Arbeitnehmer mit anerkannter Schwerbehinderung fragen sich häufig: Müssen sie wirklich Überstunden und Mehrarbeit machen, wenn der Chef das verlangt? Experten enthüllen, warum hier ein weitverbreiteter Irrtum existiert – und wie Betroffene finanzielle Einbußen vermeiden. Wer mit Schwerbehinderung früher in Rente gehen will, sollte zudem die Sonderregeln und Fallstricke kennen. Der folgende Ratgeber von Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., liefert Klarheit.
Bürger & Geld klärt auf: Rechte, Irrtümer und finanzielle Gefahr
Schwerbehinderte Arbeitnehmer besitzen im deutschen Arbeitsrecht besondere Schutzrechte, um gesundheitliche Überforderung zu vermeiden. Dennoch herrscht Unsicherheit darüber, ab wann Überstunden rechtlich zulässig sind und ob finanzielle Verluste drohen. Der Artikel erklärt mit juristischer Expertise, wann Schwerbehinderte Mehrarbeit leisten müssen, welche Rechte sie haben und welche Irrtümer weitverbreitet sind. Zudem werden finanzielle Aspekte beleuchtet, etwa bei der Altersrente.
Was sagt das Gesetz zur Mehrarbeit?
Schwerbehinderte Arbeitnehmer, offiziell mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50, haben nach § 207 SGB IX einen besonderen Anspruch: Sie dürfen sich auf Wunsch von Mehrarbeit freistellen lassen. Als Mehrarbeit gilt jede Arbeitszeit, die die gesetzliche Grenze von acht Stunden pro Werktag überschreitet – unabhängig von tariflichen oder individuellen Verträgen.
„Die individuell vereinbarte Arbeitszeit spielt keine Rolle“, berichtete das Portal Hopkins.Law.
- Der Arbeitgeber darf Schwerbehinderte daher nicht zu Überstunden und Mehrarbeit zwingen, die über acht Stunden am Tag hinausgehen.
- Wer dieses Recht ausüben will, sollte die Freistellung schriftlich verlangen, eine gesonderte Zustimmung des Chefs ist nicht nötig.
Überstunden im Detail: Unterschiede zwischen Überstunden und Mehrarbeit
Oft wird nicht klar unterschieden: Überstunden bezeichnen allgemein Arbeit, die das übliche Maß überschreitet, sind aber nach § 207 SGB IX nur dann „Mehrarbeit“, wenn sie die 8-Stunden-Grenze sprengen.
- Beispiel: Wird täglich 7,5 Stunden gearbeitet und der Chef verlangt eine zusätzliche halbe Stunde, entsteht noch kein Anspruch auf Freistellung.
- Erst ab der neunten Stunde greift das Sonderrecht für Schwerbehinderte.
Teilzeitbeschäftigte können sich in speziellen Fällen ebenfalls auf eine behinderungsgerechte Verteilung der Arbeitszeit berufen – besonders dann, wenn eine gesundheitliche Überlastung droht.
Irrtümer und Stolperfallen: Warum Missverständnisse bestehen
Viele Betroffene glauben, jede Überstunde sei für sie verboten. Das stimmt so nicht. Entscheidend ist nicht die Überstunden-Definition im Arbeitsvertrag, sondern rein die tägliche Arbeitszeit laut Arbeitsschutzgesetz.
Auch arbeitsvertragliche oder tarifliche Verpflichtungen zu Überstunden werden durch das Gesetz ausgebremst, sofern sie die gesetzliche 8-Stunden-Marke reißen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in mehreren Urteilen bestätigt, berichtete etwa das Fachportal AGSV.
Und was gilt in besonderen Fällen?
Sonderregeln greifen, wenn die Behinderung spezieller Schutz bedarf:
- Wer aus gesundheitlichen Gründen eine bestimmte Arbeitszeit braucht, kann über § 164 SGB IX eine individuelle Regelung verlangen, sofern das für den Arbeitgeber zumutbar ist.
- Eine generelle Befreiung von Nachtarbeit besteht nicht automatisch, aber ebenfalls auf Antrag, wenn die Behinderung es erforderlich macht.
Vorsicht bei der Rente: Frühverrentung und finanzielle Einbußen
Wer Schwerbehindert ist, kann zwei Jahre vor der regulären Altersgrenze abschlagsfrei in Rente gehen, oder mit Abschlägen bis zu fünf Jahre früher. Jeder Monat zählt: Für jeden Monat Frühverrentung werden 0,3 Prozent Rente abgezogen – bei drei Jahren sogar 10,8 Prozent.
Hier lauert eine Gefahr: Wer aus Erschöpfung Überstunden ableistet und „früher aufhören muss“, riskiert erhebliche Rentenkürzungen. Es lohnt sich daher, rechtzeitig das Freistellungsrecht zu nutzen und die Rente sorgfältig zu planen.
| Variante | Frühestmöglicher Beginn | Abschlagsfrei | Monatlicher Abschlag pro Monat |
|---|---|---|---|
| Standardregelaltersrente | Nach Geburtsjahr | Ja | keiner |
| Rente für Schwerbehinderte | 2 Jahre vor Regelalter | Ja | keiner |
| Rente für Schwerbehinderte | Bis zu 5 Jahre früher | Nein | 0,3% pro Monat |
| Beispiel 3 Jahre früher | 36 Monate | Nein | 10,8% insgesamt |
FAQ: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Darf mein Chef Überstunden verlangen?
Nur bis zur 8-Stunden-Grenze pro Tag. Alles darüber hinaus, ist ablehnbar – ohne Angst vor Nachteilen.
Muss das schriftlich erfolgen?
Das Freistellungsverlangen sollte immer schriftlich beim Arbeitgeber eingereicht werden.
Was, wenn ich bereits mehr arbeite?
Rückwirkend ist eine Freistellung meist nicht möglich. Zukünftig kann sie aber sofort greifen.
Sind Teilzeitkräfte auch geschützt?
Solange nicht mehr als acht Stunden pro Tag geleistet werden, besteht kein Anspruch. Bei gesundheitlicher Überforderung gelten Ausnahmen.
Kann ich mit Schwerbehinderung früher in Rente?
Ja, bis zu zwei Jahre (abschlagsfrei) oder sogar fünf Jahre (mit Abschlägen) vor der regulären Grenze.
Fazit: Starke Rechte, klare Grenzen
Arbeitnehmer mit anerkannter Schwerbehinderung müssen keine Mehrarbeit über die gesetzliche Tagesarbeitszeit hinaus leisten – auch nicht, wenn der Chef drängt. Ein häufig verbreiteter Irrtum entsteht durch Unklarheiten über die Begriffe und individuelle Arbeitszeitmodelle. Entscheidend bleibt immer die 8-Stunden-Grenze – wer darüber hinaus arbeitet, kann sich schriftlich befreien lassen. Frühzeitige und korrekte Nutzung dieser Rechte schützt vor finanziellen Verlusten und hält die Tür zur vorzeitigen Rente offen – ohne erhebliche Einschnitte. Wie Experten berichteten, sollten sich Betroffene nicht unter Druck setzen lassen, sondern das Gesetz für sich nutzen.


