Das Bürgergeld steht seit seiner Einführung immer wieder im Zentrum politischer und gesellschaftlicher Debatten. Besonders in den letzten Monaten hat sich der Ton verschärft: Populistische Angriffe auf das Bürgergeld nehmen zu, Vorurteile und Fehlinformationen werden gezielt gestreut und führen zu einer gefährlichen Stigmatisierung der Betroffenen.
Populismus statt Fakten: Wie das Bürgergeld instrumentalisiert wird
Populistische Akteure – vor allem aus dem rechten und konservativen Spektrum – nutzen das Thema Bürgergeld, um Ressentiments zu schüren und gesellschaftliche Gruppen gegeneinander auszuspielen. Immer wieder wird behauptet, das Bürgergeld sei zu hoch, zu teuer oder werde massenhaft missbraucht. Diese Narrative ignorieren jedoch die Fakten: Die große Mehrheit der Bürgergeldempfänger*innen möchte arbeiten, sieht darin Sinn und strebt nach gesellschaftlicher Teilhabe.
Studien zeigen, dass die Leistungen des Bürgergelds – aktuell 563 Euro für Alleinstehende – bereits jetzt zu niedrig sind und viele Menschen zu materiellem Verzicht zwingen. Über die Hälfte der Eltern im Bürgergeldbezug gibt an, auf Essen zu verzichten, damit die eigenen Kinder genug haben. Die Debatte um angeblichen „Missbrauch“ oder „Leistungsverweigerung“ betrifft eine verschwindend kleine Minderheit – dennoch wird sie von Populisten aufgebauscht, um Stimmung zu machen.
Gesellschaftliche Folgen: Spaltung und Stigmatisierung
Populistische Angriffe auf das Bürgergeld sind nicht nur sachlich falsch, sondern auch gesellschaftlich gefährlich. Sie führen zu Ausgrenzung, verstärken Vorurteile und treiben einen Keil zwischen verschiedene gesellschaftliche Gruppen. Besonders betroffen sind Kinder und Familien, die durch die Stigmatisierung langfristig in Armut und sozialer Isolation gehalten werden.
Sozialverbände und Wissenschaft warnen: Wer das Bürgergeld weiter kürzt oder verschärft, riskiert nicht nur die Würde und Existenz der Betroffenen, sondern schwächt auch den sozialen Zusammenhalt und gefährdet die Demokratie. Statt auf Sanktionen und Kürzungen zu setzen, braucht es Investitionen in Bildung, Teilhabe und Arbeitsmarktintegration.
Mehrere aktuelle Studien belegen, dass das Bürgergeld in Deutschland für viele Betroffene nicht ausreicht, um ein würdevolles Leben zu führen:
Studie des Vereins Sanktionsfrei (2025, in Kooperation mit dem DIW)
Für diese Studie wurden 1.014 Bürgergeldbeziehende befragt. Das Ergebnis: 72 Prozent der Befragten halten den Regelsatz von 563 Euro für zu niedrig, um ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Besonders alarmierend: Nur jede zweite Familie kann sich mit dem Bürgergeld ausreichend ernähren, und über die Hälfte der Eltern verzichtet regelmäßig auf Essen zugunsten ihrer Kinder.
Die Studie zeigt auch, dass 69 Prozent den Betrag für eine gesunde Ernährung als unzureichend ansehen. Mehr als ein Drittel der Befragten gibt an, auf Essen zu verzichten, um andere notwendige Ausgaben zu decken.
Neben materiellem Verzicht berichten viele Betroffene von psychischer Belastung, Scham (42 Prozent) und Angst vor weiteren Verschärfungen (72 Prozent).
Einschätzung von Experten und Sozialforschern
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), warnt angesichts der Studienergebnisse vor weiteren Kürzungen beim Bürgergeld. Er betont, dass nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Wirtschaft unter einem zu niedrigen Bürgergeld leiden, da selbst bei den gering Qualifizierten Arbeitskräfte fehlen.
Weitere Ergebnisse aus der Befragung
Ein Drittel der Bürgergeldbeziehenden sind Kinder und Jugendliche, und viele sogenannte „Aufstocker“ müssen trotz Arbeit zusätzlich Bürgergeld beziehen, weil ihr Lohn nicht reicht.
Die Mehrheit der Befragten möchte arbeiten, sieht aber kaum realistische Chancen, eine existenzsichernde Beschäftigung zu finden.
Fazit der Studien zum Bürgergeld
Die Studien liefern ein klares Bild: Das Bürgergeld reicht laut überwältigender Mehrheit der Betroffenen nicht aus, um grundlegende Bedürfnisse wie Ernährung, Wohnen und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Die Politik ist daher gefordert, die Regelsätze anzuheben und die soziale Absicherung zu stärken, statt weitere Verschärfungen zu diskutieren.
Fakten statt Mythen: Was das Bürgergeld wirklich leistet
Das Bürgergeld ersetzt seit 2023 Hartz IV und bietet besseren Schutz bei Arbeitslosigkeit, längere Absicherung von Ersparnissen und Wohnkosten sowie mehr Unterstützung für Weiterbildung.
Die Regelsätze wurden 2024 um zwölf Prozent erhöht, liegen aber weiterhin deutlich unter dem mittleren Einkommen und reichen oft nicht für ein würdiges Leben.
Die allermeisten Empfänger*innen wollen arbeiten und nutzen die Angebote zur Weiterbildung und Integration – Missbrauchsfälle sind die Ausnahme, nicht die Regel.
Populistische Debatten schaden nicht nur den Betroffenen, sondern auch dem gesellschaftlichen Klima und der Demokratie insgesamt.
Unsere Forderung: Schluss mit Populismus – für eine sachliche und gerechte Sozialpolitik
Es ist höchste Zeit, den populistischen Angriff auf das Bürgergeld zu beenden. Politik und Gesellschaft müssen sich klar gegen Hetze und Stigmatisierung stellen und für eine Sozialpolitik eintreten, die auf Teilhabe, Würde und Integration setzt. Nur so lässt sich der gesellschaftliche Zusammenhalt stärken und Armut wirksam bekämpfen.
Wer das Bürgergeld weiter schwächt, riskiert nicht nur soziale Spaltung, sondern auch einen massiven Vertrauensverlust in den Sozialstaat und die Demokratie. Die Debatte braucht dringend mehr Sachlichkeit, weniger Populismus – und den Mut, für eine gerechte und solidarische Gesellschaft einzustehen.
Der Bürgergeld Regelsatz muss auf mindestens 813 Euro erhöht werden, wie es der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert!
Quellen
Studie Sanktionsfrei e. V.
DIW