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Pflegezeit ohne Sorgen: Pflegegeld allein reicht nicht – wovon man leben kann, wenn man Angehörige pflegt!

Es ist eine Situation, die viele Familien unerwartet trifft: Ein Elternteil, Partner oder naher Angehöriger wird plötzlich pflegebedürftig. Die meisten Angehörigen möchten selbst helfen – oft auch zu Hause. Doch wer arbeitet, steht rasch vor der entscheidenden Frage: Wovon soll ich leben, wenn ich für die Pflege weniger oder gar nicht mehr arbeite? Pflege kostet Kraft, Zeit und vor allem Stabilität. Doch für die finanzielle Seite gibt es in Deutschland klare Regelungen – von Lohnersatzleistungen bis hin zu langfristigen Sicherungen. Dieser Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., zeigt, welche Unterstützungsmöglichkeiten greifbar sind, wie man sie beantragt und worauf es 2025 besonders ankommt.

Wenn die Pflege das Leben verändert – und das Einkommen sinkt, was tun?

Kurzfristige Auszeit: Das Pflegeunterstützungsgeld als schnelle Hilfe

Wenn plötzlich Pflege notwendig wird, erlaubt das Pflegezeitgesetz (§ 2 Abs. 1) eine sofortige zehntägige Arbeitsverhinderung. Während dieser Zeit können Angehörige die Pflege organisieren, etwa ärztliche Termine oder Pflegedienste koordinieren. Damit der Verdienstausfall in dieser Phase abgefedert wird, gibt es das Pflegeunterstützungsgeld.

Diese Lohnersatzleistung funktioniert ähnlich wie das Krankengeld und wird von der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person gezahlt. Der Antrag erfolgt direkt bei der jeweiligen Pflegekasse oder privaten Pflegepflichtversicherung.

Wie viel Geld gibt es?

  • Ohne Sonderzahlungen (z. B. Weihnachtsgeld): 90 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts
  • Mit Sonderzahlungen: 100 % des ausgefallenen Nettolohns

Der Betrag ist durch das Sozialgesetzbuch begrenzt. 2025 gilt eine Höchstgrenze von 128,63 Euro pro Tag.
Abgezogen werden Sozialversicherungsbeiträge für Kranken- und Rentenversicherung, allerdings keine Einkommensteuer.

Wichtig: Wer Teilzeit arbeitet, erhält das Pflegeunterstützungsgeld anteilig. Es kann einmal jährlich erneut beantragt werden, wenn eine neue akute Pflegesituation auftritt.


Wenn Pflege länger dauert: Die Pflegezeit

Wer einen Angehörigen über einen längeren Zeitraum pflegt, kann sich nach dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) bis zu sechs Monate von der Arbeit freistellen lassen. Dies gilt für Angestellte in Betrieben mit mindestens 15 Beschäftigten.

Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf Lohn, aber die Sozialversicherungen bleiben aufrechterhalten, sofern Angehörige eine Pflegeleistung beziehen (z. B. Pflegegeld oder Pflegesachleistung).

Beschäftigte sollten frühzeitig mit ihrem Arbeitgeber sprechen und die Pflegezeit schriftlich ankündigen. Der Antrag sollte mindestens zehn Arbeitstage vor Beginn gestellt werden.

Finanzierungsmöglichkeiten während der Pflegezeit

Während der unbezahlten Freistellung stehen Pflegenden mehrere Optionen offen:

  • Pflegegeld des Pflegebedürftigen (bis zu 947 Euro ab 2025) kann der Angehörige als finanzielle Anerkennung erhalten.
  • Ergänzende Sozialhilfe oder ergänzendes Bürgergeld**, falls Einkommen und Rücklagen nicht ausreichen.
  • Zinsloses Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA).

Pflegezeit und Darlehen: Zinsfreie Hilfe vom Staat

Das BAFzA-Darlehen unterstützt Pflegende, die aufgrund ihrer Freistellung kein Einkommen haben. Es deckt bis zu 50 Prozent des Nettoverdienstes und wird in monatlichen Raten ausgezahlt. Der Antrag erfolgt online über das Bundesamt für Familie. Das Darlehen ist zinslos und wird nach Ende der Pflegezeit in kleinen monatlichen Raten zurückgezahlt – bei besonderen Härtefällen kann die Rückzahlung sogar gestundet oder erlassen werden.

Voraussetzungen:

  • Verwandtschaft bis zweiten Grades
  • Schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers über Freistellung
  • Nachweis über die Pflegebedürftigkeit

Dieses Modell soll sicherstellen, dass Angehörige Pflegetätigkeit und Existenzsicherung verbinden können.


Langfristige Modelle: Familienpflegezeit mit Teilzeitlösung

Nicht immer ist eine vollständige Auszeit gewünscht oder möglich. Viele Pflegende wollen beruflich eingebunden bleiben und gleichzeitig Angehörige unterstützen. Hier greift die Familienpflegezeit nach dem Familienpflegezeitgesetz (FPfZG).

Die Familienpflegezeit ermöglicht, den Arbeitsumfang über einen längeren Zeitraum – maximal 24 Monate – zu reduzieren. Die wöchentliche Mindestarbeitszeit beträgt in der Regel 15 Stunden. Das Gehalt sinkt entsprechend, dafür sichert das Modell den Arbeitsplatz und die soziale Absicherung.

Auch hier kann über das BAFzA ein zinsloses Darlehen beantragt werden – diesmal über die gesamte Laufzeit. So wird der Verdienstausfall zumindest teilweise aufgefangen.

Versicherungen während der Pflege – was bleibt bestehen?

Während einer Pflegezeit bleiben Pflegepersonen über die Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen sozial abgesichert. Das betrifft insbesondere:

  • Rentenversicherung: Die Pflegekasse zahlt Beiträge, wenn mindestens Pflegestufe 2 vorliegt und die Pflege über zehn Stunden an mindestens zwei Tagen pro Woche erfolgt.
  • Arbeitslosenversicherung: Pflegende können nach Ende der Pflege unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitslosengeld I beantragen, wenn sie zuvor sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren.
  • Unfallversicherung: Pflegepersonen sind automatisch unfallversichert (§ 44 SGB XI), etwa bei Unfällen während der Pflege oder auf dem Weg zur pflegebedürftigen Person.

Damit bleibt die soziale Absicherung während der Pflegephase gewährleistet, ohne dass zusätzliche Beiträge gezahlt werden müssen.

Pflegegeld, Pflegezeit und Beruf: Wie sich Leistungen kombinieren lassen

Pflegeunterstützungsgeld, Pflegezeit und Familienpflegezeit lassen sich kombinieren – aber nicht gleichzeitig beziehen.
Ein typisches Beispiel:
Zunächst nimmt jemand zehn Tage Pflegeunterstützungsgeld, um die akute Situation zu organisieren. Danach folgt eine sechsmonatige Pflegezeit, wenn die Pflege fortgeführt wird. Später kann auf Teilzeit im Rahmen der Familienpflegezeit umgestellt werden, um langfristig beides – Pflege und Beruf – zu vereinbaren.

Vorab sollte geprüft werden, welche Variante finanziell tragfähig ist. Oft lohnt es sich, Pflegeberatung in Anspruch zu nehmen – etwa über die Pflegekasse, den Pflegestützpunkt oder Sozialdienste.

Finanzielle Unterstützung durch die Pflegekasse

Pflegebedürftige erhalten je nach Pflegegrad verschieden hohe Geld- oder Sachleistungen, die auch Angehörigen zugutekommen können:

PflegegradPflegegeld monatlich (ab 2025)Pflegesachleistung
10 €0 €
2382 €760 €
3545 €1.455 €
4728 €1.693 €
5947 €2.095 €

Quelle: Bundesgesundheitsministerium (Pflegereform 2025)

Das Pflegegeld wird an den Pflegebedürftigen ausgezahlt, kann aber an pflegende Angehörige als Entlohnung weitergegeben werden. Die Leistung gilt als steuerfrei (§ 3 Nr. 36 EStG).


Wenn das eigene Einkommen nicht reicht: Sozialhilfe und Pflegeergänzung

Auch mit Pflegegeld bleiben viele Familien knapp bei Kasse. Pflegende, die aufgrund fehlender Einnahmen in Not geraten, können Unterstützung durch die Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch XII beantragen. Diese greift, wenn das eigene Einkommen und Vermögen nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu sichern.

Zusätzlich kann Bürgergeld beantragt werden, wenn kein Anspruch auf Hilfe zur Pflege besteht oder Pflege mit eigener Erwerbstätigkeit kombiniert wird. Die Jobcenter erkennen Pflegezeiten als wichtigen Grund für Arbeitszeitreduzierung an.


Steuerliche Entlastung: Pflegekosten absetzen

Pflegende Angehörige können viele Ausgaben steuerlich geltend machen – entweder als:

  • außergewöhnliche Belastung (z. B. Fahrtkosten, Pflegebedarf, Unterkunft),
  • Pflegepauschbetrag (1.800 Euro jährlich ab Pflegegrad 2)
    oder bei höheren Pflegekosten nach individuellem Nachweis.

Arbeitgeberleistungen, wie zusätzliche Urlaubstage oder Zuschüsse zur Pflege, sind ebenfalls steuerfrei, wenn sie direkt mit der Pflegesituation zusammenhängen.


Unterstützung durch Arbeitgeber und Pflegezeitberatung

Immer mehr Unternehmen bieten inzwischen interne Unterstützungsprogramme für pflegende Mitarbeitende an. Dazu gehören:

  • flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Regelungen, Gleitzeit
  • Beratungsstellen für Pflegekoordination
  • Zuschüsse oder Freistellungen bei kurzfristigen Pflegesituationen

Wer pflegt, sollte aktiv auf Personalabteilung oder Betriebsrat zugehen – oft lassen sich individuelle Lösungen finden.

Ergänzend gibt es zahlreiche unabhängige Beratungsangebote, etwa:

  • Servicetelefon Pflege des Bundesgesundheitsministeriums (030 – 340 60 66 02)
  • Pflegewegweiser NRW
  • Landespflegeberatung Baden-Württemberg

Pflegeunterstützung im Ausland oder für entfernte Angehörige

Pflegeleistungen gelten nicht nur für Menschen, die im selben Haushalt leben. Auch wer Eltern oder Partner in einer anderen Stadt pflegt, kann Anspruch auf Pflegezeit und Pflegeunterstützungsgeld haben – solange die Pflege tatsächlich erbracht oder organisiert wird.

Für pflegebedürftige Angehörige im EU-Ausland oder in Staaten mit Sozialversicherungsabkommen gelten Sonderregeln: Pflegegeld wird teilweise weitergezahlt, Sachleistungen sind jedoch auf Deutschland beschränkt.


Was sich 2025 in der Pflege geändert hat

Mit der Pflegereform 2025 gelten verbesserte finanzielle Rahmenbedingungen:

  • Pflegegeld-Erhöhung um 5 Prozent ab Januar 2025
  • Vereinheitlichung von Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zu einem gemeinsamen Budget von 3.386 Euro pro Jahr
  • Pflegeunterstützungsgeld jährlich möglich statt nur einmal pro Pflegesituation
  • Beitragsentlastung für Eltern mit mehreren Kindern in der Pflegeversicherung

Diese Änderungen sollen pflegende Angehörige langfristig entlasten und den sozialen Schutz stärken.

Zusammenfassung: Niemand muss in der Pflegezeit finanziell ins Leere fallen

Pflege anzunehmen, ist eine menschliche Entscheidung – keine, die in Geldnot führen darf. Der Staat bietet Pflegenden heute vielfältige Wege, Einkommen zu sichern: Akut durch Pflegeunterstützungsgeld, mittelfristig durch Pflegezeit oder langfristig durch Familienpflegezeit.

Wichtig ist, rechtzeitig Anträge zu stellen, den Kontakt zur Pflegekasse zu halten und Beratung in Anspruch zu nehmen. So lässt sich die Pflegephase nicht nur emotional, sondern auch wirtschaftlich sicher gestalten.


Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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