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Falschaussagen der AfD zum Bürgergeld – Das aktuelle Interview im Faktencheck

Das Bürgergeld steht immer wieder im Mittelpunkt politischer Debatten, besonders wenn Parteien wie die AfD mit teils irreführenden Behauptungen für Schlagzeilen sorgen. In unserem Beitrag auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., werden zentrale Falschaussagen der AfD zum Bürgergeld aufgegriffen und anhand aktueller Fakten sachlich eingeordnet.

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Das Thema Bürgergeld ist nach wie vor eines der am hitzigsten diskutierten Felder der Sozialpolitik in Deutschland. In den Fokus geraten dabei immer wieder öffentliche Aussagen der AfD, die mit provokanten Behauptungen zur Förderung von Bürgergeld polarisieren. Besonders das ARD-Sommerinterview mit AfD-Parteichefin Alice Weidel im Juli 2025 sorgte für Schlagzeilen. In diesem Artikel werden die zentralen Falschaussagen der AfD zum Bürgergeld aus dem aktuellen Interview beleuchtet und auf Basis aktueller Fakten widerlegt.

Was behauptet die AfD im aktuellen Interview?

Alice Weidel hat im ARD-Sommerinterview wiederholt folgende Behauptungen zum Bürgergeld aufgestellt:

  • Die Hälfte der Bürgergeldempfänger seien Ausländer, die noch nie in das Sozialsystem eingezahlt hätten.
  • Von den deutschen Empfängern hätten drei Viertel einen „Migrationshintergrund“ oder einen Doppelpass.
  • Das Bürgergeld finanziere Menschen, die keinerlei Beitrag zum Solidarsystem geleistet hätten.
  • Das System sei insgesamt ein Magnet für Migration und fördere Zuwanderung in die Sozialsysteme.

Diese Thesen sind Teil einer langfristigen Kommunikationsstrategie der AfD zur Skandalisierung des Bürgergelds.

Die Fakten: Wie stichhaltig sind die Behauptungen?

Anteil der Ausländer unter Bürgergeldempfängern

Die Aussage, die Hälfte der Empfänger seien Ausländer, ist irreführend. Der Anteil der Empfänger ohne deutschen Pass liegt bei etwa 47%. Entscheidend ist jedoch: Viele von ihnen haben gearbeitet, Steuern und Sozialabgaben gezahlt oder besitzen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus wie Geflüchtete. Die Unterstellung, diese Menschen hätten nie eingezahlt, wird nicht belegt.

Mythos „Doppelpass und Migrationshintergrund“

Die AfD vermischt absichtlich den Begriff „Ausländer“ mit Menschen, die einen Migrationshintergrund oder eine doppelte Staatsangehörigkeit besitzen. Für Bürgergeldempfänger aber werden keine offiziellen Statistiken zu Doppelpass oder Migrationshintergrund erhoben – diese Zahl ist politisch konstruiert und wird in der öffentlichen Debatte oft missbräuchlich eingesetzt.

Haben Ausländer wirklich nie eingezahlt?

Viele ausländische Empfänger des Bürgergelds lebten schon längere Zeit in Deutschland, waren steuerpflichtig beschäftigt und haben sowohl in Sozialkassen als auch in die Rentenversicherung eingezahlt. Die Unterstellung, sie belasteten das System „ohne jeden Beitrag“, hält einem Faktencheck nicht stand und ist zu pauschal.

Bürgergeld als „Zuwanderungsmagnet“?

Auch diese Aussage ist nicht belegt. Studien zeigen: Flucht und Migration haben meist humanitäre oder arbeitsmarktspezifische Gründe. Ein vergleichender Blick auf die Sozialleistungen anderer europäischer Länder zeigt zudem, dass Deutschland nicht die höchsten Sozialtransfers bietet. Die Annahme, Migranten kämen primär wegen des Bürgergelds, ist haltlos.

Bürgergeld im Vergleich zu Erwerbseinkommen

Die AfD argumentiert oft, das Bürgergeld sei so hoch, dass sich Arbeiten nicht mehr lohne. Ein Vergleich zwischen Bürgergeldsätzen und Mindestlohn zeigt jedoch, dass Arbeitnehmer selbst bei Mindestlohn-Einkommen nach Abzügen wie Steuern und Sozialabgaben immer noch über mehr verfügbares Geld verfügen als Bürgergeldbezieher. Hinzu kommen für Erwerbstätige gegebenenfalls ergänzende Sozialleistungen wie Kinderzuschlag oder Wohngeld, die das Einkommen weiter erhöhen.

Aktueller Bürgergeld Regelsatz (Stand 2025)

PersonenkreisBürgergeld pro Monat
Alleinstehende/r563€
Volljährige/r Partner/in506€
Jugendliche (14–17 J.)471€
Kinder (6–13 J.)390€
Kinder (bis 5 J.)357€

Ein erwachsener Arbeitnehmer erhält bereits mit Mindestlohn (12,41€/h, 38-Stunden-Woche) netto über 1.499€ – das ist mehr als das Doppelte einer alleinstehenden Bürgergeldempfängerin.

Tabelle: AfD-Behauptungen vs. Fakten

AfD-BehauptungFaktenlage
„50% sind Ausländer ohne Leistung“Etwa 47% sind Ausländer; viele haben gearbeitet und Beiträge geleistet
„Großteil mit Migrationshintergrund“Es gibt keine verlässlichen Daten, Zahl mutmaßlich zu hoch gegriffen
„Bürgergeld ist ein Magnet für Migration“Migration hat vielfältige, meist humanitäre oder wirtschaftliche Ursachen
„Arbeit lohnt sich nicht mehr“Erwerbstätige haben nachweisbar stets mehr Geld zur Verfügung

Zusammenfassung: Bürgergeld-Fakten gegen Populismus der AfD

Viele der aktuell von der AfD getroffenen Aussagen über das Bürgergeld sind nachweislich falsch, irreführend oder politisch motiviert zugespitzt. Offizielle Statistiken und wissenschaftliche Untersuchungen widersprechen den postulierten Zahlen und Legenden. Wer das Bürgergeld sachlich bewerten möchte, sollte sich auf geprüfte Daten und unabhängige Analysen statt auf parteipolitische Parolen verlassen.

Das Bürgergeld bleibt ein zentrales Instrument sozialer Sicherung in Deutschland – und ein Thema, das eine differenzierte, faktenbasierte Debatte verdient.

Quelle

Tagesschau

Redakteure

  • ik

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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