Die Diskussion um Altersvorsorge und einen drohenden Mangel an Arbeitskräften in Deutschland treibt die Politik zu innovativen Lösungen. Mit der sogenannten Rentenaufschubprämie will die Bundesregierung älteren Beschäftigten einen Anreiz bieten, über die Regelaltersgrenze hinaus zu arbeiten, statt direkt in Rente zu gehen. Doch wie funktioniert dieses Modell, welche finanziellen Effekte sind zu erwarten und welche Erfahrungen und Einschätzungen gibt es bislang aus der Praxis?
Die Rentenaufschubprämie: Was steckt dahinter?
Die Rentenaufschubprämie ist ein finanzieller Bonus für Versicherte, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterarbeiten und auf den Rentenbezug verzichten. Anstatt wie bislang üblich monatliche Rentenzuschläge von 0,5 % pro Monat (6 % pro Jahr) für das spätere Renteneintrittsalter zu erhalten, können Beschäftigte künftig eine steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung beanspruchen. Diese orientiert sich an den einbehaltenen Rentenzahlungen sowie den eingesparten Beiträgen, die sonst an die Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt worden wären.
Zu den Voraussetzungen zählt, dass nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterhin eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit – also keine geringfügige Beschäftigung – aufgenommen und mindestens ein Jahr lang auf die Rentenzahlung verzichtet wird. Maximal sind drei Jahre Aufschub möglich. Die Höhe der Prämie entspricht grundsätzlich der Summe der nicht ausgezahlten Altersrenten, die ansonsten monatlich fällig gewesen wären. Ergänzend werden die eingesparten Beiträge zur Krankenversicherung dazugerechnet, sodass schnell Beträge von 20.000 € und mehr zusammenkommen können – je nach Rentenanspruch und Aufschubdauer.
Für detaillierte und stets aktuelle Informationen empfiehlt sich ein Blick auf das Informationsangebot der Deutschen Rentenversicherung (→ Deutsche Rentenversicherung: Rentenaufschub und Prämien)
So funktioniert die Rentenaufschubprämie im Detail
Wer einen Anspruch auf die Prämie aufbauen will, muss ab Januar 2025 weiterarbeiten und seine Rente nicht abrufen. Die Prämie wird dann frühestens ab 2028 als steuer- und abgabenfreier Einmalbetrag ausgezahlt. Alternativ können Versicherte weiterhin auf den klassischen Weg der monatlichen Zuschläge setzen und dadurch eine dauerhaft erhöhte Rente beziehen. Die Rentenaufschubprämie sichert die Wahlfreiheit: Jeder kann selbst entscheiden, welche Variante besser zu den eigenen Lebensumständen passt.
Arbeitgeber profitieren ebenfalls, denn sie dürfen die Sozialversicherungsbeiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung, die sie normalerweise für “Ruheständler im Arbeitsverhältnis” zahlen müssten, zusätzlich zum Bruttolohn ausschütten. Das macht die Weiterbeschäftigung erfahrener Kräfte insbesondere im Fachkräftebereich attraktiver.
Finanzieller Effekt für die Versicherten
Die Prämie belohnt die Aufschiebung der Rente mit einer spürbaren, einmaligen Auszahlung. Bei einem Jahr Aufschub und einer abgespeckten Monatsrente von 1.500 € ergibt das bereits 18.000 €, bei zwei Jahren 36.000 € – zuzüglich der eingesparten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Die Prämie ist steuer- und abgabenfrei, was den Nettovorteil noch erhöht. Die Bundesregierung zielt damit darauf ab, Anreize für ausreichende Altersvorsorge zu geben – besonders für Rentner mit höheren Ansprüchen oder einem Beschäftigungsverhältnis, das längeres Arbeiten erlaubt.
Allerdings gilt: Wer die Prämie wählt, verzichtet gleichzeitig auf die lebenslangen Rentenzuschläge, die üblicherweise für einen späteren Renteneinstieg bezahlt werden. Die Entscheidung sollte daher individuell – beispielsweise unter Berücksichtigung der eigenen Lebenserwartung, der gesundheitlichen Verfassung und der weiteren Arbeitsmarktchancen – geprüft werden.
Kritik, Herausforderungen und Reaktionen
Die Rentenaufschubprämie ist Teil der Bemühungen, den Fachkräftemangel mit attraktiven Modellen einzudämmen. Dies begrüßen viele Arbeitgeberverbände, die gezielt auf erfahrene Arbeitskräfte setzen wollen. Gewerkschaften und Sozialverbände warnen jedoch, dass die Prämie eher Arbeitnehmern in gut bezahlten, körperlich weniger belastenden Berufen nützt. Insbesondere Beschäftigte im Pflege- oder Baugewerbe werden aufgrund physischer Belastung kaum profitieren.
Kritische Stimmen der Sozialversicherung befürchten erhebliche Einnahmeverluste für das System, da sowohl die nicht ausgezahlte Rente als auch die eingesparten Sozialversicherungsbeiträge für mehrere Jahre fehlen. Sie fordern Nachbesserungen, um die Risiken für die nachhaltige Finanzierbarkeit der Rentenkasse gering zu halten. Im Bundestag ist die Prämie weiterhin umstritten, die endgültige Umsetzung hängt von weiteren Beratungen ab.
Erste Erfahrungen und Praxiseinschätzungen
Da die Rentenaufschubprämie erst ab 2028 ausgezahlt wird, liegen echte Praxiserfahrungen bislang kaum vor. Experten erwarten, dass die Inanspruchnahme überschaubar bleibt. Besonders diejenigen, die ohnehin länger arbeiten wollten oder über eine hohe Rente verfügen, könnten profitieren. Die Flexibilität bei der Wahl zwischen Einmalprämie und lebenslanger Rentenerhöhung wird allgemein positiv bewertet, dennoch gibt es Bedenken bezüglich der sozialen Gerechtigkeit und möglichen Fehlanreizen. Die Wirksamkeit des Modells bleibt abzuwarten – eventuell sind weitere Anpassungen nötig, um die gewünschte Wirkung auf breiter Front zu erzielen.
Fazit vom Verein Für soziales Leben e. V.
Die Rentenaufschubprämie ist ein interessanter Baustein der deutschen Rentenpolitik. Sie setzt gezielt Anreize für längeres Arbeiten und kann für einzelne Versicherte finanzielle Vorteile bieten. Die freie Wahl zwischen Einmalzahlung und erhöhter Monatsrente entspricht dem Wunsch nach Flexibilität im Alter. Allerdings sollte das Modell sozial ausgewogen ausgestaltet werden, um auch Geringverdiener sowie Menschen in belastenden Berufen zu erreichen und das Rentensystem nicht zu schwächen. Eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung bleiben daher unerlässlich. Der Verein Für soziales Leben e. V. empfiehlt allen Versicherten, sich ausführlich beraten zu lassen und die eigene Situation sorgfältig abzuwägen.