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Grundsicherung: Wann ein Verwandtendarlehen dein Bürgergeld wirklich gefährdet

Beim Bürgergeld bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende gilt: Ein echtes, rückzahlbares Verwandtendarlehen ist in der Regel kein Einkommen, eine Schenkung oder versteckte Unterhaltszahlung von Verwandten dagegen schon. Entscheidend ist immer, ob eine ernsthafte, zivilrechtlich wirksame Rückzahlungsverpflichtung besteht und diese für das Jobcenter nachweisbar und plausibel ist. Doch es gibt hierbei eine Vielzahl von Fallstricken. Welche das sind, zeigen wir hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Grundlagen: Einkommen vs. Darlehen beim Bürgergeld

Nach § 11 SGB II (Bürgergeld-Gesetz) ist Einkommen alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und zur endgültigen Verwendung behalten darf. Ein Darlehen mit Rückzahlungspflicht führt dagegen nur zu einem vorübergehenden Zufluss, weil das Geld später zurückgezahlt werden muss und die Vermögenslage auf Dauer nicht verbessert.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mehrfach entschieden: Privatdarlehen – etwa Studienkredite oder andere echte Kredite – sind kein anrechenbares Einkommen, auch wenn sie zur Deckung des Lebensunterhalts verwendet werden. Nur wenn ein Zufluss dem Leistungsberechtigten dauerhaft verbleibt (wertmäßiger Zuwachs), liegt Einkommen vor.

Wann das Verwandtendarlehen nicht als Einkommen zählt

Ein Darlehen von Eltern, Kindern, Geschwistern oder anderen Verwandten ist nicht als Einkommen im Rahmen des Bürgergeldes bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu werten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt und nachweisbar sind:

  • Es gibt eine klare Rückzahlungsverpflichtung (z.B. Ratenzahlung, Fälligkeit, Verzinsung möglich, aber nicht zwingend).
  • Die Rückzahlung ist ernsthaft gewollt und realistisch, also nicht nur „pro forma“ vereinbart.
  • Die Vereinbarung entspricht in Kernpunkten dem, was auch unter Fremden üblich wäre (schriftlicher Vertrag, feste Beträge, Rückzahlungsmodus).

Das BSG hat in einem Grundsatzurteil (BSG, Urteil vom 17.06.2010 – Aktenzeichen B 14 AS 46/09 R) klargestellt: Einnahmen, die mit einer wirksam vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung belastet sind, sind beim Bürgergeld nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Sie stellen nur „vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistungen“ dar.

Praxisrelevant: Auch bei Freundschafts- oder Familiendarlehen gilt dieser Grundsatz – solange die Rückzahlungspflicht tatsächlich nachgewiesen und plausibel ist.

Wann das Jobcenter die Zahlung als Einkommen werten darf

Das Jobcenter darf Geld von Verwandten als Einkommen anrechnen, wenn es sich tatsächlich nicht um ein Darlehen, sondern um eine Schenkung oder Unterhaltsleistung handelt. Typische Konstellationen, in denen angerechnet wird:

  • Es gibt keine schriftliche Vereinbarung, nur die Behauptung „Das war ein Darlehen“.
  • Es fehlen konkrete Absprachen zu Höhe, Rückzahlungsbeginn, Raten oder Fälligkeit.
  • Der Zweck der Zahlung entspricht genau dem Zweck des Bürgergeldes (Lebensunterhalt), ohne dass eine Darlehensabrede erkennbar ist.

So hat etwa ein Landessozialgericht, Landessozialgericht NRW, L 7 AS 62/08, ein Onkel-Darlehen über 1.500 Euro als nicht anrechenbares Darlehen anerkannt, weil eine ernsthafte Rückzahlung vereinbart war. In anderen Fällen wurden Zahlungen von Eltern oder Freunden dagegen als Einkommen gewertet, wenn es an klaren Darlehensbedingungen mangelte – dann durfte das Jobcenter kürzen.

Rolle der Beweislast: Was Leistungsberechtigte nachweisen müssen

In der Praxis verlangt das Jobcenter bei Verwandtendarlehen strenge Nachweise, um Missbrauch zu verhindern. Leistungsberechtigte sollten insbesondere vorlegen:

  • Schriftlichen Darlehensvertrag mit Datum, Höhe, Zweck (optional), Rückzahlungspflicht, Raten/Terminen.
  • Nachweise über tatsächliche Rückzahlungen (Überweisungen, Daueraufträge, Quittungen).
  • Eine plausible Begründung, warum das Darlehen nötig war (z.B. Überbrückung, Anschaffung, Schuldenabbau).

Die Rechtsprechung betont: An die Ernsthaftigkeit und den Nachweis eines Darlehensvertrags unter Verwandten sind hohe Anforderungen zu stellen, um ihn von Schenkung oder Unterhalt abzugrenzen. Gelingt dieser Nachweis nicht, wird der Zufluss in der Regel als Einkommen gewertet – mit der Folge, dass das Bürgergeld gekürzt oder abgelehnt werden kann.

Aktuelle BSG-Linie: Privatdarlehen und Bürgergeld

Das BSG hat seine Linie zuletzt bekräftigt:

  • Ein privater Studienkredit bzw. Privatdarlehen ist kein Einkommen im Sinne des SGB II/Bürgergeldes, auch wenn das Geld für laufenden Lebensunterhalt eingesetzt wird.
  • Einkommen ist nur, was als wertmäßiger Zuwachs zur endgültigen Verwendung verbleibt; bei Darlehen fehlt dieser dauerhafte Zuwachs.

Diese Rechtsprechung schützt Bürgergeld-Beziehende grundsätzlich davor, dass echte Kredite (Bank, Freunde, Familie) ihren Leistungsanspruch mindern – vorausgesetzt, die Darlehensabrede ist sauber dokumentiert.

Praxis-Tipps: So werden Verwandtendarlehen nicht zum Problem

Damit ein Verwandtendarlehen beim Bürgergeld nicht als Einkommen gewertet wird, sollten Betroffene strategisch vorgehen:

  • Vor der Auszahlung einen schriftlichen Darlehensvertrag schließen (Name, Betrag, Auszahlungsdatum, Rückzahlung, ggf. Zinsen, Unterschriften).
  • Möglichst per Überweisung zahlen lassen (Verwendungszweck „Darlehen“), kein reines Bargeld ohne Nachweis.
  • Rückzahlungen konsequent leisten und belegbar machen – selbst kleine Raten stärken die Glaubwürdigkeit.
  • Das Darlehen beim Antrag bzw. Weiterbewilligung offen angeben und Vertrag beifügen, statt es zu verschweigen.

Fehlt eine solche Dokumentation oder ist der Vertrag offensichtlich „pro forma“, steigt das Risiko, dass das Jobcenter die Zahlung als Einkommen wertet und Bürgergeld-Leistungen kürzt. Wer bereits Ärger mit dem Jobcenter wegen Verwandtendarlehen hat, sollte rechtzeitig sozialrechtliche Beratung oder anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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