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Open Finance und FIDA: Was der EU-Datenaustausch für Bürgergeld-Empfänger bedeutet

Die EU plant mit Open Finance und der FIDA-Verordnung einen weitreichenden Datenaustausch im Finanzbereich. Was bedeutet das für Bürgergeld-Empfänger? Dieser Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., beleuchtet Chancen, Risiken und gibt konkrete Tipps, wie Sie Ihre sensiblen Finanzdaten schützen und verantwortungsvoll nutzen können.

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Die Digitalisierung verändert die Finanzwelt rasant. Mit der geplanten EU-Verordnung „Financial Data Access“ (FIDA) und dem Konzept des Open Finance steht ein Paradigmenwechsel bevor: Finanzdaten sollen künftig einfacher, sicherer und transparenter zwischen Banken, Versicherungen und anderen Dienstleistern ausgetauscht werden – immer mit Zustimmung der Kundinnen und Kunden. Für Bürgergeld-Empfänger ergeben sich daraus neue Chancen, aber auch Risiken, die einen bewussten Umgang mit den eigenen Daten erfordern.

Was ist Open Finance und FIDA?

Open Finance beschreibt den offenen Austausch von Finanzdaten über den klassischen Zahlungsverkehr hinaus – etwa zu Krediten, Depots oder Versicherungen. Ziel ist es, Innovationen zu fördern und den Wettbewerb zu stärken, indem Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Daten auf Wunsch sicher an Drittanbieter weitergeben können. Die FIDA-Verordnung der Europäischen Union schafft dafür erstmals einen verbindlichen Rechtsrahmen: Banken, Versicherer und andere Finanzdienstleister müssen Kundendaten über standardisierte Schnittstellen bereitstellen – aber nur, wenn die Kundin oder der Kunde ausdrücklich zustimmt.

Für Bürgergeld-Empfänger bedeutet das: Künftig könnten sie auf Wunsch ihre Kontoinformationen oder Versicherungsdaten digital an das Jobcenter oder andere Stellen übermitteln – deutlich schneller und einfacher als heute, wo oft noch Papierauszüge eingereicht werden müssen.

Chancen für Bürgergeld-Empfänger

1. Weniger Bürokratie:
Die digitale Übermittlung von Finanzdaten könnte die Beantragung und Bearbeitung von Bürgergeld deutlich vereinfachen. Kontoauszüge, Einkommensnachweise oder Versicherungsinformationen könnten automatisiert und sicher übertragen werden, was Zeit spart und Fehlerquellen reduziert.

2. Bessere Kontrolle über eigene Daten:
FIDA verpflichtet Finanzdienstleister, ein sogenanntes Berechtigungs-Dashboard bereitzustellen. Hier können Bürgergeld-Empfänger jederzeit einsehen, welche Daten sie freigegeben haben und diese Freigaben auch wieder entziehen.

3. Zugang zu innovativen Services:
Mit Open Finance entstehen neue digitale Angebote, etwa Budgetplaner oder Vergleichsportale, die auf Basis der eigenen Finanzdaten maßgeschneiderte Tipps geben können – etwa beim Sparen, bei Versicherungen oder der Jobsuche.

Risiken und Herausforderungen

1. Datenschutz und Datensicherheit:
Je mehr Daten digital geteilt werden, desto größer ist das Risiko von Missbrauch oder Datenlecks. Gerade sensible Informationen – wie Kontobewegungen, Mitgliedschaften oder Spenden – könnten in falsche Hände geraten, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist.

2. Unübersichtliche Datenfreigaben:
Wer vielen Anbietern Zugriff auf seine Daten gibt, verliert schnell den Überblick. Das kann dazu führen, dass Daten länger genutzt werden als gewünscht oder für andere Zwecke als ursprünglich angegeben.

3. Diskriminierung und Benachteiligung:
Daten könnten genutzt werden, um Bürgergeld-Empfänger gezielt von bestimmten Angeboten auszuschließen oder schlechter zu stellen. Auch automatisierte Entscheidungen auf Basis von Finanzdaten bergen Risiken, etwa bei der Kreditvergabe.

Konkrete Beispiele aus der Praxis

  • Automatisierte Kontoauszugsprüfung:
    Jobcenter könnten künftig direkt – mit Ihrer Zustimmung – auf die Kontobewegungen der letzten Monate zugreifen, um die Bedürftigkeit zu prüfen. Das spart Zeit, verlangt aber einen sorgfältigen Umgang mit sensiblen Ausgaben (z.B. Spenden, Mitgliedsbeiträge).
  • Digitale Nachweisführung:
    Statt Papierbelegen könnten Versicherungen oder Banken Nachweise direkt elektronisch ans Jobcenter übermitteln – etwa zur Krankenversicherung oder zu bestehenden Krediten.
  • Innovative Finanz-Apps:
    Apps könnten helfen, das monatliche Budget besser zu planen, indem sie automatisch Einnahmen, Ausgaben und Freibeträge analysieren und Hinweise geben, wie Sie mehr vom Bürgergeld behalten können.

Tipps: So schützen Sie Ihre Finanzdaten

  • Geben Sie Daten nur gezielt frei:
    Prüfen Sie genau, welchem Anbieter Sie welche Daten freigeben. Nutzen Sie das Berechtigungs-Dashboard, um Freigaben regelmäßig zu kontrollieren und zu widerrufen.
  • Schwärzen Sie sensible Informationen:
    Bei der Einreichung von Kontoauszügen dürfen Sie bestimmte Angaben (z.B. Spendenzweck, Mitgliedschaften) schwärzen, sofern sie nicht für die Bedürftigkeitsprüfung relevant sind.
  • Lesen Sie Datenschutzbestimmungen:
    Informieren Sie sich, wie Anbieter mit Ihren Daten umgehen und ob sie diese an Dritte weitergeben dürfen. Seriöse Anbieter erklären transparent, welche Daten sie wofür nutzen.
  • Nutzen Sie sichere Apps:
    Achten Sie bei Finanz-Apps auf Datenschutz-Siegel und Empfehlungen von Verbraucherzentralen. Geben Sie keine Passwörter oder Zugangsdaten leichtfertig weiter.
  • Widerrufen Sie unnötige Freigaben:
    Wenn Sie einen Dienst nicht mehr nutzen, entziehen Sie die Datenfreigabe aktiv über das Dashboard oder direkt beim Anbieter.

Fazit

Open Finance und FIDA bringen viele Vorteile, aber auch neue Verantwortlichkeiten für Bürgergeld-Empfänger. Wer die Chancen nutzen will, sollte sich aktiv mit dem Schutz seiner Finanzdaten auseinandersetzen und nur gezielt Freigaben erteilen. So profitieren Sie von mehr Komfort und neuen digitalen Services – ohne die Kontrolle über Ihre sensiblen Daten zu verlieren.

Redakteure

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    Unser Redaktionsmitglied Dirk van der Temme (Jahrgang 1973) hat in Düsseldorf Diplom-Sozialarbeit studiert und erfolgreich  abgeschlossen. Schon als Schüler hat er sich sozial engagiert und die Liebe zu den Menschen beibehalten. Er hat die Entwicklung der Sozialhilfe, die Hartz Gesetze und die Einführung des Bürgergeldes mit großem Interesse verfolgt. Seine Beiträge in unserem Magazin zeigen, dass er weiß, worüber er schreibt.

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    Experte:

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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