Wer monatelang krankgeschrieben ist, im Bürgergeld-Bezug steckt und auf die Entscheidung über die volle Erwerbsminderungsrente wartet, lebt im Dauerstress. Die Angst: Ein falscher Schritt – etwa ein Minijob – könnte nicht nur die Krankengeschichte infrage stellen, sondern am Ende auch die Rente kosten. Gleichzeitig reicht Bürgergeld oft nicht, um alle laufenden Kosten zu stemmen. Genau in diesem Spannungsfeld zwischen Existenzdruck, Gesundheitsrisiko und strengen Sozialrechtsregeln soll dieser Artikel Orientierung geben – alle Infos findet man hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V.
Wenn Krankmeldung, Bürgergeld und Rentenantrag zusammenkommen
Wer Bürgergeld erhält, gilt grundsätzlich als erwerbsfähig und muss dem Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden täglich zur Verfügung stehen.
Bei längerer Arbeitsunfähigkeit ruhen Vermittlung und Eingliederungsdruck, das Jobcenter prüft aber weiterhin die Erwerbsfähigkeit – häufig verbunden mit der Empfehlung, einen EM-Rentenantrag zu stellen.
Mit dem Antrag auf volle Erwerbsminderungsrente beginnt ein zweigleisiger Prozess.
Die Rentenversicherung prüft medizinisch, ob weniger als drei Stunden tägliche Arbeitsfähigkeit vorliegen, während das Jobcenter absichert, dass bis zur Entscheidung weiter Leistungen fließen.
Rechtlicher Kern: Die „magischen“ drei Stunden
Nach Rentenrecht liegt volle Erwerbsminderung vor, wenn jemand unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann.
Erst wenn diese Grenze dauerhaft unterschritten wird, kommt eine volle Erwerbsminderungsrente in Betracht, ansonsten bleiben Teil-EM-Rente oder weiter Bürgergeld die Regel.
Sozialverbände betonen deshalb regelmäßig, wie wichtig diese Drei-Stunden-Grenze für alle Entscheidungen rund um EM-Rente und Nebenjob ist.
Der SoVD Schleswig-Holstein erklärte etwa, bis knapp unter drei Stunden täglicher Arbeit sei selbst neben voller EM-Rente grundsätzlich eine Beschäftigung möglich, solange die gesundheitliche Situation das hergibt.
Arbeitsunfähigkeit: Was ist überhaupt erlaubt?
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bedeutet nicht, dass jede Tätigkeit verboten ist.
Zulässig ist, was den Gesundheitszustand nicht verschlechtert, die Genesung nicht verzögert und das vom Arzt bescheinigte Leistungsbild nicht konterkariert – etwa leichte, flexible Tätigkeiten, wenn dies medizinisch plausibel ist.
Gegen-Hartz.de betonte in einem Beitrag, dass bei Arbeitsunfähigkeit nur solche Jobs infrage kommen, die „die Genesung nicht gefährden“ und zur ärztlichen Diagnose passen.
Wer im Krankenschein schwer körperlich eingeschränkt ist, sollte daher keine körperlich belastende Tätigkeit aufnehmen – sonst drohen Rückfragen von Krankenkasse, Jobcenter und Rentenversicherung.
Minijob im Bürgergeld-Bezug: Grundsätzlich erlaubt
Bürgergeld-Beziehende dürfen grundsätzlich einen Minijob ausüben.
Vom Minijob-Einkommen bleiben 100 Euro pauschal anrechnungsfrei, darüber hinaus gelten gestaffelte Freibeträge, die das Jobcenter bei der Leistungsberechnung berücksichtigt.
Die Minijob-Zentrale weist darauf hin, dass ein Minijob bis zur Geringfügigkeitsgrenze möglich ist, gleichzeitig aber Sozialleistungen teilweise gekürzt werden können.
Für Bürgergeld-Beziehende mit Minijob zahlt das Jobcenter in vielen Fällen zusätzlich Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung, sofern nicht auf die Rentenversicherungspflicht verzichtet wird.
Knackpunkt: Krankmeldung, Minijob und Rentenantrag
Besonders heikel wird es, wenn jemand während bestehender Arbeitsunfähigkeit und laufendem EM-Rentenantrag einen Minijob beginnen oder fortsetzen will.
Denn die tatsächliche Arbeitsleistung kann von Rentenversicherung, Krankenkasse und Jobcenter als Indiz gewertet werden, wie belastbar die betroffene Person wirklich ist.
Sozialverbände warnen: Wer regelmäßig deutlich mehr arbeitet, als im EM-Verfahren behauptet oder ärztlich attestiert wurde, riskiert Zweifel an der vollen Erwerbsminderung.
Rentenbescheid24 etwa hob hervor, dass bei Überschreiten von etwa 15 Wochenstunden die Deutsche Rentenversicherung sehr genau prüfen wird, ob nicht nur eine teilweise statt einer vollen Erwerbsminderung vorliegt.
Ist ein Minijob mit weniger als drei Stunden täglich möglich?
Die entscheidende Frage vieler Betroffener lautet: „Darf trotz Krankschreibung und EM-Rentenantrag ein Minijob mit weniger als drei Stunden täglich ausgeübt werden?“
Aus rentenrechtlicher Sicht gilt: Eine Tätigkeit unterhalb der Drei-Stunden-Grenze ist mit der Annahme voller Erwerbsminderung grundsätzlich vereinbar, wenn sie gesundheitlich realistisch ist.
Der SoVD Schleswig-Holstein verdeutlichte dies in einer Stellungnahme: Wer maximal knapp unter drei Stunden pro Tag arbeitet, gefährdet die volle EM-Rente in der Regel nicht, sofern Hinzuverdienstgrenzen und medizinische Vorgaben eingehalten werden.
Entscheidend ist, dass Einkommen und Stundenumfang dokumentiert und offen gegenüber der Rentenversicherung und dem Jobcenter kommuniziert werden.
Minijob während des Rentenverfahrens: Risiken und Fallstricke
Während des laufenden EM-Rentenverfahrens bewertet die Deutsche Rentenversicherung jede dokumentierte Tätigkeit als Hinweis auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit.
Wer regelmäßig arbeitet, sendet damit ein Signal, das im Widerspruch zur behaupteten vollen Erwerbsminderung stehen kann – insbesondere bei größeren Stundenzahlen oder körperlich anstrengenden Tätigkeiten.
Rentenberater weisen darauf hin, dass bereits ein formal kleiner Minijob problematisch wird, wenn in der Praxis über viele Monate hinweg deutlich mehr gearbeitet als vertraglich vereinbart wird.
In solchen Fällen kann es passieren, dass die DRV nur eine teilweise EM-Rente anerkennt oder die volle Rente nach Aktenlage ablehnt.
Einkommen, Freibeträge und Hinzuverdienstgrenzen
Beim Bürgergeld gilt für Minijobs ein Grundfreibetrag von 100 Euro monatlich, darüber hinaus bleiben weitere Teile des Nettoverdienstes je nach Höhe anrechnungsfrei.
Die Minijob-Zentrale und Fachportale wie Hartz4Widerspruch.de erläuterten, dass sich ein 520-Euro-Job trotz Anrechnung häufig lohnt, weil ein Teil des Gehalts zusätzlich zum Bürgergeld verbleibt.
Neben der EM-Rente gilt seit 2025 eine deutlich angehobene jährliche Hinzuverdienstgrenze, sodass auch Minijobs meist rentenunschädlich bleiben.
Nach Angaben der Bundesregierung können Beziehende einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seit Januar 2025 spürbar mehr hinzuverdienen, ohne dass die Rente komplett entfällt.
Tabelle: Typische Konstellationen im Überblick
| Konstellation | Leistungsträger | Arbeitsfähigkeit nach Definition | Minijob grundsätzlich möglich? | Zentrale Grenze / Besonderheit |
|---|---|---|---|---|
| Bürgergeld, arbeitsfähig | Jobcenter | Mindestens 3 Stunden täglich | Ja, bis Minijob-Grenze, mit Anrechnung | 100 Euro Grundfreibetrag, weitere gestaffelte Freibeträge |
| Bürgergeld, länger krankgeschrieben, ohne EM-Rente | Jobcenter | Aktuell arbeitsunfähig, Erwerbsfähigkeit noch zu klären | Möglich, wenn ärztlich vertretbar und Genesung nicht gefährdet | Tätigkeit muss mit Krankheitsbild vereinbar sein, sonst Risiko für AU-Glaubwürdigkeit |
| Bürgergeld und laufender Antrag auf volle EM-Rente | Jobcenter / DRV | Behauptet: unter 3 Stunden täglich | Möglich, wenn real unter 3 Stunden und medizinisch plausibel | Jede Tätigkeit wird als Hinweis zur Leistungsfähigkeit gewertet, sorgfältig dokumentieren |
| Volle EM-Rente (ohne Bürgergeld) | DRV | Unter 3 Stunden täglich | Ja, typischerweise bis knapp unter 3 Stunden, mit Hinzuverdienstgrenze | Maximal ca. 15 Stunden wöchentlich, Hinzuverdienstgrenze maßgeblich |
| Teilweise EM-Rente plus ergänzendes Bürgergeld | DRV / Jobcenter | Zwischen 3 und unter 6 Stunden täglich | Ja, auch sozialversicherungspflichtige Teilzeit möglich | Jobcenter darf nur in Teilzeit vermitteln, Hinzuverdienst beeinflusst ergänzendes Bürgergeld |
Wie die Rentenversicherung Stundenzahlen bewertet
Die Rentenversicherung arbeitet stark mit der Wochenstundengrenze von rund 15 Stunden, die in vielen Fachbeiträgen als Orientierungsgröße für volle EM-Rente genannt wird.
Wer dauerhaft darüber liegt, erfüllt aus Sicht der Verwaltung eher die Voraussetzungen für eine teilweise Erwerbsminderung.
Rentenbescheid24 führte aus, dass § 96a SGB VI zwar vor allem Hinzuverdienstgrenzen regelt, die DRV aber zusätzlich immer prüft, wie viele Stunden tatsächlich geleistet werden.
Wird der Minijob vollständig ausgereizt und faktisch wie eine Teilzeitstelle genutzt, ist eine Kürzung oder Umwandlung der Rente möglich.
Besonderheit: Bürgergeld oder Grundsicherung bei voller EM?
Wird volle Erwerbsminderung dauerhaft festgestellt, fällt Bürgergeld grundsätzlich weg.
Stattdessen besteht Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, ergänzt gegebenenfalls um Wohngeld.
In einem Videobeitrag wurde betont, dass eine volle EM-Rente den Bedarf meist höher deckt als Bürgergeld und zugleich den Druck durch Jobcenter-Maßnahmen beendet.youtube
Wer nur teilweise erwerbsgemindert ist, kann dagegen zusätzlich Bürgergeld erhalten, bleibt aber grundsätzlich arbeitsvermittelbar im zulässigen Stundenumfang.youtube
Kommunikation mit Arzt, Jobcenter und DRV
Wesentlich für einen rechtssicheren Minijob während Krankmeldung und Rentenverfahren ist eine saubere Abstimmung mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt.
Im Idealfall ist im Attest klar erkennbar, für welche leichten Tätigkeiten und in welchem Stundenumfang noch Belastbarkeit besteht.
Gegenüber Jobcenter und Rentenversicherung sollte jede Nebentätigkeit vollständig offengelegt werden – inklusive Arbeitsvertrag, Stundenzahl und realer Einsatzzeiten.
Sozialverbände wie der SoVD raten, sich im Zweifel frühzeitig beraten zu lassen, um keine ungewollten Widersprüche zwischen Aktenlage und tatsächlichem Alltag entstehen zu lassen.
Praktische Leitlinien für Betroffene
Aus den veröffentlichten Hinweisen von Sozialverbänden, Beratungsstellen und Rentenexperten lassen sich einige Faustregeln ableiten.
Sie ersetzen zwar keine individuelle Rechtsberatung, können aber helfen, typische Fehler zu vermeiden.
Wichtige Orientierungen:
- Beschäftigungen nur, wenn sie gesundheitlich vertretbar sind und die Genesung nicht gefährden.
- Stundenumfang konsequent unter drei Stunden pro Tag halten, wenn volle Erwerbsminderung angestrebt wird.
- Minijob-Einkommen und tatsächliche Arbeitszeiten sauber dokumentieren und offenlegen.
- Vor Aufnahme eines Jobs ärztlichen Rat einholen und ggf. Sozialberatung (SoVD, VdK, spezialisierte Beratungsstellen) nutzen.
- Keine verdeckten Mehrstunden leisten, die nicht im Vertrag stehen, aber real erbracht werden.
FAQ: Minijob, Bürgergeld, Krankmeldung und EM-Rente
Darf während einer Krankschreibung überhaupt gearbeitet werden?
Nur, wenn die Tätigkeit den Gesundheitszustand nicht verschlechtert und der ärztlichen Einschätzung entspricht.
Unpassende oder überlastende Tätigkeiten können Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit wecken.
Gefährdet ein Minijob automatisch den Antrag auf volle Erwerbsminderungsrente?
Nein, aber jede Tätigkeit ist ein Beleg für tatsächliche Leistungsfähigkeit.
Liegt die Stundenanzahl dauerhaft über den „magischen“ drei Stunden täglich oder rund 15 Stunden wöchentlich, ist eine volle EM-Rente deutlich schwerer durchzusetzen.
Ist ein Minijob mit weniger als drei Stunden täglich während des Rentenantrags möglich?
In vielen Fällen ja, wenn dies ärztlich abgesichert ist und die Tätigkeit leicht genug ist.
Sozialverbände betonen, dass eine Beschäftigung knapp unterhalb der Drei-Stunden-Grenze in der Regel keine automatische Ablehnung der EM-Rente auslöst.
Wie wirkt sich der Minijob auf das Bürgergeld aus?
100 Euro monatlich bleiben immer anrechnungsfrei, darüber gelten gestaffelte Freibeträge.
Die Minijob-Zentrale wies darauf hin, dass sich ein Minijob trotz Anrechnung häufig lohnt, weil ein Teil des Einkommens zusätzlich zur Leistung bleibt.
Kann neben voller EM-Rente weiter im Minijob gearbeitet werden?
Ja, wenn weniger als drei Stunden täglich beziehungsweise rund 15 Stunden wöchentlich gearbeitet wird und die Hinzuverdienstgrenze eingehalten wird.
So der SoVD Schleswig-Holstein, der betonte, dass viele EM-Rentner einen Minijob nutzen, um das Einkommen etwas aufzubessern.
Fazit: Minijob ja – aber streng im Rahmen bleiben
Ein Minijob trotz Krankmeldung und laufendem Antrag auf volle Erwerbsminderungsrente ist möglich, aber rechtlich und medizinisch ein Balanceakt.
Wer Bürgergeld bezieht, sollte strikt unter der Drei-Stunden-Grenze bleiben, gesundheitlich passende Tätigkeiten wählen und jede Minute Arbeit transparent machen.
Sozialverbände, Fachportale und Rentenexperten sind sich einig: Entscheidend sind die tatsächliche Belastung, die Ehrlichkeit gegenüber Jobcenter und Rentenversicherung sowie eine gute ärztliche Dokumentation.
Wer diese Punkte beachtet, kann mit einem vorsichtig dosierten Minijob die finanzielle Lage verbessern, ohne die Chancen auf eine volle Erwerbsminderungsrente unnötig zu gefährden.


