Seit Einführung des Bürgergelds ist das System der Grundsicherung in Deutschland massiv umstritten. Nun stehen durch die neue Bundesregierung Merz erneut Reformen an. Wir, der Verein Für soziales Leben e. V., andere Experten und Praktiker vertreten folgende Auffassung: Die geplanten Änderungen am Bürgergeld sind kaum mehr als Kosmetik und drohen zu scheitern. Warum das so ist und welche Gründe dafür sprechen, zeigen wir auf Bürger & Geld in nachfolgendem Artikel.
Die Bürgergeld-Reform: Viel Lärm um wenig Substanz
Die aktuelle Debatte um das Bürgergeld und die Umwandlung in die “Neue Grundsicherung” wird dominiert von Symbolpolitik. So sieht der Reform-Kompromissvorschlag der SPD-Ministerin Bärbel Bas vor allem vor, das Bürgergeld umzubenennen und Sanktionen für Arbeitsunwillige zu verschärfen. Doch diese Maßnahmen greifen viel zu kurz und betreffen nur einen verschwindend geringen Teil der Empfänger. Der Anteil der sogenannten „Totalverweigerer“ liegt bei weniger als einem Prozent . Die eigentlichen Probleme des Systems Grundsicherung für Arbeitsuchende bleiben unangetastet.
Arbeitsanreize fehlen – und die Akzeptanz sinkt
Zahlreiche Studien und Umfragen zeigen: Das Bürgergeld wird von vielen als Arbeitshemmnis wahrgenommen. Laut einer aktuellen Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sehen 72 Prozent der Jobcenter-Mitarbeiter das Bürgergeld als Hindernis für die Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Auch 70 Prozent der Erwerbstätigen teilen diese Einschätzung. Die Folge: Die Arbeitslosenquote ist seit Einführung des Bürgergelds gestiegen, die Zahl erfolgreicher Arbeitsaufnahmen rückläufig.
Kritiker bemängeln, dass das Bürgergeld zu generöse Leistungen bietet und zu wenig Mitwirkung von den Leistungsberechtigten einfordert. Die Entschärfung der Sanktionsregelungen und die großzügigere Vermögensprüfung während der Karenzzeit werden als zentrale Schwachstellen des gegemwärtigen Bürgergeld-Systems angesehen. Ob das tatsächlich der Fall ist, kann dahin stehen, die geplanten Reformen jedenfalls setzen nicht an diesen Punkten an, sondern bleiben an der Oberfläche.
Politische Grabenkämpfe verhindern echte Reformen
Die Debatte um das Bürgergeld ist stark ideologisch aufgeladen. Während die SPD auf mehr Förderung und individuelle Unterstützung setzt, fordern Union und CDU/CSU ein strikteres Fördern-und-Fordern-Prinzip mit härteren Sanktionen und klaren Leistungsentzügen bei Arbeitsverweigerung. Die neue Koalition aus CDU, CSU und SPD hat zwar eine Einigung auf eine „Neue Grundsicherung“ mit strengeren Sanktionen erzielt, doch die Umsetzung bleibt vage und birgt weiterhin Konfliktpotenzial.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fordert einen Paradigmenwechsel: Wer wiederholt zumutbare Arbeit ablehnt, soll kein Bürgergeld mehr erhalten. An die “Substanz” gehen, nennt er das. Doch auch diese Forderung steht auf wackeligen Füßen, da die rechtlichen Hürden für einen vollständigen Leistungsentzug hoch sind. Es gilt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, die verbietet, einem Menschen das Existenzminimum zu entziehen.
Die Reformen gehen an den eigentlichen Problemen vorbei
Die geplanten Bürgergeld-Reformen setzen auf mehr Druck und härtere Sanktionen, ohne die strukturellen Schwächen des Systems zu beheben. Die Vermittlungshürden bleiben bestehen, und die Anreize zur Arbeitsaufnahme werden nicht verbessert. Stattdessen wird das System immer komplexer und intransparenter – sowohl für die Empfänger als auch für die Jobcenter.
Notwendig ist unserer Meinung eine echte aktivierende Grundsicherung mit klaren Regeln, Eigenverantwortung und Chancen zur Rückkehr in Arbeit. Und selbstverständlich mit einem Regelsatz, der das sozio-kulturelle Existenzminimum nicht nur oberflächlich sicherstellt.
Fazit: Warum die Bürgergeld-Reformen scheitern werden
Unsere Meinung: Die geplanten Bürgergeld-Reformen sind zum Scheitern verurteilt, weil sie an den eigentlichen Problemen vorbeigehen. Die Arbeitsanreize bleiben schwach, die Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den Jobcentern ist niedrig, und die politischen Grabenkämpfe verhindern echte Veränderungen. Solange die Reformen nur auf mehr Kontrolle und symbolische Maßnahmen setzen, ohne die strukturellen Schwächen des Bürgergelds zu beheben, wird das System weiterhin als Hemmnis für die Rückkehr in den Arbeitsmarkt wahrgenommen.
Notwendig sind klare Anreize, fairen Regeln und einer echten Perspektive für die Leistungsempfänger. Nur so kann das Vertrauen in die Grundsicherung zurückgewonnen und die Arbeitslosigkeit dauerhaft gesenkt werden!