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Revolution oder Krise: Was Europa für Deutschlands Rente vormacht

Deutschland diskutiert heftig über die Zukunft seiner gesetzlichen Rente. Der Artikel von „Bürger & Geld“, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., zeigt, wie der demografische Wandel das System unter Druck setzt und welche innovativen und erfolgreichen Alternativen die Nachbarländer anbieten – von Schweden über die Niederlande bis Frankreich. Lesen Sie, welche Wege Europa im Kampf gegen die Rentenkrise beschreitet.

Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland steht vor einer ihrer größten Herausforderungen. Während die Bevölkerung altert und die geburtenstarken Jahrgänge sukzessive in den Ruhestand treten, geraten die Finanzierungsgrundlagen des Systems massiv unter Druck. Immer weniger Erwerbstätige müssen die wachsende Zahl an Rentnerinnen und Rentnern finanzieren – ein Verhältnis, das sich laut Prognosen der Deutschen Rentenversicherung bis 2045 weiter verschlechtern wird: Dann kommen auf 100 Rentenempfänger nur noch rund 174 Beitragszahlende, statt 373 im Jahr 1957 und 220 im Jahr 2023. Doch was tun? Ein Blick über den nationalen Tellerrand zeigt, dass viele europäische Nachbarn erfolgreich neue Wege eingeschlagen haben.

Demografischer Wandel: Kernproblem der Rente

Der demografische Wandel in Deutschland ist geprägt von einer steigenden Lebenserwartung und niedrigen Geburtenraten. Diese veränderte Bevölkerungsstruktur lässt das traditionelle Umlageverfahren – bei dem die aktuell Erwerbstätigen die Renten der Ruheständler finanzieren – an seine Grenzen stoßen. Die Konsequenzen: steigende Beitragssätze, sinkende Rentenniveaus oder ein immer größerer Staatszuschuss zum Rentensystem.

Deutschland reagiert bisher mit Maßnahmen wie der schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters und einer verstärkten Förderung der privaten Vorsorge. Doch reichen diese Schritte? Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern legt nahe: Es gibt robustere Modelle.

Das schwedische Modell: Mehr Aktien, mehr Chancen

Schweden gilt international als Vorreiter eines nachhaltigen Rentensystems. Dort zahlt jeder Arbeitnehmer 16% des Bruttoeinkommens in die umlagefinanzierte Rentenkasse und verpflichtend weitere 2,5% in sogenannte Prämienfonds – also an den Aktienmärkten investierte Kapitalanlagen.

Linktipp: Altersvorsorge im internationalen Vergleich – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)

Wer will, kann zwischen über 800 Fonds wählen oder den gut geführten Staatsfonds AP7 nutzen, der in den vergangenen Jahren mit attraktiven Renditen glänzen konnte. Neben der individuellen Wahlfreiheit sorgt das schwedische Modell so für eine breite Streuung, Inflationsresistenz und entlastet das übrige System, gerade in Zeiten, in denen die klassischen Umlageverfahren ins Wanken geraten.

Allerdings birgt das System auch Risiken, wie beispielsweise in Phasen starker Kursverluste oder vorübergehenden Rentenkürzungen, die in Ausnahmejahren tatsächlich vorkamen. Langfristig allerdings spricht vieles für Schwedens Ansatz, der Partizipation breiter Bevölkerungsschichten am wirtschaftlichen Wachstum ermöglicht.

Niederlande: Solidarität, Pflicht und Betriebe im Zentrum

Das niederländische Rentensystem ruht auf drei Säulen: Einer steuerfinanzierten Grundrente (AOW), die alle mit Wohnsitz in den Niederlanden erhalten. Darüber hinaus existiert eine fast flächendeckende Pflicht zur betrieblichen Altersvorsorge, die durch kollektive Tarifverträge abgedeckt wird und meist das Niveau von 70% des früheren Einkommens garantiert. Die Betriebsrente ist kapitalgedeckt, die Beiträge werden überwiegend von den Arbeitgebern getragen, und die Verwaltung durch moderne, kostengünstige Pensionskassen gewährleistet eine hohe Stabilität und breite Streuung der Anlage.

Die niederländische Lösung erreicht europaweit eine der höchsten Ersatzquoten – also das Verhältnis von Rente zum letzten Erwerbseinkommen – und trägt damit maßgeblich zur Vermeidung von Altersarmut bei. Auch hier ist Flexibilität im System vorgesehen: Bei finanziellen Engpässen können Renten vorübergehend gekürzt werden, das System bleibt dennoch solide und innovationsfreudig.

Frankreich: Solidarisches Umlageverfahren mit aktuellen Reformen

Frankreich setzt nach wie vor stark auf ein solidarisches Umlageverfahren. Das System unterscheidet sich jedoch durch die Vielzahl an getrennten Rentenversicherungen für unterschiedliche Berufe und Sektoren. Mit der Rentenreform 2023 wurde das Mindestalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre angehoben und die Zahl der notwendigen Beitragsjahre erhöht. Zusätzlich sorgt die Anhebung der Mindestrente auf 1.200 Euro für bessere soziale Absicherung. Die Berechnung basiert auf dem Durchschnitt der besten 25 Erwerbsjahre, was Beschäftigte mit abwechslungsreichen Erwerbsbiografien entgegenkommt.

Fazit: Europa bietet Deutschlands Rente Orientierung

Der Blick nach Europa beweist: Die zunehmenden Belastungen durch den demografischen Wandel sind nicht nur ein deutsches Problem, aber innovative Lösungen sind möglich. Mischmodelle aus Umlage und Kapitaldeckung, verpflichtende betriebliche Vorsorge, flexible Renteneintrittsalter und attraktive Grundsicherungen haben in mehreren Ländern Erfolg.

Der Verein Für soziales Leben e.V. empfiehlt daher, sich konstruktiv an internationalen Vorbildern zu orientieren und sinnvolle Elemente zu adaptieren. Nur mit einer mutigen, breit aufgestellten Reform bleibt die deutsche Rente nachhaltig finanzierbar und sozial gerecht.

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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