Grundlagen: Einkommen vs. Darlehen beim Bürgergeld
Nach § 11 SGB II (Bürgergeld-Gesetz) ist Einkommen alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und zur endgültigen Verwendung behalten darf. Ein Darlehen mit Rückzahlungspflicht führt dagegen nur zu einem vorübergehenden Zufluss, weil das Geld später zurückgezahlt werden muss und die Vermögenslage auf Dauer nicht verbessert.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mehrfach entschieden: Privatdarlehen – etwa Studienkredite oder andere echte Kredite – sind kein anrechenbares Einkommen, auch wenn sie zur Deckung des Lebensunterhalts verwendet werden. Nur wenn ein Zufluss dem Leistungsberechtigten dauerhaft verbleibt (wertmäßiger Zuwachs), liegt Einkommen vor.
Wann das Verwandtendarlehen nicht als Einkommen zählt
Ein Darlehen von Eltern, Kindern, Geschwistern oder anderen Verwandten ist nicht als Einkommen im Rahmen des Bürgergeldes bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu werten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt und nachweisbar sind:
- Es gibt eine klare Rückzahlungsverpflichtung (z.B. Ratenzahlung, Fälligkeit, Verzinsung möglich, aber nicht zwingend).
- Die Rückzahlung ist ernsthaft gewollt und realistisch, also nicht nur „pro forma“ vereinbart.
- Die Vereinbarung entspricht in Kernpunkten dem, was auch unter Fremden üblich wäre (schriftlicher Vertrag, feste Beträge, Rückzahlungsmodus).
Das BSG hat in einem Grundsatzurteil (BSG, Urteil vom 17.06.2010 – Aktenzeichen B 14 AS 46/09 R) klargestellt: Einnahmen, die mit einer wirksam vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung belastet sind, sind beim Bürgergeld nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Sie stellen nur „vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistungen“ dar.
Praxisrelevant: Auch bei Freundschafts- oder Familiendarlehen gilt dieser Grundsatz – solange die Rückzahlungspflicht tatsächlich nachgewiesen und plausibel ist.
Wann das Jobcenter die Zahlung als Einkommen werten darf
Das Jobcenter darf Geld von Verwandten als Einkommen anrechnen, wenn es sich tatsächlich nicht um ein Darlehen, sondern um eine Schenkung oder Unterhaltsleistung handelt. Typische Konstellationen, in denen angerechnet wird:
- Es gibt keine schriftliche Vereinbarung, nur die Behauptung „Das war ein Darlehen“.
- Es fehlen konkrete Absprachen zu Höhe, Rückzahlungsbeginn, Raten oder Fälligkeit.
- Der Zweck der Zahlung entspricht genau dem Zweck des Bürgergeldes (Lebensunterhalt), ohne dass eine Darlehensabrede erkennbar ist.
So hat etwa ein Landessozialgericht, Landessozialgericht NRW, L 7 AS 62/08, ein Onkel-Darlehen über 1.500 Euro als nicht anrechenbares Darlehen anerkannt, weil eine ernsthafte Rückzahlung vereinbart war. In anderen Fällen wurden Zahlungen von Eltern oder Freunden dagegen als Einkommen gewertet, wenn es an klaren Darlehensbedingungen mangelte – dann durfte das Jobcenter kürzen.
Rolle der Beweislast: Was Leistungsberechtigte nachweisen müssen
In der Praxis verlangt das Jobcenter bei Verwandtendarlehen strenge Nachweise, um Missbrauch zu verhindern. Leistungsberechtigte sollten insbesondere vorlegen:
- Schriftlichen Darlehensvertrag mit Datum, Höhe, Zweck (optional), Rückzahlungspflicht, Raten/Terminen.
- Nachweise über tatsächliche Rückzahlungen (Überweisungen, Daueraufträge, Quittungen).
- Eine plausible Begründung, warum das Darlehen nötig war (z.B. Überbrückung, Anschaffung, Schuldenabbau).
Die Rechtsprechung betont: An die Ernsthaftigkeit und den Nachweis eines Darlehensvertrags unter Verwandten sind hohe Anforderungen zu stellen, um ihn von Schenkung oder Unterhalt abzugrenzen. Gelingt dieser Nachweis nicht, wird der Zufluss in der Regel als Einkommen gewertet – mit der Folge, dass das Bürgergeld gekürzt oder abgelehnt werden kann.
Aktuelle BSG-Linie: Privatdarlehen und Bürgergeld
Das BSG hat seine Linie zuletzt bekräftigt:
- Ein privater Studienkredit bzw. Privatdarlehen ist kein Einkommen im Sinne des SGB II/Bürgergeldes, auch wenn das Geld für laufenden Lebensunterhalt eingesetzt wird.
- Einkommen ist nur, was als wertmäßiger Zuwachs zur endgültigen Verwendung verbleibt; bei Darlehen fehlt dieser dauerhafte Zuwachs.
Diese Rechtsprechung schützt Bürgergeld-Beziehende grundsätzlich davor, dass echte Kredite (Bank, Freunde, Familie) ihren Leistungsanspruch mindern – vorausgesetzt, die Darlehensabrede ist sauber dokumentiert.
Praxis-Tipps: So werden Verwandtendarlehen nicht zum Problem
Damit ein Verwandtendarlehen beim Bürgergeld nicht als Einkommen gewertet wird, sollten Betroffene strategisch vorgehen:
- Vor der Auszahlung einen schriftlichen Darlehensvertrag schließen (Name, Betrag, Auszahlungsdatum, Rückzahlung, ggf. Zinsen, Unterschriften).
- Möglichst per Überweisung zahlen lassen (Verwendungszweck „Darlehen“), kein reines Bargeld ohne Nachweis.
- Rückzahlungen konsequent leisten und belegbar machen – selbst kleine Raten stärken die Glaubwürdigkeit.
- Das Darlehen beim Antrag bzw. Weiterbewilligung offen angeben und Vertrag beifügen, statt es zu verschweigen.
Fehlt eine solche Dokumentation oder ist der Vertrag offensichtlich „pro forma“, steigt das Risiko, dass das Jobcenter die Zahlung als Einkommen wertet und Bürgergeld-Leistungen kürzt. Wer bereits Ärger mit dem Jobcenter wegen Verwandtendarlehen hat, sollte rechtzeitig sozialrechtliche Beratung oder anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.


