Bürgergeld: Welche Schulden das Jobcenter übernimmt! Als Darlehen!

Viele Bürgergeld-Empfänger geraten in finanzielle Schwierigkeiten – besonders Miet- oder Energieschulden können zur Gefahr für die eigene Wohnung werden. Doch wann hilft das Jobcenter wirklich und welche Schulden werden übernommen? Der folgende Artikel zeigt, in welchen Fällen das Jobcenter einspringt, welche Voraussetzungen gelten und wie die Unterstützung funktioniert.

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Wer Bürgergeld (Neue Grundsicherung für Arbeitsuchende) bezieht, steht häufig vor vielen finanziellen Herausforderungen. Besonders Schulden können zur existenziellen Bedrohung werden, wenn sie etwa die Wohnungssicherheit gefährden. Übernimmt das Jobcenter Schulden? Und unter welchen Bedingungen gibt es Unterstützung vom Amt? Hier, auf Bürger & Geld, dem Nachrichten-Magazin des Vereins Für soziales Leben e. V., erfahren Sie, welche Schulden das Jobcenter übernimmt, wie die Hilfe funktioniert (Antragsverfahren) und was Sie sonst noch beachten müssen.

Welche Schulden übernimmt das Jobcenter?

Das Jobcenter übernimmt grundsätzlich keine allgemeinen Schulden wie Konsumkredite, offene Rechnungen oder private Kredite. Die monatlichen Regelleistungen des Bürgergeldes sind ausschließlich für den Lebensunterhalt gedacht und nicht zur Schuldentilgung bestimmt. Dennoch gibt es Ausnahmen, bei denen das Jobcenter einspringen kann:

  • Mietschulden: Droht aufgrund von Mietrückständen der Verlust der Wohnung, kann das Jobcenter ein zinsloses Darlehen gewähren, um die Mietschulden zu begleichen. Dies ist sogar möglich, bevor eine Kündigung ausgesprochen wurde – eine drohende Kündigung reicht aus.
  • Energieschulden: Bei einer drohenden Strom-, Wasser- oder Heizungsabschaltung kann ebenfalls ein Darlehen gewährt werden, um die Versorgung sicherzustellen.
  • Weitere Notlagen: Auch bei anderen unabwendbaren Bedarfen – etwa notwendige Reparaturen oder Kautionen – kann ein Darlehen beantragt werden.

Voraussetzungen für die Übernahme von Schulden

Das Jobcenter entscheidet nach Ermessen und prüft jeden Einzelfall. Die wichtigsten Voraussetzungen sind:

  • Die Notlage muss dem Jobcenter bekannt sein (z.B. durch Vorlage einer Kündigungsandrohung oder Sperrandrohung).
  • Die Schuldenübernahme muss notwendig sein, um Wohnungslosigkeit oder eine vergleichbare Notlage abzuwenden.
  • Eigene finanzielle Mittel (Schonvermögen) müssen vorher eingesetzt werden.
  • Die Notlage darf nicht mutwillig oder grob fahrlässig herbeigeführt worden sein.

Wie funktioniert die Unterstützung?

Die Hilfe erfolgt fast immer in Form eines zinslosen Darlehens. Die Rückzahlung erfolgt durch monatliche Kürzungen des Bürgergeldes – maximal 5 % des Regelbedarfs werden pro Monat einbehalten. Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die Notlage durch einen Fehler des Jobcenters entstanden ist, kann die Schuld als nicht rückzahlbare Beihilfe übernommen werden.

Wichtige Urteile zur Schuldenübernahme durch das Jobcenter

Im Zusammenhang mit der Übernahme von Schulden durch das Jobcenter gibt es mehrere hervorzuhebende Urteile, die die Voraussetzungen und Grenzen der Schuldübernahme klarstellen. Hier eine Auswahl relevanter Gerichtsentscheidungen:

Mietschuldenübernahme trotz privater Hilfe

Das Bundessozialgericht entschied, dass eine Schuldenübernahme durch das Jobcenter auch dann möglich ist, wenn der Leistungsberechtigte nach Anzeige seines Bedarfs beim Jobcenter ein privates Darlehen zur Begleichung der Mietschulden aufgenommen hat. Entscheidend ist, dass die Notlage gegenüber dem Jobcenter angezeigt wurde und ansonsten Wohnungslosigkeit droht.
BSG, Urteil vom 13.07.2022 – B 7/14 AS 52/21

Kein einklagbarer Anspruch des Vermieters gegen das Jobcenter

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen stellte klar, dass Vermieter keinen eigenen Anspruch gegen das Jobcenter auf Übernahme von Mietschulden haben. Die Rechtsbeziehung besteht ausschließlich zwischen Leistungsberechtigtem und Jobcenter.
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 03.02.2022 – L 11 AS 578/20

Wiederholte Zweckentfremdung: Jobcenter muss nicht zahlen

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied, dass das Jobcenter die Übernahme von Mietschulden verweigern darf, wenn Hilfebedürftige die für die Miete bestimmten Leistungen wiederholt zweckwidrig verwendet haben.
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.2013 – L 2 AS 543/13 ER-B

Verschuldenskosten bei fehlerhaftem Verhalten des Jobcenters

Das Sozialgericht Heilbronn verurteilte das Jobcenter zur Übernahme von Verschuldenskosten, wenn dieses trotz klarer Rechtslage die notwendigen Leistungen verweigert und dadurch ein Klageverfahren verursacht.
SG Heilbronn, Urteil vom 23.06.2016 – S 15 AS 860/1

Die aufgelisteten Urteile machen klar, dass die Übernahme von Schulden durch das Jobcenter immer eine Einzelfallentscheidung ist. Besonders wichtig sind immer die Gefahr eines Verlusts der Wohnung und das Verhalten des Leistungsberechtigten im Vorfeld.

Antrag auf Übernahme von Schulden: wichtige Hinweise für Betroffene

  • Ein formloser Antrag reicht meist aus, sobald das Jobcenter über die Notlage informiert ist.
  • Private Darlehen von Freunden oder Familie schließen einen Anspruch auf ein Jobcenter-Darlehen nicht aus, sofern das Jobcenter rechtzeitig vor Auszahlung des privaten Darlehens informiert wurde.
  • Rückstände aus Betriebskostenabrechnungen gelten nicht als Mietschulden und werden in der Regel nicht übernommen.
  • Bei wiederholten Mietschulden oder unangemessenem Wohnraum kann das Jobcenter die Übernahme verweigern.

Zusammenfassung: Welche Schulden das Jobcenter beim Bürgergeld / Grundsicherung übernimmt

Das Jobcenter übernimmt Schulden nur in klar definierten Notlagen, um Wohnungslosigkeit oder Versorgungslücken zu verhindern. Die Unterstützung erfolgt als Darlehen, das zurückgezahlt werden muss. Eine umfassende Schuldenübernahme für allgemeine Verbindlichkeiten ist nicht vorgesehen. Betroffene sollten frühzeitig Kontakt zum Jobcenter aufnehmen und alle relevanten Unterlagen bereithalten.

Redakteure

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    Unser Redaktionsmitglied Dirk van der Temme (Jahrgang 1973) hat in Düsseldorf Diplom-Sozialarbeit studiert und erfolgreich  abgeschlossen. Schon als Schüler hat er sich sozial engagiert und die Liebe zu den Menschen beibehalten. Er hat die Entwicklung der Sozialhilfe, die Hartz Gesetze und die Einführung des Bürgergeldes mit großem Interesse verfolgt. Seine Beiträge in unserem Magazin zeigen, dass er weiß, worüber er schreibt.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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