In den letzten Jahren vor dem Rentenstart denken viele Menschen darüber nach, früher in Rente zu gehen, um das Arbeitsleben hinter sich zu lassen. Die Möglichkeit, sich zwei Jahre vor Rentenbeginn arbeitslos zu melden und so ohne Abschläge vorzeitig in Rente zu gehen, sorgt regelmäßig für Diskussionen – sowohl rechtlich als auch moralisch.
Voraussetzungen für den frühzeitigen Renteneintritt via Arbeitslosigkeit
Um Arbeitslosengeld zu erhalten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Laut Bundesagentur für Arbeit gilt: „Um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, müssen Sie die sogenannte Anwartschaftszeit erfüllen. Das ist der Fall, wenn Sie in den 30 Monaten vor Ihrer Arbeitslosmeldung und Arbeitslosigkeit in der Arbeitslosenversicherung mindestens 12 Monate pflicht- oder freiwillig versichert waren.“ (Quelle: Bundesagentur für Arbeit)
Um zwei Jahre vor der Rente Arbeitslosengeld (ALG I) zu erhalten, müssen folgende Anforderungen erfüllt sein:
- Sie müssen mindestens 58 Jahre alt sein und in den letzten fünf Jahren mindestens 48 Monate versicherungspflichtig gearbeitet haben. Dann besteht Anspruch auf bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld.
- Als langjährig oder besonders langjährig Versicherte(r) (mindestens 35 bzw. 45 Versicherungsjahre) können Sie je nach Rentenart früher in Rente gehen.
- Arbeitslosengeld wird auch in den letzten zwei Jahren vor der Rente gezahlt – es gibt kein gesetzliches Verbot.
- Ihr Arbeitsplatz darf nicht „selbstverschuldet“ aufgegeben werden: Eigenkündigung oder ein Aufhebungsvertrag führen meist zu einer Sperrzeit (meist 12 Wochen).
Wichtiger Hinweis:
Die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld wird für die Versicherungsjahre bei der abschlagsfreien Rente mit 45 Jahren nicht angerechnet, außer die Arbeitslosigkeit ist durch Insolvenz oder Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers begründet. Für die Rente mit 35 Versicherungsjahren zählt diese Zeit jedoch mit.
Wie setzt sich das Arbeitslosengeld zusammen?
Das Arbeitslosengeld I berechnet sich folgendermaßen:
- Basis ist das durchschnittliche Netto-Gehalt der letzten zwölf Monate.
- Sie erhalten 60% des bereinigten Nettogehalts (Bemessungsentgelt) als Arbeitslosengeld; mit Kind erhöht sich der Satz auf 67%.
- Die Höhe ist durch die Beitragsbemessungsgrenze gedeckelt (2025: 8.050€/Monat bzw. 96.600€/Jahr).
- Die Bundesagentur für Arbeit zahlt weiterhin die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung.
- Die Auszahlung des ALG I erfolgt maximal zwei Jahre ab dem 58. Lebensjahr und bei entsprechender vorheriger Versicherung.
Beispiel:
Wer etwa 3.000€ netto verdient hat, bekommt ohne Kind circa 1.800€ ALG I pro Monat – mit Kind rund 2.010€.
Sperrzeit bei Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag
Wer den Job selbst kündigt oder mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, muss meist mit einer Sperrzeit rechnen:
- Sperrzeit: In der Regel 12 Wochen kein Arbeitslosengeld.
- Die Bezugsdauer verkürzt sich um diese Zeit final, sie wird nicht angehängt.
- Keine Sperrzeit bei anerkannten „wichtigen Gründen“: Mobbing, gesundheitliche Gründe (ärztliches Attest), Pflege Angehöriger, gravierende Vertragsverstöße des Arbeitgebers, bevorstehende betriebliche Kündigung.
- Man muss jede Eigenkündigung gegenüber der Arbeitsagentur rechtfertigen, um die Sperre zu vermeiden.
Vor- und Nachteile
Vorteile
- Früherer Renteneintritt: Bei Erfüllung der Wartezeiten können Sie ohne Abschläge zwei Jahre früher in Rente gehen (besonders langjährig Versicherte).
- Überbrückung: ALG I kann die Lücke zwischen dem Berufsleben und Rentenbeginn ohne große finanzielle Einbußen überbrücken.
- Sozialversicherungen laufen weiter: Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge werden weitergezahlt.
- Entlastung: Die Belastung im Alter und durch evtl. gesundheitliche Einschränkungen kann reduziert werden.
Nachteile
- Moralische Bewertung: Viele empfinden das bewusste „Arbeitslos melden ohne Absicht zur Jobsuche“ als Missbrauch der Solidargemeinschaft.
- Sperrzeit und Kürzung: Wer freiwillig kündigt, reduziert den Anspruch und muss drei Monate selbst finanziell überbrücken.
- Anrechnung: Zeiten von Arbeitslosengeld zählen in den letzten zwei Jahren vor der abschlagsfreien Rente nicht als Wartezeit, außer beim Jobverlust durch Insolvenz/Geschäftsaufgabe.
- Geldverlust: Durch die Sperrzeit geht ein Teil des ALG I verloren, und die monatlichen Einnahmen sind meist niedriger als zuvor.
- Pflicht zur Arbeitssuche: Während des Bezugs von ALG I müssen Sie Bewerbungen nachweisen und sind verpflichtet, zumutbare Jobangebote wahrzunehmen – sonst drohen weitere Sperrzeiten.
Fazit
Das „frühe“ Melden zur Arbeitslosigkeit mit dem Ziel, früher in Rente zu gehen, ist rechtlich möglich, aber nicht immer mit moralischer Zustimmung verbunden. Wer aus gesundheitlichen Gründen oder nach einer echten Unternehmensschließung seinen Job verliert, kann so den Übergang zur Rente sinnvoll gestalten. Wer hingegen ohne wichtigen Grund kündigt und lediglich die Lücke bis zur Rente „überbrücken“ will, muss Sperrzeiten und gesellschaftliche Kritik einkalkulieren. Eine individuelle Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung und der Arbeitsagentur ist unerlässlich für die persönliche Lebensplanung.