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Unfallrente kürzt Altersrente: Einkommen vor dem Unfall als Schlüsselfaktor

Ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen hat die Bedeutung der Unfallrente für die spätere Altersrente neu geregelt: Überschreitet die Summe beider Renten einen gesetzlich festgelegten Grenzbetrag, wird die Altersrente gekürzt – entscheidend ist das Einkommen vor dem Unfall. Mehr dazu, was Betroffene beachten müssen, erfahren Sie im Nachrichtenmagazin „Bürger & Geld“ des Vereins Für soziales Leben e. V.

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Viele Rentnerinnen und Rentner leben mit den Folgen eines Arbeitsunfalls und erhalten neben der Altersrente zusätzlich eine Unfallrente. Doch wie werden beide Renten angerechnet? Mit dem Urteil vom 5. September 2024 (Az. L 12 R 37/24) bringt das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Klarheit: Überschreitet die Summe aus Unfallrente und Altersrente einen Grenzbetrag, muss die gesetzliche Rentenversicherung die Altersrente kürzen – ausschlaggebend hierfür ist das Einkommen vor dem Unfall.

Dieses Urteil betrifft zahlreiche Menschen, die nach einem Arbeitsunfall schwerbehindert und auf eine doppelte Absicherung angewiesen sind. Der folgende Artikel erläutert, was das Urteil für Betroffene bedeutet, wie der Grenzbetrag berechnet wird und welche Schritte jetzt wichtig sind.

Hintergrund: Warum kommt es zur Anrechnung?

Die Unfallrente ist eine Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung und wird dann gezahlt, wenn ein Versicherter durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit erleidet. Gleichzeitig erwerben viele Betroffene Ansprüche auf eine Altersrente, oft für schwerbehinderte Menschen.

Das deutsche Sozialrecht sieht jedoch vor, dass niemand aus zwei Sozialleistungs-Systemen für dieselbe Erwerbsminderung unbeschränkt profitieren darf. Kommt es also zu einer Überschneidung von Unfallrente und Altersrente, prüft die Rentenversicherung, ob ein Grenzbetrag überschritten wird. Für Betroffene bedeutet dies: Wird der Grenzbetrag überschritten, wird die Altersrente gekürzt.

Sachverhalt

Der Kläger, geboren 1952, erlitt 1970 während seiner Ausbildung zum Flugzeugbauer einen Wegeunfall. Er schloss die Ausbildung ab, absolvierte anschließend Fachoberschule und Ingenieursstudium und arbeitete bis 2013 als Ingenieur. Nach dem Unfall erhielt er zunächst kurzzeitig eine vorläufige Verletztenrente, die jedoch wieder entzogen wurde, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht ausreichend war. Erst 1991 bewilligte ihm die Unfallversicherung rückwirkend ab 1989 eine Verletztenrente auf Basis einer MdE von 30 % und eines zum Unfallzeitpunkt typischen Jahresarbeitsverdienstes.

Ab 2013 bezog der Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen; die Rentenversicherung rechnete die Verletztenrente auf die Altersrente an, da die Summe beider Renten den zulässigen Grenzbetrag überschritt. Geklagt wurde mehrfach gegen diese Anrechnung, insbesondere wurde argumentiert, für die Berechnung müsse das spätere Ingenieursgehalt herangezogen werden. Nach Ansicht der Gerichte ist jedoch gesetzlich klar geregelt: Maßgeblich bleibt das Einkommen in den zwölf Monaten vor dem Unfall, das zur Grenzbetragsberechnung herangezogen und dynamisiert wird. Die Klagen des Klägers gegen diese Praxis blieben ohne Erfolg.

Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen

Am 5. September 2024 entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Az. L 12 R 37/24): Die gesetzliche Rentenversicherung muss eine Unfallrente auf die Altersrente anrechnen, sobald die Summe beider Renten einen gesetzlich bestimmten Grenzbetrag überschreitet. Für die Berechnung dieser Grenze liegt das frühere Einkommen des Versicherten (vor dem Unfall) zugrunde.

Dieses Urteil schafft Rechtssicherheit für Betroffene: Die gesetzliche Rentenversicherung kann nun nicht mehr frei wählen, welchen Betrag sie ansetzt, sondern muss den Grenzbetrag nach klaren Kriterien ermitteln.

Das bedeutet das Urteil im Alltag:

  • Nur wenn die Summe beider Renten den Grenzbetrag überschreitet, erfolgt eine Kürzung der Altersrente.
  • Die Höhe des Grenzbetrags orientiert sich am letzten maßgeblichen Einkommen vor dem Unfall.
  • Wer vor dem Unfall besonders gut verdient hat, kann von einem höheren Grenzbetrag profitieren.

Wie wird der Grenzbetrag berechnet?

Für die Berechnung des Grenzbetrages ist § 93 SGB VI maßgeblich. Demnach entspricht der Grenzbetrag dem sogenannten Nettoarbeitsentgelt, das der Versicherte vor Eintritt des Versicherungsfalls erzielt hat. Dabei gibt es genaue sozialversicherungsrechtliche Vorschriften, wie dieses Entgelt zu bestimmen ist.

Beispiel:

  • Letztes monatliches Bruttoeinkommen vor dem Unfall: 3.000 €
  • Pauschalabzug für Sozialversicherungsbeiträge: 20%
  • Grenzbetrag: 3.000 € – 600 € = 2.400 €

Erhalten Sie nach Renteneintritt z. B. eine Altersrente von 1.700 € und eine Unfallrente von 900 €, addieren sich diese zu 2.600 €. Übersteigt dieser Gesamtbetrag den Grenzbetrag von 2.400 €, wird die Altersrente um den Differenzbetrag (200 €) gekürzt.

BeispielrechnungWert
Letztes Bruttoeinkommen3.000 €
Pauschalabzüge (20%)-600 €
Grenzbetrag2.400 €
Altersrente1.700 €
Unfallrente900 €
Summe der Renten2.600 €
Kürzung der Altersrente200 €

Wer ist vom Urteil betroffen?

Betroffen sind insbesondere Menschen, die sowohl Anspruch auf eine gesetzliche Altersrente (z. B. für schwerbehinderte Menschen) als auch auf eine Unfallrente haben. Dies betrifft viele Personen mit:

  • Arbeitsunfällen und bleibender Erwerbsminderung
  • Berufskrankheiten mit dauerhaften gesundheitlichen Folgen
  • einem vorzeitigen Renteneintritt aufgrund von Schwerbehinderung

Das Urteil stellt sicher, dass die Anrechnung transparent und nachvollziehbar erfolgt.

Was sollten Betroffene jetzt tun?

  • Rentenbescheid prüfen: Lassen Sie überprüfen, ob die Rentenversicherung den Grenzbetrag korrekt berechnet hat.
  • Unterlagen parat halten: Halten Sie Nachweise zu Ihrem Einkommen vor dem Unfall bereit.
  • Beratung suchen: Lassen Sie sich bei Unsicherheiten von einem Sozialverband, Ihrer Gewerkschaft oder einem spezialisierten Anwalt beraten.
  • Widerspruch einlegen: Stimmen Sie einer Kürzung nicht zu, können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids Widerspruch einlegen.

FAQ: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Warum wird meine Altersrente wegen der Unfallrente gekürzt?

Damit Sozialleistungen nicht doppelt für dieselbe Erwerbsminderung gezahlt werden, sieht das Gesetz diese Anrechnung vor.

Welches Einkommen ist entscheidend?

Maßgeblich ist das letzte Arbeitseinkommen, das vor dem Unfall erzielt wurde.

Kann ich gegen die Rentenkürzung vorgehen?

Ja, Sie können Widerspruch gegen Ihren Rentenbescheid einlegen, wenn Sie Zweifel an der Berechnung haben.

Gilt das Urteil bundesweit?

Das Urteil ist für Niedersachsen und Bremen direkt bindend, setzt aber einen wichtigen Rechtsimpuls für ganz Deutschland.

Beeinflusst die Höhe der Unfallrente meine Krankenversicherung?

Die Anrechnung betrifft nur die Rentenzahlungen, nicht die Beiträge zur Krankenversicherung.

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Redakteure

  • Peter Kosick

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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