Am 19. März 2025 hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt ein bedeutendes Urteil unter dem Aktenzeichen L 2 AS 511/21 gefällt. Dieses Urteil beschäftigt sich mit der Auskunftspflicht von Vermietern gegenüber Jobcentern im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), dem sogenannten Bürgergeld bzw. der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die Entscheidung bringt wichtige Klarstellungen zur Reichweite der Auskunftspflichten und zum Schutz der Privatsphäre von Leistungsbeziehenden.
Erfahren Sie auf Bürger & Geld, welche Rechte und Pflichten Vermieter und Jobcenter im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Bürgergeld) haben, wenn es um Auskunft geht.
Hintergrund des Gerichtsverfahrens
Im Rahmen der Prüfung von Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende, Bürgergeld) sind Jobcenter berechtigt, Auskünfte von Dritten einzuholen, um die tatsächlichen Verhältnisse der Leistungsbeziehenden zu überprüfen. Hierzu zählen insbesondere Vermieter, die Angaben zu Miet- und Betriebskosten machen müssen. Häufig fordern Jobcenter neben der reinen Betriebskostenabrechnung auch detaillierte Nachweise und Belege, beispielsweise vollständige Heizkostenabrechnungen mit sämtlichen Anlagen, Verbrauchsdaten oder Nutzerzahlen.
Der Streitfall vor dem LSG Sachsen-Anhalt drehte sich darum, inwieweit Vermieter verpflichtet sind, solche umfangreichen Unterlagen herauszugeben und ob die Auskunftspflicht inhaltliche Grenzen aufweist; wenn ja, welche.
Inhalt und Kernaussagen des Urteils Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 AS 511/21
Das LSG Sachsen-Anhalt hat in seinem Urteil vom 19.03.2025 herausgearbeitet:
Begrenzte Auskunftspflicht: Vermieter sind nach § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II verpflichtet, Auskünfte über Betriebskostenabrechnungen ihrer Mieter zu erteilen, wenn diese Leistungen nach dem SGB II beziehen oder beantragt haben. Diese Pflicht beschränkt sich jedoch auf die Erteilung von Auskünften und nicht auf die Vorlage sämtlicher Beweisunterlagen.
Keine Pflicht zur Vorlage vollständiger Abrechnungen: Das Gericht entschied, dass Jobcenter nicht berechtigt sind, von Vermietern die vollständige Betriebs- und Heizkostenabrechnung inklusive aller Anlagen zu verlangen. Insbesondere dürfen keine sensiblen Verbrauchsdaten oder Nutzerzahlen herausverlangt und herausgegeben werden, wenn diese nicht unmittelbar für die Leistungsprüfung erforderlich sind.
Schutz der Privatsphäre: Das Urteil betont den Schutz der persönlichen Daten der Leistungsbeziehenden. Die Auskunftspflicht darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Offenlegung privater Informationen führen.
Praktische Auswirkungen des Urteils für Vermieter und Jobcenter
Für Vermieter
Das Urteil schafft für Vermieter Rechtssicherheit: Sie müssen zwar Auskünfte erteilen, sind aber nicht verpflichtet, umfassende und detaillierte Belegunterlagen vorzulegen. Dies entlastet Vermieter von einem hohen Verwaltungsaufwand und schützt sie davor, in datenschutzrechtlich heikle Situationen zu geraten.
Für Jobcenter
Jobcenter müssen ihre Anforderungen an Auskünfte und Nachweise künftig klar auf das notwendige Maß beschränken. Die Entscheidung macht deutlich, dass die Ermittlungsbefugnisse der Jobcenter nicht unbegrenzt sind und eine Abwägung zwischen dem Informationsbedarf und dem Datenschutz der Leistungsbeziehenden erfolgen muss.
Bedeutung des Urteils im Sozialrecht
Das Urteil L 2 AS 511/21 des LSG Sachsen-Anhalt reiht sich in eine Reihe von Entscheidungen ein, die die Rechte von Leistungsbeziehenden sowie die Pflichten Dritter im Kontext des SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) präzisieren. Es stärkt den Datenschutz und die Privatsphäre der Betroffenen und stellt sicher, dass die Auskunftspflichten nicht zu einer übermäßigen Belastung oder zu einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte führen.
Die Praxis hat somit eine Orientierungshilfe hinsichtlich der Handhabung von Auskunftsersuchen und Nachweispflichten im Bereich der Sozialleistungen (Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitssuchende) erhalten
Zusammenfassung
Das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 19. März 2025 (L 2 AS 511/21) ist ein wichtiges Hilfsmittel für den Umgang mit Auskunftspflichten von Vermietern gegenüber Jobcentern. Es sorgt für eine Balance zwischen dem berechtigten Informationsinteresse der Behörden und dem Schutz der Privatsphäre der Leistungsbeziehenden. Vermieter erhalten dadurch eine klare Orientierung, welche Auskünfte sie erteilen müssen und welche Unterlagen sie nicht herausgeben müssen. Jobcenter sind angehalten, ihre Anforderungen auf das gesetzlich Vorgesehene zu beschränken.