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Privatinsolvenz: Diese 5 Schulden werden nicht erlassen

Auch wenn die Privatinsolvenz vielen Menschen einen Neuanfang ermöglicht, bleiben bestimmte Schulden bestehen und können nicht erlassen werden. In diesem ausführlichen Expertenbeitrag auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., erklären wir detailliert, welche Verbindlichkeiten trotz Schuldenbefreiung weiter bestehen und welche rechtlichen Grundlagen gelten.

Privatinsolvenz: Ein Überblick

Die Privatinsolvenz – offiziell Verbraucherinsolvenz genannt – ist in Deutschland für überschuldete Privatpersonen ein zentraler Weg, um sich von erdrückenden Verbindlichkeiten zu befreien. Seit den Reformen der Insolvenzordnung (InsO) können Schuldner bereits nach drei Jahren von ihren Restschulden befreit werden, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Doch auch dieser gesetzliche Schuldenerlass hat Grenzen. Einige Schuldenarten werden vom Gesetz ausdrücklich ausgenommen, um bestimmte Gläubigerinteressen oder gesellschaftliche Schutzinteressen zu wahren.

Im Folgenden beleuchten wir, welche Schulden trotz Privatinsolvenz nicht erlassen werden, warum das so ist und was Betroffene unbedingt beachten sollten.

Welche Schulden werden grundsätzlich von der Restschuldbefreiung umfasst?

Bevor wir auf die Ausnahmen eingehen, ist es wichtig zu verstehen, welche Forderungen durch die Restschuldbefreiung normalerweise aufgehoben werden. Dies umfasst in der Regel:

  • Konsumkredite (z. B. Ratenzahlungen für Elektronik, Möbel, Autos)
  • Überziehungskredite bei Banken
  • Privatkredite von Freunden, Bekannten oder Verwandten
  • Mietschulden, die nicht durch Betrug entstanden sind
  • Handelsschulden (z. B. offene Rechnungen von Händlern oder Online-Shops)

Ziel ist es, dem Schuldner die Möglichkeit für einen echten finanziellen Neuanfang zu geben.

Gesetzliche Ausnahmen von der Restschuldbefreiung

Die Insolvenzordnung (§ 302 InsO) listet explizit auf, welche Schulden von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind. Dazu gehören:

1. Geldstrafen und Bußgelder

Schulden aus Strafverfahren oder Geldstrafen nach dem Strafgesetzbuch (StGB) bleiben grundsätzlich bestehen. Dazu zählen:

  • Geldstrafen nach strafrechtlichen Verurteilungen
  • Geldauflagen, wenn sie durch Gericht oder Staatsanwaltschaft verhängt wurden
  • Ordnungsgelder und Bußgelder, zum Beispiel wegen Ordnungswidrigkeiten

Der Grund: Der Gesetzgeber will verhindern, dass Täter sich durch eine Insolvenz ihrer strafrechtlichen Verantwortung entziehen.

2. Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen

Wer durch eigenes, vorsätzliches Fehlverhalten Schaden verursacht, soll auch persönlich dafür einstehen. Dazu gehören:

  • Schadensersatzforderungen nach vorsätzlicher Körperverletzung
  • Schmerzensgeldzahlungen bei vorsätzlich rechtswidrigem Verhalten
  • Betrugsfälle, in denen Gläubiger vorsätzlich getäuscht wurden

Wichtig ist hier der Vorsatz: Bei fahrlässigem Verhalten können Forderungen unter Umständen doch erlassen werden.

3. Unterhaltsrückstände aus vorsätzlicher Pflichtverletzung

Unterhaltsforderungen sind ein besonders sensibler Bereich. Bleiben diese aufgrund vorsätzlicher Pflichtverletzung unbezahlt, werden sie nicht von der Insolvenz erfasst. Beispiele:

  • Nicht gezahlter Kindesunterhalt trotz Leistungsfähigkeit
  • Vorsätzliche Verweigerung von Ehegattenunterhalt

Die Interessen von Kindern und Ex-Partnern werden so besonders geschützt.

4. Verbindlichkeiten aus Steuerstraftaten

Steuerschulden können grundsätzlich unter die Restschuldbefreiung fallen. Anders sieht es jedoch aus, wenn diese auf Steuerhinterziehung oder einer ähnlichen vorsätzlichen Handlung beruhen. In solchen Fällen bleiben entsprechende Steuerforderungen bestehen.

5. Verfahrenskosten bei fehlender Stundung

Die Insolvenz selbst verursacht Kosten (Gerichtskosten, Treuhändervergütung). Werden diese nicht gestundet, bleiben sie nach dem Verfahren bestehen. Auch hier hat der Gesetzgeber klare Grenzen gezogen.

Besonderheiten bei Schuldenarten

Steuerschulden

Wie bereits erwähnt, können normale Steuerschulden durchaus erlassen werden – aber nur, wenn kein strafrechtlich relevantes Verhalten wie Steuerhinterziehung vorliegt.

BAföG-Rückzahlungen

Studienkredite oder BAföG-Rückforderungen gelten wie normale Darlehen. Anders ist es jedoch, wenn ein Betrug bei der Beantragung vorliegt.

Rückforderungen von Sozialleistungen

Wenn Sozialleistungen (z. B. Bürgergeld, Wohngeld, Kindergeld) aufgrund einfacher Fehler überzahlt wurden, können diese Forderungen in die Insolvenz einbezogen werden. Liegt hingegen ein Sozialbetrug vor, sind sie von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen.

Restschuldbefreiung nur nach Antrag

Besonders wichtig: Die Restschuldbefreiung tritt nicht automatisch ein, sondern muss aktiv beantragt werden. Dabei ist es die Pflicht des Schuldners, seine Angaben vollständig und ehrlich zu machen. Wer wichtige Informationen verschweigt oder falsche Angaben macht, riskiert die Versagung der Restschuldbefreiung – und muss sämtliche Schulden weiterhin tragen.

Häufige Fehler von Schuldnern

Viele Schuldner gehen fälschlicherweise davon aus, dass die Privatinsolvenz eine Art “Generalamnestie” für alle Schulden sei. Das führt oft zu folgenden Fehlern:

  • Schulden aus vorsätzlichem Handeln werden nicht gemeldet
  • Unterhaltsschulden werden falsch eingestuft
  • Die Priorität von Gerichtskosten wird unterschätzt
  • Steuerstrafen werden als normale Steuerschuld behandelt

Gerade hier ist die Beratung durch Schuldnerberatungsstellen oder Fachanwälte dringend empfohlen.

Bedeutung für Gläubiger

Für Gläubiger hat die Regelung große Bedeutung. Ihnen steht es frei, im Insolvenzverfahren Forderungen anzumelden. Gerade bei Forderungen aus vorsätzlichen Handlungen oder Unterhaltspflichten kann der Gläubiger mit Nachdruck verhindern, dass seine Ansprüche untergehen.

Fazit

Die Privatinsolvenz ist ein wertvolles Instrument, um überschuldeten Menschen eine zweite Chance zu geben. Doch es gibt klare Grenzen: Wer vorsätzlich Schaden verursacht, Unterhaltspflichten verletzt oder strafrechtlich relevante Schuldverhältnisse hat, muss auch nach der Insolvenz weiter zahlen. Diese Ausnahmen sichern die Balance zwischen Schuldnerschutz und Gläubigerinteressen. Wer eine Verbraucherinsolvenz plant, sollte sich daher rechtzeitig beraten lassen, um realistische Erwartungen zu haben und Fehler im Verfahren zu vermeiden.

FAQ

Welche Schulden bleiben auch nach der Privatinsolvenz bestehen?

Geldstrafen, Bußgelder, Unterhaltsschulden bei vorsätzlicher Pflichtverletzung, Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen, Steuerforderungen aus Steuerhinterziehung und nicht gestundete Verfahrenskosten.

Kann ich Steuerschulden in die Insolvenz einbringen?

Ja, wenn sie nicht auf Steuerbetrug oder vorsätzlicher Steuerhinterziehung beruhen.

Wer entscheidet, ob eine Schuld erlassen wird?

Das Insolvenzgericht prüft die Forderungen im Einzelfall. Bestreiten Gläubiger, dass ihre Forderungen erlassen werden, können sie dies im Verfahren geltend machen.

Wie wichtig ist anwaltliche Hilfe?

Sehr wichtig. Fachanwälte für Insolvenzrecht oder anerkannte Schuldnerberatungsstellen helfen, Fehler zu vermeiden und die Chancen auf Restschuldbefreiung zu sichern.

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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