verlangt das Sozialamt keine Unterlagen und keine Zahlung für Heimkosten.

Beispiel: Hat eine Familie drei Kinder und alle verdienen jeweils weniger als 100.000 €, muss keines der Kinder zahlen, auch nicht anteilig!

Was zählt zum Einkommen der Kinder?

  • Jahresbrutto aller Arbeits-, Vermietungs-, Kapitaleinkünfte (§16 SGB IV)
  • ​Zum Brutto dürfen Werbungskosten (Pauschalen) abgezogen werden
  • Einkommen des Ehepartners bleibt außen vor
  • Erst oberhalb von 100.000 € prüft das Sozialamt die “Leistungsfähigkeit” genauer (Selbstbehalt, Unterhaltslasten, besondere Belastungen)

Was genau prüft das Sozialamt?

  • Hat ein Kind oder mehrere ein Einkommen vo mehr als 100.000 €? Dann wird ein Teil des Überschusses (nach Abzug von Selbstbehalt und eigenen Verpflichtungen) verlangt.
  • Selbstbehalt: Allen Zahlungspflichtigen bleibt monatlich ein Freibetrag zum “eigenen Lebensunterhalt”. Dieser liegt aktuell bei mindestens 2.650 € für Alleinstehende, 3.600 € für Verheiratete – je nach Gericht und aktueller Düsseldorfer Tabelle.
  • ​Weitere Kinder haften anteilig, falls mehrere Kinder über 100.000 € brutto verdienen.

Was ist mit dem Vermögen der Kinder?

  • Das Vermögen der Kinder bleibt unangetastet und wird – anders als früher – nicht für Elternunterhalt eingesetzt.
  • ​Lediglich “Luxusvermögen” (wie größere Immobilienportfolios, Yachten etc.) kann in Extremfällen relevant werden.
  • Auch Schenkungen an die Kinder können vom Sozialamt zurückgefordert werden, wenn sie in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Sozialhilfe erfolgten (§ 528 BGB).​

Wann springt das Sozialamt für Heimkosten ein?

Das Sozialamt übernimmt die “Hilfe zur Pflege”, wenn Rente, Vermögen und gesetzliche Pflegeversicherung nicht ausreichen. Erst dann wendet es sich an Kinder, deren Einkommen für Elternunterhalt herangezogen werden könnte.

​Tabelle: Wer zahlt was bei Heimkosten?

ZahlerWann muss gezahlt werden?Ausnahme/Details
Pflegebedürftiger selbstImmer zuerst: Rente, eigenes VermögenSchonvermögen bleibt erhalten
EhepartnerErst, wenn selbst ausreichend Einkommen/Vermögeneigenes Schonvermögen bleibt
KinderErst ab 100.000 € Jahresbrutto – sonst nieVermögen der Kinder bleibt geschützt
SozialamtWenn alle anderen Mittel nicht ausreichenPrüft ggf. Elternunterhalt (siehe oben)

Häufige Fragen und Irrtümer (FAQ)

Muss ich Infos zu meinem Einkommen abgeben?

Nur wenn das Sozialamt einen konkreten Hinweis hat, dass du über 100.000 € jährlich verdienst (z.B. durch Berufsangabe), wirst du zur Auskunft verpflichtet. Sonst nicht.

Können Ersparnisse oder Immobilien meines Partners/meiner Partnerin herangezogen werden?

Nein, ausschließlich das Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes zählt.

Was ist, wenn ich viele eigene Kinder, hohe Miete oder Schulden habe?

Der Selbstbehalt schützt dich – zusätzliche Belastungen werden berücksichtigt und senken ggf. die Zahlungsverpflichtung.

Mein Bruder verdient mehr als ich, muss ich trotzdem zahlen?

Jedes Kind wird einzeln betrachtet. Erst bei mehreren Kindern über der Grenze wird anteilig aufgeteilt.

Können auch Enkel haften?

Nein, nach deutschem Recht kann nur die unmittelbare nächste Generation, also die Kinder, für Elternunterhalt herangezogen werden. Enkel müssen nicht zahlen.

Was ist mit Schenkungen oder vorzeitig vererbtem Geld?

Das Sozialamt kann unter Umständen Schenkungen oder frühzeitige Übertragungen auf Kinder zurückfordern, wenn sie in den letzten 10 Jahren vor dem Sozialhilfeantrag erfolgt sind (§ 528 BGB).

Praxistipps für Familien

  • Klärt frühzeitig in der Familie, wie Pflege im Alter organisiert und finanziert werden soll
  • Prüft, ob eine rechtzeitige private Pflegezusatzversicherung sinnvoll ist
  • Vermögen und Einkommen klar dokumentieren
  • Lasst euch beraten, insbesondere bei neuem Sozialhilfebescheid oder bevorstehenem Heimaufenthalt

Fazit: Haften Kinder für Heimkosten?

Kinder müssen für die Heimkosten ihrer Eltern grundsätzlich nur dann aufkommen, wenn sie selbst mehr als 100.000 € brutto jährlich verdienen. Die große Mehrheit liegt heutzutage unter dieser Schwelle und ist seit 2020 durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz geschützt. Erst wenn die gesetzliche Einkommensgrenze übeschritten ist, prüft das Sozialamt eine Zumutbarkeit und zieht dabei Selbstbehalt, Familie und sonstige Belastungen großzügig ab. Das Risiko, bei Heimkosten finanziell ruiniert zu werden, ist damit heute gering – und transparente Beratung hilft, die Rechte zu sichern.

FAQ – Kinder haften für Heimkosten: Die häufigsten Fragen

1. Ab wie viel Einkommen müssen Kinder für Elternunterhalt zahlen?

Antwort: Erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro pro Kind.

2. Muss ich mein Vermögen einsetzen, wenn mein Einkommen unter der Grenze bleibt?

Antwort: Nein. Das Vermögen der Kinder bleibt in diesem Fall geschützt, auch Immobilien oder Ersparnisse zählen nicht mit.

3. Was ist mit Ehepartnern? Müssen sie auch zahlen?

Antwort: Nein, es zählt nur das Einkommen des Kindes – das Einkommen des Partners bleibt außen vor.

4. Gilt die Einkommensgrenze für jedes Kind gesondert?

Antwort: Ja – hat eine Familie mehrere Kinder unter der Grenze, muss niemand zahlen. Nur Kinder mit mehr als 100.000 Euro brutto werden überhaupt geprüft; übersteigt mehr als ein Kind die Grenze, wird anteilig gezahlt.

5. Sind Enkel oder Schwiegerkinder ebenfalls verpflichtet?

Antwort: Nein, nach deutschem Gesetz haften nur die eigenen Kinder, nicht Enkel oder andere Verwandte.

6. Kann das Sozialamt auf Schenkungen zugreifen?

Antwort: Ja, unter Umständen kann das Sozialamt größere Schenkungen (z.B. Immobilien, Geld) der letzten 10 Jahre vom Kind zurückfordern, wenn sonst kein Geld mehr da ist (§528 BGB).

7. Wird das Einkommen im Ausland auch geprüft?

Antwort: Ja, lebt ein Kind im Ausland und verdient über der Grenze, kann es zur Zahlung herangezogen werden – allerdings wird die Kaufkraft im Ausland berücksichtigt.

8. Wie berechnet das Sozialamt genau die Höhe der zu zahlenden Summe?

Antwort: Vom Nettojahreseinkommen werden zuerst Steuern, Sozialabgaben und Werbungskosten abgezogen, dann der Selbstbehalt und persönliche Belastungen. Aus dem Rest wird, falls überhaupt, der Elternunterhalt anteilig berechnet.

9. Gibt es laufende Reformpläne?

Antwort: Politische Diskussionen über die Senkung des Eigenanteils und eine faire Verteilung laufen weiter, aber das Angehörigen-Entlastungsgesetz bleibt zunächst maßgeblich.

​Übersichtstabelle: Wann haften Kinder für Heimkosten?

ZahlerVoraussetzung zur ZahlungFreibeträge/SelbstbehaltBesonderheiten
PflegebedürftigerImmer – zuerst eigenes GeldSchonvermögen (10.000–20.000 €)Muss zuerst alles eigene ausschöpfen
EhepartnerNur bei eigenem VermögenEigener SelbstbehaltEhepartner vor Kindern verpflichtet
Kind (Elternunterhalt)Ab 100.000 € JahresbruttoMind. 2.650 € (Alleinstehend), 3.600 € (Verh.)Nur Einkommen, nicht Vermögen
SozialamtWenn alle anderen Quellen erschöpftKann ggf. Schenkungen fordern

Praxis-Tipp: Erst wenn alle Möglichkeiten der Eltern (und deren Ehepartner) ausgeschöpft sind und Kinder über der Einkommensgrenze liegen, werden Kinder überhaupt in Anspruch genommen!

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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