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Mietschulden? Bürgergeld Urteil: Jobcenter muss als Darlehen übernehmen

Es geht um das Existenzminimum, das das Bürgergeld als Grundsicherung absichern soll. Dazu zählt menschenwürdiges Wohnen. Das Geld im Regelsatz deckt nur den alltäglichen Bedarf. Schulden kann man damit nicht begleichen. Bürgergeld Bezieher sind somit in der Schuldenfalle. Was aber tun bei Mietschulden? Diese können unter Umständen zur Kündigung des Mietverhältnisses und Obdachlosigkeit führen. Muss das Jobcenter zusätzlich zum Regelsatz die Mietschulden übernehmen? Als Zuschuss oder als Darlehen? Wir beantworten diese Fragen unter Berücksichtigung eines jüngeren Urteils des Bundessozialgerichts in unserem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Bundessozialgericht: Jobcenter muss Mietschulden als Darlehen übernehmen! Kein Ermessen!

In der Entscheidung des Bundessozialgerichts ging es um die Frage, ob das Jobcenter dem Bürgergeld Bezieher Zahlungen für Mietschulden leisten muss.

Das Bundessozialgericht stellte in seinem Urteil unter dem Az B 7/14 AS 52/21 R klar, dass das Jobcenter Mietschulden in Form eines Darlehens zahlen muss. Für die Darlehensgewährung ist nicht Voraussetzung, dass Wohnungslosigkeit droht. Ebenso ist kein förmlicher Antrag auf Darlehensgewährung notwendig. 

Für den Anspruch auf Darlehensgewährung für Mietschulden ist die Information an das Jobcenter ausreichend, dass eine Wohnungskündigung droht.

Auch ein Darlehen von Freunden oder Bekannten schließt den Darlehensanspruch gegenüber dem Jobcenter nicht aus.

Jobcenter hat Darlehen für Mietschulden abgelehnt

Dem Urteil des Bundessozialgerichts lag der Fall eines Bürgergeld Bezieherin (seinerzeit noch Hartz IV) zugrunde, deren Bürgergeld Bezug für ein halbes Jahr unterbrochen war. In dieser Zeit waren Mietschulden entstanden. Der Vermieter drohte eine Kündigung an. Die Bürgergeld Bezieherin teilte dies dem Jobcenter formlos mit.

Ein Darlehen zur Deckung der offenen Miete wurde von der Bürgergeld Bezieherin erst einige Monate später beantragt. Vor Entscheidung des Jobcenter ging der Leistungsbezieherin die Kündigung zu. Sie erhielt daraufhin von einer Bekannten ein Darlehen, bezahlte die Mietschulden. Der Vermieter nahm die Kündigung zurück.

Vor diesem Hintergrund lehnt das Jobcenter den Darlehensantrag ab.

Drohende Wohnungslosigkeit ist nicht Voraussetzung für Jobcenter Darlehen bei Mietschulden

Das Bundessozialgericht stellte in seiner Entscheidung klar, dass eine drohende Wohnungslosigkeit keine zwingende Voraussetzung für die Gewährung eines Mietdarlehens durch das Jobcenter ist.

Ein Darlehensanspruch kann selbst dann bestehen, wenn die Wohnungskündigung durch ein Darlehen von Freunden oder Bekannten verhindert worden ist.

Voraussetzung für die Gewährung eines Darlehens durch das Jobcenter ist nach Ansicht des Bundessozialgerichts lediglich,

  •  dass das Jobcenter von der Notlage (Mietschulden, Kündigungsandrohung) wusste und
  • noch vor der Auszahlung des privaten Darlehens über den Antrag auf Jobcenter Darlehen hätte entscheiden können.

Förmlicher Antrag auf Übernahme der Mietschulden beim Jobcenter nicht notwendig

„Eines gesonderten Antrags iS von § 37 Abs 1 SGB II bedarf es für das Begehren auf Übernahme von Mietschulden iS des § 22 Abs 8 SGB II nicht.“ Das ist ebenfalls Aussage des Urteils des Bundessozialgerichts.

Wenn ein Bezieher von Bürgergeld dem Jobcenter umgehend mitteilt, dass er Mietschulden hat und ein Bedarf bestehe, muss, so das Bundessozialgericht, nicht kein gesonderter Antrag auf ein Darlehen gestellt werden.

Jobcenter Darlehen bei Mietschulden – Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage für ein Darlehen des Jobcenter bei Mietschulden ist § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II (Bürgergeld Gesetz). Die Darlehensgewährung steht im Ermessen des Jobcenter. Das Ermessen reduziert sich entsprechend S. 2 der Vorschrift, wenn die Übernahme der Schulden gerechtfertigt und notwendig ist zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit.

Zusammenfassung zu Bürgergeld Darlehen bei Mietschulden

Das Wichtigste zum Schluss noch einmal zusammengefasst:

  • Jobcenter müssen ein Darlehen für Mietschulden gewähren, wenn Wohnungslosigkeit droht. Aber auch dann, wenn das nicht der Fall ist, muss das Jobcenter in aller Regel ein Darlehen für die Mietschulden gewähren.
  • Bei Mietschulden ist kein gesonderter Antrag für das Darlehen notwendig. Es reicht, wenn dem Jobcenter mitgeteilt wird, dass Mietschulden bestehen und dein Bedarf für eine darlehensweise Übernahme der Mietschulden vorhanden ist.
  • Auch wenn ein Überbrückungsdarlehen von Bekannten oder Verwandten gewährt wurde, muss das Jobcenter ein Darlehen gewähren, wenn die Überbrückung erst nach dem Antrag bzw. der Mitteilung gezahlt wurde.

Quelle

Bundessoszialgericht

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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