Hintergrund des Verfahrens
Der Kläger begehrte vom Rentenversicherungsträger eine Rente wegen Erwerbsminderung. Zentral war die Frage, ob die Zeit vom November 2010 bis März 2013 als rentenrechtliche Anrechnungszeit zählt, da in diesem Zeitraum Arbeitslosengeld II (SGB II-Leistungen) zunächst vorläufig bewilligt und später nach umfassender Überprüfung mit endgültigen Bescheiden auf null gesetzt wurde. Der Kläger hatte über ein Jahrzehnt sozialversicherungspflichtig gearbeitet, war dann zwischenzeitlich selbstständig und hatte verschiedenste Phasen der Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit durchlaufen.
Tatbestand und strittige Punkte
Das Jobcenter bewilligte dem Kläger und seiner Familie zunächst Bürgergeld Leistungen nach SGB II, basierend auf Angaben zu einer selbstständigen Tätigkeit im Hausmeisterservice, die aber nach seinen Angaben keine Einnahmen generierte. In den Folgejahren zeigte sich laut Aktenlage, dass der Kläger in Wirklichkeit im Ausbauunternehmen intensiv tätig war (50 Stunden/Woche). Trotz mehrfacher Aufforderung legte er keine nachprüfbaren Einkommensnachweise vor.
Die endgültige Entscheidung des Jobcenters nach umfangreicher Prüfung: Kein Anspruch auf SGB II-Leistungen – die zuvor gezahlten Gelder wurden wegen fehlender Mitwirkung und widersprüchlicher Angaben rückwirkend zurückgefordert. Damit fehlte dem Kläger im relevanten Zeitraum die rentenrechtliche Anwartschaft, die für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente entscheidend gewesen wäre.
Die juristische Kernfrage bei vorläufiger Bürgergeld Bewilligung
Der Kläger argumentierte, dass allein die vorläufige Bewilligung und Auszahlung der Leistung bereits eine rentenrechtliche Zeit nach § 58 SGB VI bzw. § 252 Abs. 10 SGB VI begründe, unabhängig von der späteren vollständigen Rückforderung und Ablehnung. Das Gericht widersprach und stellte klar: Nur die endgültige Bewilligung ist maßgebend. Leistungen, die im Nachhinein zurückgefordert werden – insbesondere, wenn sie auf falschen Angaben basieren und eine Täuschung vorliegt – schaffen keine rentenrechtliche Anwartschaft.
Entscheidungsgründe und Folgen für die Rente
Das Gericht folgt in seinem Urteil mit dem Az. L 2 R 35/25 dem sozialrechtlichen Grundsatz, dass die Versichertengemeinschaft im Rentensystem auf Solidarität und Ehrlichkeit angewiesen ist. Wer Sozialleistungen erschleicht oder die Bewilligungsbehörde täuscht, kann daraus keine Anwartschaft auf eine Rente herleiten. Nur bei rechtskonformer und endgültig bewilligter Leistung, die nicht später auf null gesetzt wird, entsteht eine Anrechnungszeit für die Rente. Denn der Gesetzgeber differenziert nach dem Sinn und Zweck der Wartezeiten: Das System soll solche schützen, die tatsächlich in wirtschaftlicher Not waren – und nicht diejenigen, die trotz Einkommen oder falscher Angaben erschlichenes Geld erhalten haben.
Für den Kläger bedeutete das: Durch die entstandene Lücke in den rentenrechtlichen Zeiten zwischen 2010 und 2013 erfüllte er die Voraussetzung für eine Erwerbsminderungsrente nicht mehr. Das vorherige Urteil des Sozialgerichts wurde daher aufgehoben und die Klage abgewiesen – die Revision wurde nicht zugelassen.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil setzt einen wichtigen Präzedenzfall:
- Nur endgültig bewilligte SGB II-Leistungen sind als Anrechnungszeiten rentenrechtlich relevant.
- Vorläufig bewilligte, später stornierte oder zurückgeforderte Leistungen werden ignoriert, besonders bei festgestelltem Betrug/Täuschung.
- Leistungsbezieher müssen die Mitwirkungspflichten und Nachweiserfordernisse sehr ernst nehmen, sonst gefährden sie nicht nur aktuelle Leistungen, sondern auch ihre Rentenanwartschaften für die Zukunft.
Fazit: keine Rentenanwartschaft durch vorläufigen Bürgergeld Bescheid
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen mit dem Az L 2 R 35/25 unterstreicht das Prinzip, dass Ehrlichkeit und rechtmäßiges Verhalten auch für Rentenansprüche unverzichtbar sind. Wer bewusst falsche Angaben macht und Leistungen erschleicht, kann nicht darauf hoffen, später auf Basis dieser Zeiten eine Rente zu bekommen. Für viele Leistungsbezieher ist das Urteil ein eindringlicher Appell, immer umfassend mit den Behörden zusammenzuarbeiten – und dass nachträgliche Rückforderungen gravierende Langzeitfolgen für die Sozialversicherung haben können.
Quelle
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Az. L 2 R 35/25, auf sozialgerichtsbarkeit.de