Die Diskussion um das Bürgergeld und das sogenannte Lohnabstandsgebot prägt seit Jahren die sozialpolitische Debatte in Deutschland. Kritiker werfen der Grundsicherung häufig vor, sie sei zu hoch und sorge dafür, dass sich Arbeit, insbesondere im Niedriglohnbereich, nicht mehr lohnt. Eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung stellt diese Behauptung nun auf den Prüfstand – mit klaren Ergebnissen, die für alle Anspruchsgruppen relevant sind und zeigen: Das Lohnabstandsgebot ist gewahrt, Arbeiten lohnt sich!
Warum ist das Lohnabstandsgebot so wichtig?
Das Lohnabstandsgebot ist ein zentraler Grundsatz im deutschen Sozialrecht. Es verpflichtet Staat und Gesetzgeber dazu, die Grundsicherung (Bürgergeld) so auszugestalten, dass sie stets unter dem Einkommen einer Vollzeitbeschäftigung – etwa auf Mindestlohnbasis – liegt. So soll ein klarer Anreiz für Erwerbstätigkeit bestehen und die soziale Gerechtigkeit gewahrt werden.
Ergebnisse der aktuellen Studie: Arbeiten bringt mehr als Bürgergeld
Die neue Bürgergeld-Studie analysiert verschiedene Haushaltskonstellationen und vergleicht das verfügbare Einkommen von Bürgergeldbeziehern mit dem von Vollzeitbeschäftigten, die den Mindestlohn erhalten. Die wichtigsten Befunde:
- Alleinstehende profitieren im Bundesdurchschnitt von einem monatlichen Lohnabstand von 557 Euro.
- Alleinerziehende mit einem Kind haben durchschnittlich 749 Euro mehr zur Verfügung, wenn sie arbeiten.
- Paarfamilien mit zwei Kindern, nur ein Elternteil erwerbstätig, erzielen einen Einkommensvorteil von 660 Euro gegenüber dem Bürgergeldbezug.
Regional unterscheidet sich der Abstand, vor allem wegen unterschiedlicher Mietkosten: In München und Umgebung kann der Abstand bei Singles auf 379 bis 444 Euro fallen, im Vogtland oder in Nordhausen liegt er bei 662 bzw. 652 Euro.
Was steckt hinter diesen Zahlen?
Die Berechnungen berücksichtigen alle relevanten Transferleistungen und Belastungen:
- Mindestlohnbasis: 2.121,58 Euro brutto monatlich, bei durchschnittlich 38,19 Arbeitsstunden pro Woche.
- Steuern und Sozialabgaben: Davon bleiben rund 1.546 Euro netto übrig.
- Wohngeldanspruch: Zusätzliches Plus von ca. 26 Euro im Durchschnitt.
- Bürgergeld: 563 Euro Regelsatz plus angemessene Kosten der Unterkunft. Für Alleinstehende summiert sich das auf ca. 1.015 Euro monatlich.
Familien und Alleinerziehende erhalten zusätzlich Kindergeld, Kinderzuschlag und häufig Wohngeld. Gerade diese flankierenden Leistungen sichern und stärken den Lohnabstand, denn sie kommen ausschließlich oder vorrangig Erwerbstätigen zugute und verhindern, dass Arbeit weniger lohnt als der Bezug von Bürgergeld.
Klare Botschaft: Das Narrativ „Arbeit lohnt sich nicht“ ist widerlegt
Die Studie weist nach: In jeder untersuchten Konstellation, ob Single oder Familie, in jeder Region Deutschlands, bleibt ein deutlicher Abstand zwischen Bürgergeld und Einkommen aus Arbeit. Das Lohnabstandsgebot ist nicht nur formal, sondern auch praktisch erfüllt. Die Unterstellung, Bürgergeldbezieher würden „nicht arbeiten wollen“, weil sich der Bezug der Leistung mehr lohne, ist durch die Zahlen widerlegt und entspricht nicht der Realität.
Unterschiede nach Region – Was beeinflusst den Lohnabstand?
Wesentliche regionale Unterschiede hängen von den Mietkosten ab:
- Hohe Mieten in Ballungsräumen wie München und Hamburg verringern den Abstand zwischen Bürgergeld und Erwerbseinkommen.
- In Regionen mit niedrigen Mieten ist der Einkommensvorteil für Erwerbstätige besonders deutlich.
- Die Studie fordert deshalb, den Fokus politisch stärker auf bezahlbaren Wohnraum und sozial flankierende Maßnahmen zu legen, statt pauschal die Bürgergeldhöhe zu kritisieren.
Warum sind diese Ergebnisse für Politik und Gesellschaft wichtig?
- Die Ergebnisse stärken das Vertrauen in die soziale Ausrichtung des deutschen Arbeits- und Sozialsystems.
- Behörden und Sozialverbände erhalten evidenzbasierte Argumentationsgrundlagen, um Stigmatisierung und Fehlannahmen zu bekämpfen.
- Für Arbeitssuchende ist das Signal deutlich: Erwerbstätigkeit bringt auch im Niedriglohnbereich einen spürbaren finanziellen Mehrwert.
Ausblick: Politische Debatte und Handlungsbedarf
Die Studie macht deutlich, dass die Höhe des Bürgergeldes keinen Anreizverlust schafft. Vielmehr sollte die Politik den Fokus auf die Förderung von bezahlbarem Wohnraum und den Ausbau begleitender Leistungen wie Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag legen. So können sowohl die Staatskasse als auch die unteren Einkommen wirkungsvoll entlastet werden.
Zusammenfassung: Bürgergeld – Arbeiten lohng sich doch!
Die neue Bürgergeld-Studie liefert aktuelle und regionale Zahlen, die das Lohnabstandsgebot zweifelsfrei bestätigen. Wer arbeitet, bekommt mehr als beim Bürgergeld – und das nicht nur auf dem Papier, sondern auch bei realistischen Fallbeispielen aus dem Alltag.