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Der Schock nach der Krankschreibung: Wenn Arbeitsunfähigkeit und Jobverlust zusammenfallen

Wenn der Arbeitsvertrag ausläuft und gleichzeitig die Gesundheit versagt, wird aus Krankheit schnell ein existenzieller Schock. Zwischen Kündigung in der Probezeit, Krankengeld, Bürgergeld und drohendem Einkommensverlust entscheidet oft jede Frist – und jede falsche Angabe.

Das Telefon klingelt, der Puls rast: Während noch jeder Schritt zur Arbeitstür unmöglich erscheint, liegt plötzlich die Kündigung im Briefkasten – mitten in der Krankschreibung, oft sogar noch in der Probezeit. Für viele Betroffene ist das der Moment, in dem nicht nur der Körper streikt, sondern auch das Sicherheitsnetz aus Gehalt, Krankengeld und Arbeitslosengeld zu reißen droht. Auf einmal steht die Frage im Raum: Wer zahlt morgen die Miete, wer fängt mich auf, wenn der Arbeitsvertrag ausläuft, während das Attest weiter gilt? Alle wichtigen Informationen, Hintergründe und Handlungstipps finden sich hier auf „Bürger & Geld“, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V..

Wenn Krankheit und Kündigung zusammenfallen

Arbeitsunfähigkeit kann Beschäftigte zu jedem Zeitpunkt treffen – auch kurz vor Vertragsende oder mitten in der Probezeit. Arbeitgeber dürfen rechtlich sogar während einer bestehenden Krankschreibung kündigen, solange sie die gesetzlichen Fristen und Schutzvorschriften einhalten. Für Betroffene fühlt sich das oft wie ein Kontrollverlust an, weil mehrere Sicherungssysteme gleichzeitig auf dem Prüfstand stehen.​

Gleichzeitig greifen verschiedene Sozialversicherungsleistungen ineinander: Lohnfortzahlung, Krankengeld, Arbeitslosengeld I, Nahtlosigkeits-ALG und im Notfall Bürgergeld. Wer seine Ansprüche kennt, kann finanzielle Brüche zumindest abfedern und Fristen strategisch nutzen.​

Entgeltfortzahlung und Krankengeld: Was bleibt, wenn der Job endet?

In den ersten sechs Wochen der Krankheit zahlt in der Regel der Arbeitgeber den Lohn weiter, sofern zuvor eine gewisse Zeit gearbeitet wurde. Der Anspruch endet mit Ablauf der sechs Wochen oder mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses – je nachdem, was zuerst eintritt.​

Danach kann Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse fließen, wenn ein entsprechendes Versicherungsverhältnis besteht und die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt ist. Der Anspruch entsteht auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar nach Ende des Arbeitsverhältnisses beginnt – entscheidend ist der nahtlose zeitliche Anschluss.​

Arbeitsunfähig und arbeitslos: ALG I und Nahtlosigkeitsregelung

Wer während der Beschäftigung versicherungspflichtig war und die Anwartschaft erfüllt, hat grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosengeld I, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Eine bestehende oder fortdauernde Arbeitsunfähigkeit schließt den Bezug von ALG I nicht automatisch aus, wenn die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung erfüllt sind.​

Die Nahtlosigkeitsregelung nach § 145 SGB III soll verhindern, dass Langzeiterkrankte ohne Einkommen dastehen, wenn Krankengeld endet und über die Erwerbsminderung noch nicht entschieden ist. Sozialrechtsexperten wie der Sozialverband VdK betonen, dass Betroffene sich frühzeitig bei der Agentur für Arbeit melden und ihre gesundheitlichen Einschränkungen dokumentieren sollten.​

Kündigung in der Probezeit: Besonders verletzlich, aber nicht rechtlos

In der Probezeit kann der Arbeitgeber mit verkürzter Frist kündigen, oft ohne Begründung. Auch eine bestehende Krankschreibung schützt in dieser Phase nicht generell vor einer Kündigung, wie etwa Arbeitsrechtsportale und Gewerkschaften berichten.​

Gleichzeitig bleiben Ansprüche auf Entgeltfortzahlung und anschließend Krankengeld bestehen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind und die Arbeitsunfähigkeit ordnungsgemäß bescheinigt wurde. Wichtig sind lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und eine frühzeitige Arbeitssuchendmeldung, um den Übergang ins Arbeitslosengeld I nicht zu gefährden.​

Psychische Belastung: Wenn Unsicherheit den Heilungsprozess bremst

Die Kombination aus Krankheit, Jobverlust und bürokratischem Druck erhöht laut vielen Beratungsstellen das Risiko psychischer Folgeerkrankungen. Betroffene berichten, dass die Sorge vor Mietrückständen, Jobcenter-Terminen und Gutachten oft stärker wiegt als die ursprüngliche Erkrankung.​

Sozialverbände wie der VdK oder Wohlfahrtsverbände weisen darauf hin, dass schnelle Beratung und Klarheit über Ansprüche ein wichtiger Schutzfaktor sind. Wer früh Unterstützung sucht – etwa bei Sozialberatungsstellen, Gewerkschaften oder spezialisierten Anwältinnen und Anwälten –, kann die eigenen Rechte strukturierter durchsetzen.​

So greifen Krankengeld, ALG I, Nahtlosigkeit und Bürgergeld ineinander

Die folgenden Leistungen kommen typischerweise nacheinander oder ergänzend in Betracht, wenn eine Arbeitsunfähigkeit länger andauert und der Arbeitsplatz wegfällt.​

LeistungWer ist zuständig?Typische Dauer / GrenzeZentrale Voraussetzung
EntgeltfortzahlungArbeitgeberMax. 6 Wochen pro Krankheitsfall​Bestehendes Arbeitsverhältnis, AU-Nachweis​
KrankengeldGesetzliche KrankenkasseMeist bis zu 78 Wochen je Krankheit​Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch, AU​
ALG I (allgemein)Agentur für ArbeitJe nach Versicherungszeit, meist 6–12 Monate​Anwartschaftszeit, Arbeitssuchendmeldung​
ALG I „Nahtlosigkeit“Agentur für ArbeitBis Anschlussleistung (z. B. EM-Rente)​Dauerhafte Einschränkung, § 145 SGB III​
Bürgergeld (SGB II)JobcenterGrundsicherung ohne Befristung​Hilfebedürftigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt

Typische Fallkonstellationen aus der Praxis

Arbeitsrechtskanzleien schildern häufig Fälle, in denen Beschäftigte kurz vor Vertragsende erkranken und sich erst spät um ihre Ansprüche kümmern. Dann drohen Lücken, weil Arbeitsunfähigkeit nicht rechtzeitig festgestellt oder Meldungen bei Agentur für Arbeit und Krankenkasse versäumt wurden.​

Auch die sogenannte „Aussteuerung“ nach maximalem Krankengeldbezug ist ein kritischer Punkt. Hier empfiehlt etwa der Sozialverband VdK, frühzeitig einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen und parallel die Nahtlosigkeitsregelung bei der Agentur für Arbeit zu nutzen.​

Rechte bei Kündigung während Krankheit

Juristische Ratgeber betonen, dass eine Kündigung während Krankheit zwar zulässig ist, aber strenge Voraussetzungen gelten, etwa bei krankheitsbedingter Kündigung mit Sozialauswahl und Interessenabwägung. Wird der allgemeine oder besondere Kündigungsschutz verletzt, kann eine Kündigungsschutzklage Erfolg haben, wenn sie fristgerecht erhoben wird.​

Gewerkschaften wie IG Metall raten, eine Kündigung arbeitsrechtlich prüfen zu lassen und mögliche weitere Ansprüche – etwa auf Urlaubsabgeltung – nicht aus den Augen zu verlieren. Wer Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen hat, sollte diese prüfen lassen, weil dort oft zusätzliche Schutzvorschriften geregelt sind.​

Bürgergeld als letztes Netz – aber mit Pflichten

Wenn weder Lohn, Krankengeld noch ALG I die Existenz sichern, bleibt als Auffangnetz das Bürgergeld nach dem SGB II. Zuständig ist das Jobcenter am Wohnort; dort werden Regelsatz und angemessene Kosten der Unterkunft geprüft und bewilligt.​

Auch bei bestehender Arbeitsunfähigkeit können Mitwirkungspflichten gelten, etwa bei der Vorlage von Attesten oder Teilnahme an medizinischen oder berufsbezogenen Maßnahmen, soweit zumutbar. Wer nicht oder verspätet reagiert, riskiert Leistungskürzungen oder Verzögerungen bei der Auszahlung.​

Transparenz, Akten und Gutachten: Warum Dokumentation so wichtig ist

In langwierigen Krankheits- und Kündigungssituationen entstehen schnell umfangreiche Akten bei Krankenkassen, Agentur für Arbeit, Rentenversicherung und Jobcentern. Betroffene haben grundsätzlich das Recht, Einsicht in medizinische Gutachten und sozialrechtliche Akten zu nehmen oder sich diese über behandelnde Ärztinnen und Ärzte erläutern zu lassen.​

Spezialisierte Sozialrechtskanzleien berichten, dass gut dokumentierte Verläufe – mit Attesten, Reha-Berichten und Korrespondenz – die Chancen im Widerspruchs- und Klageverfahren deutlich verbessern. Wer früh eine eigene Ordnerstruktur oder digitale Ablage anlegt, behält in dieser komplexen Gemengelage leichter den Überblick.​

FAQ: Arbeitsunfähigkeit, Kündigung, Krankengeld und Bürgergeld

Darf der Arbeitgeber während meiner Krankschreibung kündigen?

Ja, eine Kündigung während bestehender Arbeitsunfähigkeit ist rechtlich möglich, solange formelle Vorgaben, Fristen und eventueller Sonderkündigungsschutz eingehalten werden.

Bekomme ich weiter Geld, wenn mein Arbeitsvertrag im Krankheitsfall ausläuft?

Nach Ende des Arbeitsverhältnisses kann bei gesetzlich Versicherten Krankengeld gezahlt werden, sofern rechtzeitig eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt und gemeldet wurde.

Was ist die Nahtlosigkeitsregelung nach § 145 SGB III?

Die Nahtlosigkeitsregelung ermöglicht ALG I, wenn jemand wegen Krankheit nicht voll arbeitsfähig ist, Krankengeld endet und über eine Erwerbsminderungsrente noch nicht entschieden wurde.

Muss ich mich arbeitslos melden, obwohl ich krankgeschrieben bin?

Ja, um Ansprüche auf ALG I – insbesondere nach Nahtlosigkeitsregelung – zu sichern, ist eine rechtzeitige Arbeitsuchend- oder Arbeitslosmeldung unerlässlich.

Wann habe ich Anspruch auf Bürgergeld vom Jobcenter?

Wenn Einkommen, Vermögen und andere Leistungen den Lebensunterhalt nicht decken, kann Bürgergeld beantragt werden; das Jobcenter prüft Hilfebedürftigkeit und Unterkunftskosten.

Sollte ich mir bei Kündigung und langer Krankheit rechtlichen Rat holen?

Arbeitsrechts- und Sozialrechtsexperten empfehlen, Kündigungen, Krankengeldbescheide und Entscheidungen der Agentur für Arbeit früh prüfen zu lassen, um Fristen nicht zu versäumen.

Fazit: Handeln, bevor die Lücke reißt

Andauernde Arbeitsunfähigkeit in Kombination mit auslaufendem Arbeitsvertrag oder Probezeitkündigung ist ein sozialpolitischer Stresstest – für Betroffene und Systeme gleichermaßen. Wer jetzt passiv bleibt, riskiert finanzielle Abstürze, die sich später nur schwer korrigieren lassen.​

Entscheidend sind drei Schritte: lückenlose Krankschreibungen, fristgerechte Meldungen bei Krankenkasse und Agentur für Arbeit sowie – falls nötig – ein rechtzeitiger Antrag auf Bürgergeld beim Jobcenter. Auf „Bürger & Geld“, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., stehen Betroffenen vertiefende Informationen, Checklisten und Orientierung in einer Lage zur Verfügung, in der ein stabiler Kompass besonders wichtig ist.​

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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