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Grad der Behinderung erstmals feststellen lassen: So läuft das Verfahren wirklich ab

Wenn Schmerzen, Erschöpfung oder seelische Krisen den Alltag bestimmen, wird jeder Behördengang zur Zumutung. Doch der erste Antrag auf einen Grad der Behinderung entscheidet oft über Steuererleichterungen, Kündigungsschutz, früheren Rentenbeginn oder Hilfsmittel.​ Wer das juristische Neuland „GdB-Erstfeststellung“ mit einem klaren Plan betritt, erspart sich Monate zermürbender Nachfragen – und wahrt seine Rechte von Beginn an.​

Viele Menschen beantragen zum ersten Mal einen Grad der Behinderung (GdB), weil die Belastung im Alltag längst die Kraftreserven übersteigt – und dennoch bleibt das Verfahren ein Buch mit sieben Siegeln. Zwischen Formularen, Gutachten und Fristen entsteht schnell das Gefühl, einem anonymen Apparat ausgeliefert zu sein. Wer aber die Regeln kennt, kann den eigenen Fall strukturieren, typische Fehler vermeiden und die Bearbeitungszeit deutlich verkürzen. Alle wichtigen Infos dazu finden sich hier auf „Bürger & Geld“, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V..​

Was bedeutet Grad der Behinderung überhaupt?

Der Grad der Behinderung beschreibt, wie stark gesundheitliche Beeinträchtigungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft einschränken.​
Er wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 festgestellt; ab einem GdB von 50 gilt eine Person sozialrechtlich als schwerbehindert.​
Rechtsgrundlage ist § 152 SGB IX, medizinische Maßstäbe liefert die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) mit ihren Versorgungsmedizinischen Grundsätzen.​

Wer ist zuständig – und wo wird der Antrag gestellt?

Zuständig sind – je nach Bundesland – Versorgungsämter, Landesämter für Soziales oder kommunale Aufgabenträger wie Kreise und kreisfreie Städte.​
Viele Behörden bieten inzwischen Online-Portale, teils mit elektronischem Schwerbehindertenantrag, der direkt an die zuständige Stelle übermittelt wird.​
Klassische Papierformulare können meist über die Webseiten der Landesbehörden heruntergeladen oder vor Ort ausgegeben werden.​

Erstfeststellung, Neufeststellung, Änderungsantrag – die Unterschiede

Beim ersten Antrag spricht die Verwaltung von einer Erstfeststellung nach § 152 SGB IX.​
Verschlechtert sich der Gesundheitszustand wesentlich oder kommen neue Diagnosen hinzu, kann eine Neufeststellung des GdB beantragt werden.​
Wer bereits einen Bescheid hat und nur einzelne Punkte – etwa ein Merkzeichen – überprüfen lassen möchte, stellt einen Änderungsantrag.​

Schritt 1: Antrag besorgen und grundlegende Angaben eintragen

Am Anfang steht das Antragsformular: Hier wird angekreuzt, ob es sich um einen Erst- oder Änderungsantrag handelt.​
Gefordert werden persönliche Daten, Angaben zu Krankenversicherung, Erwerbssituation und gegebenenfalls bestehenden Renten oder Unfallfolgen.​
Wichtig ist eine vollständige Liste aller behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie Kliniken – idealerweise mit aktuellen Kontaktdaten.​

Schritt 2: Gesundheitsstörungen vollständig und laienverständlich erfassen

Im Formular müssen sämtliche körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen aufgelistet werden, nicht nur die vermeintlich „größte“ Erkrankung.​
Entscheidend ist, wie sich Beschwerden auf Alltag, Beruf, Haushalt, Wege und Freizeit auswirken – Diagnosen allein genügen nicht.​
Wer hier sorgfältig formuliert, erleichtert den Gutachtern die Einordnung nach der VersMedV und vermeidet Rückfragen.​

Schritt 3: Relevante Unterlagen beilegen – und zwar richtig

Je besser die Akte, desto schneller die Entscheidung. Behörden empfehlen Befundberichte, Arztbriefe, Klinikentlassungsberichte und Pflegegutachten.​
Empfohlen werden Unterlagen, die möglichst nicht älter als zwei Jahre sind; ältere Berichte können ergänzend sinnvoll bleiben.​
Röntgenbilder selbst werden nicht benötigt, wohl aber die schriftlichen radiologischen Befunde, Laborwerte und ggf. Reha-Entlassungsberichte.​

Schritt 4: Antrag einreichen – postalisch, persönlich oder online

Nach sorgfältiger Durchsicht wird der Antrag unterschrieben an die zuständige Stelle gesendet oder dort persönlich abgegeben.​
In vielen Ländern genügt auch das Absenden über ein elektronisches Fachportal, wobei eine qualifizierte Identifizierung erforderlich sein kann.​
Mit Eingang des Antrags beginnt offiziell das Feststellungsverfahren; häufig folgt zeitnah eine schriftliche Eingangsbestätigung.​

Wie geht es nach Antragseingang weiter?

Die Behörde fordert bei den angegebenen Ärzten fehlende Befundberichte und Gutachten an – dafür müssen Sie von der Schweigepflichtentbindung Gebrauch machen.​
Sobald die Unterlagen vollständig vorliegen, bewerten versorgungsärztliche Gutachter den Fall nach den Kriterien der VersMedV.​
In Einzelfällen kann eine zusätzliche amtsärztliche Untersuchung angeordnet werden, wenn Aktenbefunde nicht ausreichen.​

Wie wird der GdB konkret berechnet?

Die Bewertung erfolgt funktionsorientiert: Maßgeblich ist, wie stark die Teilhabe durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen eingeschränkt ist.​
Der GdB wird in Zehnergraden abgestuft, von 20 bis maximal 100; mehrere Gesundheitsstörungen werden zu einem Gesamt-GdB zusammengeführt.​
Ab einem GdB von 20 gibt es bereits einzelne Nachteilsausgleiche, ab GdB 50 bestehen umfassende Rechte als schwerbehinderter Mensch.​

Bescheid, Merkzeichen und Rechtsfolgen

Das Ergebnis wird in einem Feststellungsbescheid mitgeteilt, der GdB, berücksichtigte Gesundheitsstörungen und eventuelle Merkzeichen ausweist.​
Merkzeichen wie G, aG, H, Bl oder RF eröffnen zusätzliche Nachteilsausgleiche – etwa Steuererleichterungen, Kfz-Steuerbefreiung oder ÖPNV-Vorteile.​
Bei GdB 50 oder mehr kann zusätzlich ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden, etwa als Plastikkarte.​

Wie lange dauert das Verfahren?

Behörden verweisen häufig darauf, dass die Verfahrensdauer stark von der Vollständigkeit der Unterlagen abhängt.​
Praxisnahe Ratgeber beschreiben Bearbeitungszeiten von mehreren Wochen bis hin zu einigen Monaten, wenn Arztberichte verspätet eintreffen.​
Bleibt ein Verfahren übermäßig lange liegen, kann im Einzelfall eine Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht in Betracht kommen, erklären Sozialrechtsexperten.​

Tabelle: Der Weg zum ersten GdB-Bescheid im Überblick

VerfahrensschrittInhalt / Zweck
Antrag beschaffenFormular von Versorgungsamt, Landesamt oder Online-Portal holen. ​
Gesundheitsstörungen erfassenAlle Beeinträchtigungen und Alltagsfolgen im Antrag beschreiben. ​
Unterlagen sammelnBefunde, Arztbriefe, Gutachten, Pflegeberichte beilegen. ​
Antrag einreichenSchriftlich, persönlich oder online bei der zuständigen Stelle abgeben. ​
Medizinische BewertungVersorgungsärzte prüfen Unterlagen nach VersMedV und bilden Gesamt-GdB.​
Feststellungsbescheid erhaltenGdB, Merkzeichen und berücksichtigte Diagnosen werden schriftlich mitgeteilt.​
Ggf. Widerspruch / Klage prüfenInnerhalb eines Monats Rechte wahren, wenn der Bescheid zweifelhaft wirkt.​

Fristen und Widerspruch: Wie Betroffene ihre Rechte sichern

Wer mit der Entscheidung nicht einverstanden ist, hat in der Regel einen Monat ab Bekanntgabe Zeit, Widerspruch einzulegen.​
Rechtsanwälte für Sozialrecht empfehlen oft, zunächst einen fristwahrenden Widerspruch zu schicken und die Begründung später nachzureichen.​
Bleibt der Widerspruch erfolglos, kann innerhalb eines weiteren Monats Klage beim zuständigen Sozialgericht erhoben werden.​

Typische Fehler beim Erst-Antrag – und wie sie sich vermeiden lassen

Ein häufiger Fehler besteht darin, nur ein „Hauptleiden“ zu nennen und weitere Belastungen wie Depression, Fatigue oder orthopädische Probleme wegzulassen.​
Fachverbände berichten, dass unvollständige Arztlisten und fehlende Befunde die Bearbeitung stark verzögern können.​
Zudem lohnt sich ein genauer Blick auf den Bescheid, ob tatsächlich alle Erkrankungen und Einschränkungen aufgeführt sind.​

Digitale Antragswege: Chancen, aber auch Tücken

Mehrere Bundesländer werben mit elektronischen Antragsassistenten, die Schritt für Schritt durch das Formular führen.​
Der Sozialverband VdK weist jedoch darauf hin, dass technische Hürden, fehlende Barrierefreiheit oder unsichere Internetverbindungen Betroffene überfordern können.​
Wer unsicher ist, kann sich an Sozialverbände, Behindertenbeauftragte oder kommunale Beratungsstellen wenden.​

Warum der erste GdB-Bescheid so weitreichend ist

Der festgestellte GdB bildet häufig die Grundlage für Steuerfreibeträge, Rentenentscheidungen und arbeitsrechtliche Schutzrechte.​
Versorgungsämter betonen, dass spätere Anpassungen möglich sind, wenn sich der Gesundheitszustand ändert – dennoch prägt der Erstbescheid oft viele Jahre.​
Sozialverbände berichten, dass gut dokumentierte Erstanträge spätere Neufeststellungen und gerichtliche Verfahren deutlich erleichtern.​

FAQ zum ersten GdB-Antrag

Ab welchem GdB gibt es überhaupt einen Bescheid?

Ein Feststellungsbescheid wird in der Regel ab einem GdB von 20 erteilt; darunter folgt häufig ein Ablehnungsbescheid.

Ab wann gilt jemand als schwerbehindert?

Die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch wird ab einem GdB von mindestens 50 festgestellt, verbunden mit erweiterten Nachteilsausgleichen.

Kostet der Antrag Geld?

Der Antrag auf Feststellung des GdB ist gebührenfrei, wie mehrere Landesämter und der Sozialverband VdK hervorheben.

Müssen alle Ärztinnen und Ärzte im Antrag genannt werden?

Je vollständiger die Liste der Behandler, desto besser kann die Behörde den Gesundheitszustand erfassen und auf zusätzliche Befunde zugreifen.

Was tun, wenn keine aktuellen Befunde vorliegen?

In solchen Fällen fordert die Behörde fehlende Unterlagen an oder veranlasst eine ärztliche Untersuchung; dennoch verlängert dies das Verfahren.

Kann der GdB später reduziert werden?

Bei Neufeststellungen prüfen die Ämter, ob sich der Gesundheitszustand verbessert hat; in Einzelfällen kann der GdB herabgesetzt werden.

Fazit: Mit guter Vorbereitung sicher durchs GdB-Erstverfahren

Der erste Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung ist mehr als ein Formular – er entscheidet über Rechte, Geldleistungen und Schutz im Alltag.​
Wer Unterlagen vollständig sammelt, alle Einschränkungen offenlegt und Fristen kennt, kann das Verfahren strukturiert und selbstbewusst durchlaufen.​
Bürger & Geld, das Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., bleibt dabei an der Seite der Betroffenen und ordnet Gesetzesänderungen und Verwaltungspraxis ein.​

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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