Wenn der Partner gut verdient, geht die eigene Grundrente leer aus – und das soll verfassungsgemäß sein: Mit diesem Paukenschlag hat das Bundessozialgericht am 27. November 2025 eine der emotionalsten Fragen der Altersvorsorge entschieden. Für viele Ehepaare fühlt sich das wie eine Bestrafung fürs „Ja-Wort“ an, während unverheiratete Paare außen vor bleiben – politisch brisant, sozial explosiv und für hunderttausende Rentnerinnen und Rentner finanziell spürbar. Alle Hintergründe, Rechenbeispiele und rechtlichen Folgen – kompakt und verständlich aufbereitet – finden sich hier auf „Bürger & Geld“, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V..
Was das BSG konkret entschieden hat
Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat die Anrechnung des Ehegatteneinkommens beim Grundrentenzuschlag ausdrücklich gebilligt. Die Ungleichbehandlung gegenüber nicht verheirateten Paaren verstoße nach Auffassung der Richter weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen den besonderen Schutz der Ehe im Grundgesetz.
Im Streitfall ging es um eine Rentnerin, der ohne Anrechnung ein Zuschlag von rund 37 Euro monatlich zugestanden hätte. Weil das zu versteuernde Einkommen des Ehemanns die maßgebliche Grenze überschritt, fiel der gesamte Grundrentenzuschlag weg – diese Praxis bestätigte das BSG nun als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage: § 97a Abs. 1 SGB VI im Fokus
Juristischer Dreh- und Angelpunkt ist § 97a Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Dort ist geregelt, dass auf den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung das Einkommen des Berechtigten und des Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners anzurechnen ist.
Für Partner in nichtehelichen Lebensgemeinschaften gilt diese Pflicht zur Einkommensanrechnung dagegen nicht. Genau diese Differenz hatte der Kläger – beziehungsweise im jetzt entschiedenen Verfahren die Klägerin – als verfassungswidrige Schlechterstellung von Ehepaaren gerügt.
Warum Ehepaare anders behandelt werden dürfen
Die Richter verwiesen darauf, dass Ehegatten rechtlich eine „dauerhafte Wirtschaftsgemeinschaft“ mit gegenseitiger Unterhaltspflicht bilden. Ehepartner seien über Unterhaltsansprüche und Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung strukturell besser abgesichert als unverheiratete Paare.
Die Ungleichbehandlung bei der Grundrente sei daher vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Hinzu komme ein praktisches Argument: Ein „vollautomatischer und unbürokratischer“ Datenabgleich der Finanzverwaltung sei derzeit nur bei Ehepaaren möglich – nicht bei unverheirateten Lebensgemeinschaften.
Wie die Einkommensanrechnung bei der Grundrente funktioniert
Der Grundrentenzuschlag wird nicht isoliert, sondern auf Basis des steuerlich erfassten Haushaltseinkommens berechnet. Angerechnet wird insbesondere das zu versteuernde Einkommen, wobei bestimmte Freibeträge und Teilanrechnungsquoten gelten.
- Für Alleinstehende liegt der relevante Grenzwert bei rund 1.839 Euro monatlich.
- Übersteigt das Einkommen diese Grenze, werden Anteile – typischerweise 60 Prozent des übersteigenden Betrags – auf den Zuschlag angerechnet.
Bei Ehepaaren werden die Einkommen gemeinsam betrachtet, was dazu führen kann, dass der Zuschlag vollständig entfällt, obwohl die rentenberechtigte Person alleine anspruchsberechtigt wäre.
Ehe vs. nichteheliche Lebensgemeinschaft: Wer wie behandelt wird
Die Grundrente unterscheidet bewusst zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren. Diese Differenzierung ist der Kern der politischen und verfassungsrechtlichen Diskussion.
Unterschiedliche Behandlung beim Grundrentenzuschlag
| Konstellation | Anrechnung Partnereinkommen? | Datengrundlage | Rechtliche Begründung laut Fachkommentaren und Gerichten |
|---|---|---|---|
| Verheiratete / eingetragene Lebenspartner | Ja, Einkommen wird angerechnet | Gemeinsame oder Einzelveranlagung, Finanzamt | Wirtschaftseinheit, Unterhaltspflicht, bessere Gesamtabsicherung |
| Nichteheliche Lebensgemeinschaft | Nein, keine Anrechnung | Kein automatischer Datenaustausch | Gesetzgeber nimmt bewusst keine Erfassung vor |
| Alleinstehende | Nur eigenes Einkommen | Steuerbescheid der berechtigten Person | Zielgenaue Förderung langjährig Versicherter |
Stimmen aus Politik und Fachwelt
Sozialrechtliche Fachportale sprechen von einem „grundlegenden Leitentscheid“ zur Architektur der Grundrente. Die Entscheidung dürfte künftige Klagen zu ähnlichen Konstellationen erheblich erschweren und der Deutschen Rentenversicherung Rechtssicherheit verschaffen.
Finanz- und Sozialexperten weisen zugleich darauf hin, dass das Urteil politisch nicht bindend ist. Der Gesetzgeber könne die Regeln zur Einkommensanrechnung jederzeit neu justieren – etwa, indem Partnerschaften außerhalb der Ehe künftig stärker erfasst werden.
Wer die Grundrente jetzt besonders im Blick haben sollte
Von der Entscheidung betroffen sind alle Bestands- und Neurentner mit Anspruch auf Grundrentenzuschlag und verheiratetem Partner. Besonders relevant ist das Urteil für Haushalte, in denen ein Partner deutlich mehr verdient oder zusätzliche Einkünfte aus Vermietung oder Kapitalanlagen bezieht.
- Rentnerinnen mit lückenloser Erwerbsbiografie in Teilzeitberufen.
- Ehepaare, bei denen ein Partner im Ruhestand ist und der andere noch Erwerbseinkommen erzielt.
Für nichteheliche Lebensgemeinschaften ändert sich zunächst nichts – hier wird das Partnereinkommen weiterhin nicht angerechnet.
Beispielrechnung: Wenn der Zuschlag plötzlich weg ist
Eine Rentnerin hat rechnerisch Anspruch auf einen Grundrentenzuschlag von 40 Euro monatlich. Ihr eigenes zu versteuerndes Einkommen liegt knapp unterhalb der Einzel-Grenze, der Ehemann erzielt jedoch ein Einkommen, das den gemeinsamen Schwellenwert deutlich übersteigt.
Nach § 97a Abs. 1 SGB VI wird das gemeinsame zu versteuernde Einkommen herangezogen, wodurch der anrechenbare Betrag den Zuschlag vollständig aufzehrt. Lebten beide in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, würde der Zuschlag in diesem Fall voraussichtlich ungekürzt fließen.
Kritik: „Belohnung fürs Nicht-Heiraten“?
Sozialverbände und Ökonomen hatten bereits im Gesetzgebungsverfahren vor einer „verkehrten Anreizstruktur“ gewarnt. Wer verheiratet ist, muss das Einkommen des Partners offenlegen und Einkommenseinbußen beim Zuschlag hinnehmen, während unverheiratete Paare geschont werden.
Einige Gutachten bezeichneten dies als verfassungsrechtlich problematisch, weil der Schutz der Ehe nach Art. 6 Grundgesetz beeinträchtigt sein könne. Nun hat das Bundessozialgericht dieser verfassungsrechtlichen Kritik eine deutliche Absage erteilt.
Warum das BSG trotzdem keine Verfassungswidrigkeit sieht
Das Gericht argumentiert unter anderem mit einer „Gesamtbetrachtung“ aller rentenrechtlichen Vorteile der Ehe. So seien Ehegatten etwa durch Witwenrenten sowie durch klare Unterhaltsansprüche besser gestellt als Partner ohne Trauschein.
Zudem verfolge der Gesetzgeber mit der Grundrente ein eng umrissenes Ziel: die Anerkennung von Lebensarbeitsleistung bei langjährig Versicherten. Die technische Umsetzung über automatisierte Datenabgleiche rechtfertige es, nur auf die bei der Steuer erfassten Ehe- und Lebenspartnerschaften abzustellen.
Was Betroffene jetzt praktisch tun sollten
Rentnerinnen und Rentner in Ehe oder eingetragener Lebenspartnerschaft sollten ihre Steuerbescheide und Rentenmitteilungen sorgfältig prüfen. Änderungen beim Einkommen – etwa durch Nebenjobs, Mieteinnahmen oder Kapitalerträge – können den Grundrentenzuschlag nachträglich schmälern oder ganz entfallen lassen.
Empfehlenswert ist eine frühzeitige Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung oder fachkundigen Sozialberatungsstellen. Wer eine Benachteiligung vermutet, sollte dennoch Fristen für Widerspruch und Überprüfung der Bescheide beachten – auch wenn die Erfolgsaussichten nach dem BSG-Urteil deutlich gesunken sind.
Einordnung für das Portal „Bürger & Geld“
Für das Nachrichtenmagazin „Bürger & Geld“ steht im Mittelpunkt, wie sich soziale Gerechtigkeit und rechtliche Klarheit verbinden lassen. Das Urteil zeigt, dass formale Gleichbehandlung und gefühlte Fairness gerade bei der Rente weit auseinanderliegen können.
FAQ zum BSG-Urteil und § 97a SGB VI
Gilt die Einkommensanrechnung jetzt für alle Ehepaare?
Ja. Die Entscheidung bestätigt die generelle Anrechnung des Ehegatteneinkommens beim Grundrentenzuschlag nach § 97a Abs. 1 SGB VI.
Sind nichteheliche Lebensgemeinschaften betroffen?
Nein. Für Partner ohne Trauschein wird das Einkommen weiterhin nicht automatisch erfasst und nicht auf die Grundrente angerechnet.
Kann das Bundesverfassungsgericht die Regelung noch kippen?
Theoretisch ist eine verfassungsgerichtliche Überprüfung möglich, wenn entsprechende Verfahren anhängig werden. Das BSG hat aber keine Vorlagepflicht gesehen und die Norm als verfassungsgemäß behandelt.
Lohnt sich ein Widerspruch gegen Bescheide zur Grundrente noch?
Ein Widerspruch ist weiterhin rechtlich zulässig, die Argumentation über eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ist jedoch deutlich geschwächt. Erfolgsaussichten hängen stark vom Einzelfall und möglichen Berechnungsfehlern ab.
Was, wenn sich das Einkommen des Ehepartners ändert?
Änderungen beim relevanten Einkommen müssen der Rentenversicherung mitgeteilt werden; sie können zu einer Neuberechnung des Zuschlags führen. Unterbleibt die Mitteilung, gilt bestimmtes Einkommen als nicht erzielt – mit möglichen späteren Korrekturen.
Fazit: Rechtlich geklärt, politisch hochexplosiv
Mit seinem Urteil vom 27. November 2025 zieht das Bundessozialgericht eine klare Linie: Die Anrechnung des Ehegatteneinkommens beim Grundrentenzuschlag ist verfassungsgemäß – auch wenn unverheiratete Paare besser wegkommen. Für hunderttausende Ehepaare bedeutet das finanzielle Planungssicherheit, aber auch die bittere Gewissheit, dass ein gut verdienender Partner die eigene Grundrente komplett auffressen kann.
Ob der Gesetzgeber diese Ungleichbehandlung aufgreift oder die politische Debatte über „gerechte Rente“ weiter anheizt, bleibt eine Frage der nächsten Reformrunden. Klar ist: Wer verheiratet ist und auf die Grundrente hofft, muss die Einkommenssituation des Partners künftig noch genauer im Blick behalten.

