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Kinder haften für (Bürgergeld-)Eltern nach dem Tod? Interessantes Urteil!

Viele ahnen nicht, dass Erben für zu viel gezahltes Bürgergeld haften können, selbst wenn das Geld für die Beerdigung oder Schulden draufging. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt urteilt klar: Wer erbt, trägt die Verantwortung – mit allen finanziellen Folgen! Erfahre jetzt aug Buerger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., wie Kinder betroffen sind und worauf du achten solltest, wenn das Jobcenter nach dem Todesfall Geld zurückfordert.

Wer als Erbe eines Elternteils gilt, der Bürgergeld bezog, stößt nach dem Todesfall oft auf die Frage: Haften Kinder oder andere Erben für Überzahlungen des Jobcenters? Das aktuelle Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Az. L 5 AS 514/22) bringt wichtige Klarheit und beantwortet die Frage, ob und wann Erben für zu viel gezahltes Bürgergeld aufkommen müssen.

Hintergrund: Bürgergeld und Erben – Was passiert nach dem Tod?

Nach dem Tod eines Leistungsberechtigten endet der Anspruch auf Bürgergeld mit Ablauf des Sterbemonats. Dennoch kann es passieren, dass das Jobcenter weiterhin Leistungen überweist – oft, weil Prozesse oder Daueraufträge nicht rechtzeitig gestoppt wurden. Die kritische Frage lautet: Wer muss zu Unrecht gezahltes Bürgergeld zurückzahlen, wenn Vater oder Mutter verstorben sind?

Die häufige Annahme vieler: „Wenn das Geld nach dem Tod auf dem Konto war und z.B. für Miete oder Beerdigungskosten genutzt wurde, sind die Kinder doch nicht haftbar?“ Die Rechtslage sieht jedoch anders aus.

Der Fall: Bürgergeld-Überzahlung nach Todesfall

Im vorliegenden Urteil hatte das Jobcenter nach dem Tod eines Leistungsempfängers weiterhin Bürgergeld auf dessen Konto überwiesen – konkret für zwei Monate (März und April 2016), obwohl der Leistungsberechtigte bereits im Februar verstorben war. Der Sohn, alleinerbender Kläger, nutzte das Geld für laufende Verpflichtungen und Beerdigungskosten. Das Jobcenter verlangte die Rückzahlung von 1.468 €.

Der Erbe argumentierte:

  • Er habe erst spät von den Zahlungen erfahren.
  • Die Kontobewegungen dienten dem Ausgleich von Verbindlichkeiten und Beerdigungskosten.
  • Es sei kein Nachlass mehr vorhanden; daher könne keine Rückerstattung erfolgen.

Die Entscheidung: Erben haften für Überzahlungen

Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt entschied eindeutig:
Erben sind für Bürgergeld-Überzahlungen nach dem Tod des Leistungsberechtigten rückerstattungspflichtig – unabhängig davon, ob sie persönlich bereichert wurden oder das Geld für Verpflichtungen ausgegeben haben.

Die zentralen Gründe des Gerichts:

  • Rechtsgrundlage ist § 50 Abs. 2 SGB X: Leistungen, die nach dem Tod ohne Verwaltungsakt erbracht wurden, sind vom Erben zu erstatten.
  • Der Erbe tritt mit Annahme des Erbes in die Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein (§ 1922 BGB).
  • Es reicht aus, dass das Geld nach dem Tod auf dem Konto des Verstorbenen war und vom Erben verfügbar gemacht wurde.
  • Ein Einwand der Entreicherung (z.B. Beerdigungskosten, Mietzahlungen) greift nicht: Die Erstattungspflicht besteht trotzdem, selbst wenn das Geld bereits ausgegeben ist.
  • Ein Vertrauensschutz besteht nur, wenn der Erbe keine Kenntnis von der fehlerhaften Zahlung hatte. Im vorliegenden Fall wurde der Todesfall dem Jobcenter aber verspätet angezeigt und die fehlerhaften Überweisungen waren nach Konto-Einsicht erkennbar.

Keine Ermessensentscheidung durch das Jobcenter nötig

Das Urteil stellt klar: Das Jobcenter muss beim Erlass des Erstattungsbescheids kein Ermessen ausüben, sondern ist aufgrund der rechtlichen Sonderregelungen verpflichtet, das Geld zurückzufordern. Es genügt, dass die Zahlung unrechtmäßig erfolgte und der Erbe als Nachfolger Zugriff darauf hatte.

Auswirkungen für Kinder und andere Erben

  • Kinder haften nach dem Tod für zu viel ausgezahltes Bürgergeld ihrer Eltern – sofern sie das Erbe antreten.
  • Die Rückforderung des Jobcenters betrifft nicht nur den Nachlass, sondern auch Zahlungen, die dem Konto des Verstorbenen nach dem Tod gutgeschrieben wurden.
  • Wer das Erbe annimmt, übernimmt also alle finanziellen Pflichten, auch gegenüber öffentlichen Leistungsträgern.
  • Ein Schutz besteht nur, wenn das Erbe ausgeschlagen wird und der Erbe keine Verfügungsmacht hatte.

Praktische Tipps für Erben von Bürgergeld-Empfängern

  • Prüfe sofort nach einem Todesfall Kontobewegungen und benachrichtige das Jobcenter umgehend.
  • Erbe nicht übereilt antreten! Erst rechtliche und finanzielle Folgen wie mögliche Rückforderungen prüfen.
  • Eine Ausschlagung des Erbes ist möglich und schützt vor Haftung – dies muss fristgerecht beim Nachlassgericht erfolgen.
  • Bei Rückforderungen durch das Jobcenter kann Beratung bei einem Fachanwalt für Sozialrecht sinnvoll sein.

Fazit: Bürgergeld und Erben – Vorsicht vor finanziellen Fallstricken!

Das Urteil zeigt: Das Erben von Bürgergeld-Empfängern ist mit Risiken verbunden – Jobcenter können Überzahlungen zurückfordern, selbst wenn das Geld bereits für Beerdigung oder Verbindlichkeiten ausgegeben wurde. Wer nach dem Tod eines Elternteils als Erbe eingetragen ist, sollte sich frühzeitig beraten lassen und keine voreiligen Kontoverfügungen vornehmen.

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte

  • Erben haften für zu viel gezahltes Bürgergeld nach Todesfall.
  • Rückforderung greift auch bei Verwendung des Geldes für laufende Ausgaben oder Beerdigungskosten.
  • Jobcenter muss kein Ermessen ausüben – Rückforderung erfolgt nach klaren gesetzlichen Regeln.
  • Ausschlagung des Erbes bietet Schutz vor Haftung.

Quelle

Urteil L 5 AS 514/22 des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt – sozialgerichtsbarkeit

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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