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Sozialausgaben erreichen Rekordhoch: Warum steigen Sozialhilfe und Bürgergeld in Deutschland so stark?

Rekordausgaben für Sozialhilfe und Bürgergeld: 2024 steigen die Kosten für soziale Leistungen in Deutschland auf nie dagewesene Höhen. Welche Ursachen stecken dahinter – und was bedeutet das für die Zukunft der sozialen Sicherung? Antworten hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V..

Die Sozialhilfeausgaben in Deutschland sind im Jahr 2024 stark angestiegen. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) betrugen die Nettoausgaben für Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) insgesamt 20,2 Milliarden Euro – das entspricht einem Anstieg von 14,8 % gegenüber dem Vorjahr. Wichtig: das Bürgergeld ist darin nicht enthalten, es ist im SGB II geregelt! Doch was sind die Gründe für diese Entwicklung, welche Leistungen sind besonders betroffen und welche gesellschaftlichen Konsequenzen und Perspektiven ergeben sich daraus? Der folgende Expertenartikel analysiert die aktuellen Zahlen und liefert einen umfassenden Überblick für Betroffene, Verbände und politisch Interessierte.

Die wichtigsten Zahlen: Ausgabenentwicklung 2024

Die Ausgaben für Sozialhilfe verteilen sich laut offizieller Destatis-Pressemitteilung folgendermaßen:

  • Gesamtausgaben SGB XII: 20,2 Mrd. €
  • Steigerung zum Vorjahr: +14,8 %
  • Hauptposten Grundsicherung im Alter & Erwerbsminderung: 11,4 Mrd. € (+13,3 %)
  • Hilfe zur Pflege: 5,3 Mrd. € (+17,7 %)
  • Hilfe zum Lebensunterhalt: 1,6 Mrd. € (+11,1 %)
  • Hilfen zur Gesundheit, zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und in anderen Lebenslagen: 1,9 Mrd. € (+19,4 %)

Ergänzend zu den SGB XII-Ausgaben stiegen auch die Nettoausgaben für Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX auf 28,7 Mrd. €, was eine Steigerung um 12,9 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet.

Übersicht: Sozialhilfeausgaben 2024

LeistungAusgaben (Mrd. €)Steigerung (%)
Grundsicherung im Alter/Erwerbsminderung11,4+13,3
Hilfe zur Pflege5,3+17,7
Hilfe zum Lebensunterhalt1,6+11,1
Hilfen zur Gesundheit & weitere1,9+19,4
Eingliederungshilfe (SGB IX)28,7+12,9

Sonderfall Bürgergeld: Große Sozialausgabe außerhalb der Statistik

Wichtig: In den genannten Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind die Ausgaben für das Bürgergeld / Grundsicherung für Arbeitsuchende (vormals Hartz IV, SGB II) nicht enthalten. Das Bürgergeld, das seit 2023 das zentrale Grundsicherungsinstrument für erwerbsfähige Hilfebedürftige ist, ist ein eigenständiger Ausgabeposten des Bundes, der deutlich umfangreicher ausfällt als alle klassischen Sozialhilfeleistungen zusammen.

Im Bundeshaushalt 2025 sind alleine für das Bürgergeld rund 52 Milliarden Euro eingeplant – das sind etwa fünf Milliarden Euro mehr als im Jahr 2024 und ein neuer Höchstwert. Bereits im Jahr 2024 lagen die Ausgaben etwa bei 47 Milliarden Euro. Mit dem Bürgergeld werden mehr als fünf Millionen Leistungsberechtigte in Deutschland unterstützt, darunter zahlreiche Familien, Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose.

Während die klassische Sozialhilfe vor allem Personen im Alter, mit Erwerbsminderung oder Pflegebedarf absichert, ist das Bürgergeld für Menschen bestimmt, die erwerbsfähig, aber arbeitslos oder in prekären Arbeitsverhältnissen sind. Die Ausgabensteigerungen im Bereich Bürgergeld resultieren insbesondere aus:

  • Erhöhten Regelsätzen,
  • wachsenden Wohngeld-Übernahmen (wegen gestiegener Mieten und Nebenkosten),
  • sozial- und arbeitsmarktpolitischen Reformen (z. B. Lockerung der Zuverdienstregeln und bessere Integrationsförderung)
  • und der generellen Inflation, die Lebenshaltungs- und Energiekosten ansteigen lässt.

Dass das Bürgergeld in der Statistik von Destatis fehlt, ist für gesellschaftliche und politische Diskussionen ein zentraler Punkt: Tatsächlich fließen jedes Jahr rund doppelt so hohe Bundesmittel ins Bürgergeld wie in die gesamte Sozialhilfe nach SGB XII und die Eingliederungshilfe zusammen.

Ursachen: Warum steigen die Sozialhilfeausgaben?

Mehrere Faktoren beeinflussen den Kostenanstieg bei der Sozialhilfe:

  • Demografischer Wandel: Immer mehr Menschen, vor allem Ältere, sind auf sozialstaatliche Unterstützungen angewiesen. Im Jahr 2024 bezogen beispielsweise 37.000 Rentner mehr als im Vorjahr die Grundsicherung im Alter.
  • Steigende Lebenshaltungskosten und Mieten: Die allgemeine Inflation der letzten Jahre schlägt sich in höheren Ausgaben für Lebensunterhalt, Wohnkosten und Pflege nieder.
  • Personal- und Sachkostensteigerungen: Tarifabschlüsse im öffentlichen und sozialen Dienst, höhere Sachkosten durch Inflation und mehr Personalbedarf führen zu zusätzlichen Mehrausgaben, insbesondere in der Eingliederungshilfe.
  • Schwächung der klassischen Sozialversicherungssysteme: Viele Menschen können von ihrer Rente oder aus ihrer eigenen Vorsorge nicht mehr leben oder die Pflege bezahlen. Damit wird die Sozialhilfe zu einem immer wichtigeren „letzten Netz“ des Sozialstaates.
  • Politische Rahmenbedingungen: Die fortgesetzte Finanzierung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch Bundesmittel trägt dazu bei, dass die Sozialhilfequote auch politisch stabil bleibt.

Perspektiven: Folgen für Staat, Bürger und Gesellschaft

Der starke Anstieg der Sozialhilfeausgaben ist ein Zeichen für strukturelle Herausforderungen des Sozialstaats:

  • Finanzielle Belastung für öffentliche Haushalte: 40 % des Bundeshaushalts werden mittlerweile für Sozialausgaben veranschlagt, mit steigender Tendenz. Das setzt die Finanzierung anderer Zukunftsbereiche wie Digitalisierung, Infrastruktur und Klima unter Druck.
  • Wachsende Altersarmut: Die große Mehrheit der Leistungsbezieher im Bereich Grundsicherung sind Rentner mit Einkommen unterhalb des Existenzminimums. Die Altersarmut nimmt weiter zu. Sozialverbände kritisieren, dass die gesetzliche Rente nicht mehr „armutsfest“ ist.
  • Pflege und Inklusionsbedarf steigen: Die Kostenexplosion bei der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe verdeutlicht den wachsenden Bedarf an sozialen Dienstleistungen und inklusiven Angeboten für Menschen mit Behinderungen.
  • Reformbedarf und politische Debatten: Angesichts der Ausgabenentwicklung stehen Reformen zur Effizienzsteigerung, Bürokratieabbau und nachhaltigen Finanzierung auf der politischen Agenda – von Prüfungen der Bedarfsfeststellung bis zu Kontrollen bei Bürgergeld und Grundsicherung.

Prognose für 2025 und Handlungsempfehlungen

Schon für 2025 rechnet die Bundesregierung mit weiteren Steigerungen, insbesondere beim Bürgergeld und der Grundsicherung. Im aktuellen Haushaltsentwurf für 2025 sind rund 52 Mrd. € für das Bürgergeld eingeplant – fünf Mrd. € mehr als in 2024. Die Entwicklung der Sozialhilfeausgaben dürfte sich also fortsetzen, wenn keine grundlegenden Reformen erfolgen.

Zusammenfassung: Kosten für Sozialhilfe steigen auch 2025

Die Ausgaben für Sozialhilfe nach dem SGB XII steigen weiter – ebenso wie die Ausgaben für das Bürgergeld (SGB II) – und demonstrieren zugleich die strukturellen Herausforderungen des deutschen Sozialstaats. Besonders betroffen sind ältere Menschen, Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderung und Menschen ohne existenzsicherndes Erwerbseinkommen. Gesellschaft und Politik stehen vor der Aufgabe, die Finanzierung sozialer Sicherheit nachhaltig und gerecht für alle zu gestalten.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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